18 Millionen Deutsche mit nichtalkoholischer Fettleber: Wer ist wirklich krank und wer nicht? Der Hausarzt kann´s leicht testen

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

5. Mai 2022

Wiesbaden – Bei einer ohne übermäßigen Alkoholkonsum auftretenden Steatose der Leber als Komponente des metabolischen Syndroms muss es sich nicht zwangsläufig um eine Erkrankung handeln, sagte Dr. Simon Hohenester, Medizinische Klinik und Poliklinik II am LMU Klinikum München, auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) [1].

Krankheit oder Grenzbefund?

Auf dem Kongress wurde in zahlreichen Veranstaltungen diskutiert, ab wann eine vermehrte Fetteinlagerung in mehr als 5% der Leberzellen – was sich bei mittlerweile 25 bis 30% der Deutschen nachweisen lässt – als Erkrankung betrachten werden soll, und wie Mediziner mit dieser Begleiterscheinung des metabolischen Syndroms umgehen sollten. „Die Zahl der Betroffenen nimmt mit zunehmendem Übergewicht in der Bevölkerung weiter zu“, sagte Hohenester.

NAFLD ist Herausforderung der Zukunft

Als „entgegen anderslautender Gerüchte zentrale hepatologische Herausforderung der Zukunft“ betrachtet Prof. Dr. Andreas Geier, Uniklinikum Würzburg, die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD), von der mittlerweile rund 18 Millionen Menschen in Deutschland betroffen seien.

 
Die Zahl der Betroffenen nimmt mit zunehmendem Übergewicht in der Bevölkerung weiter zu. Dr. Simon Hohenester
 

Die Inzidenz einer nichtalkoholischen Lebersteatose (NASH), bei der bereits Entzündungen auftreten, liege in der Allgemeinbevölkerung bereits bei bis zu 5% oder 2 Millionen Betroffenen, so Geier. Eine Zunahme der noch weiter fortgeschrittenen Fibrose sei ebenfalls zu erwarten.

Jedoch erst ab diesem Stadium mit nachweisbaren Gewebeveränderungen sei die Grenze zur Erkrankung erreicht, bemerkte Hohenester auf die Frage, ob es sich bei einer NAFLD angesichts der hohen Inzidenz um eine „Volkskrankheit“ handle.

„Für mich sind Menschen mit einer umgangssprachlichen Fettleber ganz klar nicht krank“, betonte Hohenester. Gemäß der im April 2022 aktualisierten Sk2-Leitlinie zur NAFLD der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sei nicht bereits ab dem Steatose-, sondern erst ab dem Fibrose-Stadium von einer relevanten Erkrankung auszugehen. Da nur wenige Menschen mit einer Steatose bis ins Fibrose-Stadium fortschreiten, sei ein Screening der Bevölkerung auf eine Steatose hin nicht zielführend.

 
Für mich sind Menschen mit einer umgangssprachlichen Fettleber ganz klar nicht krank. Dr. Simon Hohenester
 

Anders verhalte es sich bei Risikopatienten, etwa bei Menschen mit Diabetes oder Adipositas. Bei ihnen sollte der Fettanteil der Leber gemessen werden, riet Hohenester – auch aufgrund des Risikos für Folgeerkrankungen: entweder mittels Ultraschall oder einer Berechnung des „fatty liver index“ (FLI), in dem unter anderem Body-Mass-Index (BMI), Bauchumfang, Serum-gamma-GT und Serum-Triglyceride erfasst werden.

Ziel: Regelhaftes Fibrose-Screening

Insgesamt sei es schwierig vorherzusehen, bei welchen Menschen eine NAFLD zu einer NASH und später zu einer Leberfibrose oder gar -zirrhose fortschreite. Eine Fibrose sei auf der Basis von Routineparametern ablesbar, auf die Hausärzte mit einfachen Tests screenen können, etwa mittels des „FIB-4“-Risikoscores oder des „NAFLD fibrosis score“ (NFS).

Beim Vorliegen einer NAFLD empfehlen die aktualisierten Leitlinien ein solches Routine-Screening auf Indikatoren einer Fibrose, das regelmäßig wiederholt wird. Indizieren die Tests eine Fibrose, seien weitere Untersuchungen beim Facharzt notwendig – denn mit zunehmendem Fibrose-Stadium steigen Gesamt- und leberspezifische Sterblichkeit kontinuierlich an, wie Studien zeigen.

