Wichtigsten Auslöser seltener Nahrungsmittelallergien in französischer Studie gefunden: Bei Säuglingen sind das Milch, Ei, Fisch 

Interessenkonflikte

10. Mai 2022

Das Nahrungsprotein-induzierte Enterokolitis-Syndrom (FPIES: food protein induced enterocolitis syndrome) betrifft in Frankreich in der Regel Kinder vor dem 6. Lebensmonat. Es wird laut einer neuen Studie durch einige wenige spezifische Lebensmittel verursacht. Die Untersuchung ist in Clinical and Translational Allergy veröffentlicht worden [1].

Das FPIES ist eine seltene und nicht IgE-vermittelte Lebensmittelallergie. Meist bildet sie sich bei Kindern bis zum Schuleintritt zurück. Bei einigen reicht sie aber auch noch weit in die spätere Kindheit hinein.

Dr. Amy P. Stallings

„In der untersuchten Gruppe französischer Kinder waren Kuhmilch, Hühnerei und Fisch die häufigsten Auslöser eines FPIES“, sagte Dr. Amy P. Stallings, Pädiaterin und Programmleiterin für pädiatrische Allergie und Immunologie am Duke University Health System in Durham, North Carolina, gegenüber Medscape. „In den USA hingegen wurden in anderen FPIES-Studien Hafer und Reis als häufigste Auslöser ermittelt, gefolgt von Kuhmilch, Soja und Ei.“ 

 
In der untersuchten Gruppe französischer Kinder waren Kuhmilch, Hühnerei und Fisch die häufigsten Auslöser eines FPIES. Dr. Amy P. Stallings
 

Stallings, die nicht an der Studie beteiligt war, ergänzte, dass die Unterschiede bei den auslösenden Nahrungsmitteln je nach Region und Bevölkerung „auf Unterschiede beim Füttern der Säuglinge, im Mikrobiom, im Genom und bei weiteren Faktoren zurückzuführen sein könnten“.

Um die Merkmale und Risikofaktoren von FPIES bei französischen Kindern zu beschreiben, wertete die Hauptautorin der Studie Dr. Anaïs Lemoine, Kinderärztin und Spezialistin für pädiatrische Gastroenterologie und Lebensmittelallergien am Trousseau-Krankenhaus in Paris, mit ihrem Team die Krankenakten von 179 Kindern aus, die zwischen Januar 2014 und April 2020 wegen dieser Erkrankung in 2 akademischen Kliniken wegen der Erkrankung behandelt worden waren.

Nach wenigen Jahren herausgewachsen

Die Patientendaten stammten zu 53,1% von Jungen. Das Durchschnittsalter beim Auftreten der ersten FPIES-Symptome lag bei 5,8 Monaten. Bei den 192 retrospektiv untersuchten FPIES-Fällen waren die wichtigsten auslösenden Lebensmittel: 

  • Kuhmilch (60,3%), 

  • Hühnerei (16,2%) und 

  • Fisch (11,7%). 

In nahezu allen Fällen (94,4%) war nur ein Lebensmittel der Auslöser eines FPIES.

Im Alter von 5 Jahren klang die FPIES zumeist ab. Dies galt bei Milch für 90,7% der Kinder, bei Hühnerei für 87,1% und bei Fisch für 38,1%. Die Wiedereinführung des Lebensmittels innerhalb von 12 Monaten nach der ersten Reaktion erhöhte das Risiko eines Misserfolgs.

Bei Kindern mit schwerer akuter FPIES bildete sich die Symptomatik mit höherer Wahrscheinlichkeit verlangsamt zurück (relatives Risiko [RR] 3,3; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,2-9,2) oder war anhaltend (RR 3,3; 95%-KI 1,2-9,2). Aber es gab kein höheres Risiko für eine IgE-Sensibilisierung, so die Forschenden. Eine persönliche oder familiäre Vorgeschichte mit atopischen Erkrankungen stellte keinen Risikofaktor für eine anhaltende FPIES dar.