 
Die NASH ist Teil einer Systemerkrankung, spielt aber eine eigene unabhängige Rolle. Prof. Dr. Andreas Geier
 

„Für diejenigen, bei denen diese Tests negativ sind, reicht das Durchführen von Verlaufskontrollen“, so Hohenester. Jedoch handle es sich bei einer NAFLD um ein „Warnsignal, das ernst genommen werden sollte“ – deren Verlauf also regelmäßig zu überprüfen sei.

Zudem sollten Menschen mit vermehrten Fetteinlagerungen in der Leber auch auf andere Komponenten des metabolischen Syndroms – wie Insulinresistenz, Dyslipidämie oder Bluthochdruck – untersucht werden, sagte Hohenester.

Bei einer NASH, sagte Geier, handle es sich um einen „unabhängigen Risikofaktor“ für Diabetes und kardiovaskuläre Mortalität. „Die NASH ist Teil einer Systemerkrankung, spielt aber eine eigene unabhängige Rolle, nicht nur für die Progression der Lebererkrankung, sondern auch für die Progression anderer Komponenten des metabolischen Syndroms.“ Daher sei die NAFLD „kein reiner Bystander, sondern spielt eine eigene pathophysiologische Rolle in dem Szenario dieser Multisystemerkrankung metabolisches Syndrom.“

Lebensstiländerung als Goldstandard

Egal ob sie als krank bezeichnet werden oder nicht, sollten Menschen, bei denen eine NAFLD festgestellt wurde, deren Ursachen – also ihr Übergewicht – bekämpfen, sagte Hohenester, auch um insbesondere kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen. Ratsam sei je nach Übergewichts- bzw. Adipositasgrad eine Reduktion um 5 bis 10% des Körpergewichts. Ebenso wichtig sei regelmäßiges aerobes Training von mindestens 3 Stunden pro Woche.

„Eine dauerhafte Reduktion des Körpergewichts und die Änderung des Lebensstils sind äußerst schwer zu erreichen“, meinte Hohenester. Am besten eignen sich interdisziplinäre Lebensstil-Interventionsprogramme an speziellen Zentren, die professionell unterstützt werden und eine Lebensstiländerung auf mehreren Ebenen bewirken sollen, so der Experte. „Diese Programme haben eine Ansprechrate von 80 bis 90%“.

Bei der Lebensstiländerung handle es sich immer noch um den „Goldstandard der Therapie“, da bislang keine medikamentösen Therapien etabliert seien, sagte Hohenester.

Medikamente aktuell in Studien

Medikamente zur gezielten Therapie bei NAFLD-Fibrose werden derzeit in klinischen Studien getestet; eine Zulassung sei noch nicht absehbar. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer NALFD sei der Einsatz von GLP-1-Agonisten oder SGLT2-Inhibitoren aufgrund ihrer positiven Effekte auf die NAFLD empfehlenswert. Bei Patienten mit arterieller Hypertonie und NAFLD suggerieren Studienergebnisse einen positiven Effekt von ACE-Inhibitoren, berichtete Hohenester.

 
Die häufig unzureichende Vernetzung von Hausarzt und Spezialisten sowie das Fehlen einer medikamentösen Therapie sind problematisch. Prof. Dr. Andreas Geier
 

„Die häufig unzureichende Vernetzung von Hausarzt und Spezialisten sowie das Fehlen einer medikamentösen Therapie sind problematisch“, sagte Geier. „Zu glauben, eine Diabetes-Therapie täte es schon auch, ist sicherlich nicht richtig“, so seine Ansicht.

In bisherigen Studien seien keine signifikanten Auswirkungen auf die NASH belegt worden. Zwar habe in einer Phase-2-Studie mit dem GLP1-Rezeptoragonisten Semaglutid die Entzündungsaktivität bei NASH-Patienten abgenommen; es habe sich jedoch kein signifikanter Effekt auf die Fibrose gezeigt.

Das Problem sei „höchstwahrscheinlich nur durch die Kombination verschiedener Wirkansätze als multimodale Therapie zu behandeln“. In diese Richtung, sagte Geier, gehen auch laufende Therapiestudien.
 

Kommentar

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