Bei Kindern mit einer Toleranzentwicklung gegenüber dem einstmals auslösenden Nahrungsmittel war die IgE-Sensibilisierung gegen die Nahrungsmittel nicht mit einer längeren FPIES-Dauer verbunden und stellte auch keinen Risikofaktor für ein Scheitern der oralen Verträglichkeitsprüfung dar.

Globale Unterschiede bei den FPIES-Auslösern

Die Autoren geben aus der Literatur andere Studien zur Eiweißintoleranz mit verschiedenen Auslösern an, wie z.B.: 

  • Fisch in Griechenland (54%) und Spanien (70,6%), 

  • Reis in Australien und in den USA sowie

  • Hafer in Taiwan (34,5%), 

  • während Soja häufig in den USA, in Israel, in Australien und auch aus anderen Ländern als Auslöser ausgemacht wurde.

Derartige Unterschiede erklärten sich über Ernährungsgewohnheiten, geografische Herkunft, genetische Faktoren, Mikrobiomunterschiede und weitere prä- oder postnatale Umweltfaktoren, so die Autoren weiter.

Stallings findet es „sehr interessant, dass Reis und Hafer als insgesamt häufigste FPIES-Auslöser in dieser Gruppe nicht vorne lagen“.

Obwohl die Forschenden ihre Studie auf französische Kinder beschränkt hatten, deren spezifische Auslöser möglicherweise nicht für Kinder anderer Länder gelten, bezeichnet Stallings die relativ große untersuchte Population als eine Stärke ihrer Studie und ihre Resultate als relevant für Kinderärzte auf der ganzen Welt.

Jodi A. Shroba, MSN, RN, CPNP

„Diese Ergebnisse helfen pädiatrisch und allergologisch Tätigen dabei zu wissen, was sie in Bezug auf das Alter eines FPIES-Ausbruchs, die möglichen Auslöser und den wahrscheinlichen Zeitpunkt des Herauswachsens aus dieser allergischen Reaktion erwarten können“, sagte sie.

FPIES noch nicht gänzlich verstanden – mögliche Dunkelziffer

Dr. Jodi A. Shroba, Koordinatorin des Programms für Nahrungsmittelallergien am Children's Mercy Hospital in Kansas City, betonte die Bedeutung der Anamnese für die FPIES-Diagnose. „FPIES ist für die Medizin immer noch ein Rätsel. Da es keine Biomarker gibt, fußt die Diagnose ausschließlich auf der Krankengeschichte“, sagte Shroba, die ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber Medscape

 
FPIES ist für die Medizin immer noch ein Rätsel. Da es keine Biomarker gibt, fußt die Diagnose ausschließlich auf der Krankengeschichte. Dr. Jodi A. Shroba
 

„Der Zeitpunkt der Wiedereinführung des Auslösers ist entscheidend“, fügte sie hinzu. „Eine solche neuerliche Exposition kann zeitaufwändig sein und auch Ängste auslösen, sodass ein besseres Verständnis für den optimalen Zeitpunkt einer erfolgreichen Verträglichkeitsprüfung im Interesse einer Verbesserung der Patientenversorgung wünschenswert wäre.“ 

 
Der Zeitpunkt der Wiedereinführung des Auslösers ist entscheidend. Dr. Jodi A. Shroba
 

Stallings empfiehlt bei Kindern, die unter wiederholtem Erbrechen leiden, auch an das FPIES zu denken. „Ein FPIES ist wahrscheinlich häufiger, als man denkt, da man das Erbrechen oftmals z.B. einer Viruserkrankung oder einer anderen Ursache zuschreibt.“

 
Ein FPIES ist wahrscheinlich häufiger, als man denkt, da man das Erbrechen oftmals z.B. einer Viruserkrankung oder einer anderen Ursache zuschreibt. Dr. Amy P. Stallings
 

Stallings und Shroba teilen diese Auffassung des Autorenteams und empfehlen weitere Forschungen zu diesem Thema. „Es gibt noch große Verständnislücken, was das FPIES betrifft. Ich halte weitere Untersuchungen, welche die Charakteristiken dieses Syndroms herausarbeiten, diagnostische Tests entwickeln helfen und die Pathophysiologie dieser Erkrankung erhellen können, für absolut gerechtfertigt“, sagte Shroba. 

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus  www.medscape.com  übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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