Etwa 300.000 Menschen erkranken in Deutschland pro Jahr an einem Herpes Zoster. Jeder 15. davon muss stationär behandelt werden. Wie lässt sich ein Herpes Zoster frühzeitig erkennen, wie lauten die aktuellen Therapieempfehlungen und ist nach bereits erlittener Zoster-Erkrankung eine Impfung sinnvoll? Prof. Dr. Boris Ehrenstein, Oberarzt am Asklepios-Fachkrankenhaus Bad Abbach, fasste auf dem diesjährigen Internistenkongress den aktuellen Wissensstand zusammen [1].
Hintergrund-Wissen zu Herpes Zoster: Das passiert bei einer Infektion
Herpes Zoster wird durch das Varizella-Zoster Virus (kurz: VZV) hervorgerufen. Im Kindesalter – bei Erstkontakt – führt VZV zu Windpocken. Der Erreger persistiert dann in den Spinal- bzw. Hirnnervenganglien des Organismus und kann bei Reaktivierung auch Jahrzehnte später zu einem Herpes Zoster (Gürtelrose) führen.
Das Virus verteilt sich nach einer respiratorischen Ansteckung nicht direkt durch eine Virämie im Blut. Vielmehr werden T-Zellen im „Waldeyer´schen Rachenring“ infiziert. Über diese T-Lymphozyten gelangt VZV in die Haut, wo es den typischen vesikulären Hautausschlag verursacht (Windpocken) und sich in den Bläschen repliziert.
Dann wandert das Virus retrograd über die sensiblen Nervenfasern zurück in die dorsalen Stammganglien. Dort kann VZV ein Leben lang persistieren. Die Latenz wird vor allem durch VZV-spezifischen T-Lymphozyten kontrolliert, welche während der Primärinfektion induziert werden. Ab dem mittleren Lebensalter nimmt die T-Zell-vermittelte Immunität ab; das Risiko einer VZV-Reaktivierung steigt. Diese äußert sich typischerweise als Herpes Zoster („Gürtelrose“).
„Und dies passiert in den allermeisten Fällen eben nur in einem Ganglion. Deswegen bekomme ich nur ganz selten bei der Reaktivierung von einer latenten Varizella-Zoster-Infektion ein generalisiertes Problem mit dem Virus. Sondern ich kriege fast immer nur im Verteilungsgebiet von einem Dermatom Probleme“, weiß Ehrenstein.
Herpes Zoster tritt gehäuft bei älteren Menschen ab 50 Jahren auf. Laut Robert-Koch-Institut erkrankt jeder 2. Senior, der das 85. Lebensjahr erreicht, 1-mal während seiner Lebensspanne.
Die Krankheit früh erkennen
Bei 80% der Patienten gehen dem typischen Exanthem zirka 3-5 Tage Prodromi mit Fieber, Abgeschlagenheit und brennenden Schmerzen im betroffenen Hautabschnitt voraus. Die hohe Kunst sei es deshalb, so der Rheumatologe Prof. Ehrenstein, die Krankheit bereits „auf dem Schirm zu haben“, bevor die klassischen Symptome auftreten würden. Denn oft suchten Betroffene erst ärztlichen Rat auf, wenn die Bläschen bereits über eine Woche bestünden und das Zeitfenster für eine antivirale Therapie bei Immungesunden bereits überschritten sei.
Meist sind die Bläschen verkrustet; sie können aber bei antikoagulativer Therapie, bei Thrombozyten-Aggregation oder bei hochdosierter Immunsuppression auch hämorrhagisch sein.
Eine Zoster-Erkrankung betrifft am häufigsten den Thorax (50%) sowie den Hals-Kopfbereich (20%) mit fraglicher Hirnnervenbeteiligung. Lumbal und sakral tritt ein Herpes Zoster seltener auf.
Bei wenig gruppierten Bläschen im sakralen genitalen Bereich gilt es, eine Herpes-simplex-Infektion ausschließen – besonders, wenn Betroffene von mehrfach rezidivierenden Herpes-Zoster-Infektionen berichten.
Gefürchtete Komplikationen
Die Postherpetische Neuralgie (PHN) umfasst prolongierte Schmerzen, die über 3 Monate anhalten. Schmerzen, die vor oder während den Bläschen auftreten und die fast jeder Betroffene aufweise, würden nicht als PHN gelten, betont Prof. Ehrenstein. Die PHN trifft besonders ältere Menschen ab zirka 70 Jahren, weshalb der Leidensdruck in dieser Gruppe nach einem Herpes Zoster besonders hoch ist.
Besonders gefährlich wird es, wenn Hirnnerven beteiligt sind. So etwa bei einem Zoster ophtalmicus. Ein Alarmsignal: Eine Läsion ist an der Nasenspitze erkennbar. Dann sollten sich Betroffene unbedingt augenärztlich untersuchen lassen. Denn sind die Augen betroffen, kann eine teilweise oder vollständige Erblindung durch Hornhautnarben die Folge sein.
Gleiches gilt für einen Zoster im Bereich des äußeren Gehörgangs (Zoster oticus, Ramsay Hunt Syndrom). Auch hier sollten HNO-Ärzte sowie ein Neurologe zur weiteren Abklärung mit ins Boot geholt werden.
Seltene Komplikationen eines Herpes Zoster sind eine Pneumonie, eine Enzephalitis oder eine Hepatitis. Außerdem ist das Risiko, wie auch bei anderen Viruserkrankungen, für bakterielle Begleitinfektionen erhöht.
Risikofaktoren für Herpes Zoster
Neben dem Alter (>50 Jahre) und dem weiblichen Geschlecht spiele das Immunsystem bei der Kontrolle der latenten Infektion eine wichtige Rolle, berichtet Ehrenstein. Aus diesem Grund sei es nicht verwunderlich, dass das Risiko bei Autoimmunerkrankungen, bei denen Immunsuppressiva zum Einsatz kämen, das Risiko einer Herpes-Zoster-Erkrankung ansteigen würde. Mit Blick auf Medikamente erhöhen sowohl Steroide (über 5 mg bzw. 10 mg) als auch JAK-Inhibitoren die Wahrscheinlichkeit für einen Herpes Zoster.
Kann man mehrfach an einem Herpes Zoster erkranken?
Ein rezidivierender Herpes Zoster ist bei immunkompetenten Patienten ungewöhnlich, aber durchaus möglich. Laut einer Erhebung trat bei 6,2% der Betroffenen die Erkrankung ein 2. Mal auf. Bei immunsupprimierten Personen kam es bei jedem Dritten zu einem Rezidiv. Hier lautet der Rat des Rheumatologen: Bei einem sicher diagnostizierten, rezidivierenden Herpes Zoster sollte immer eine Abklärung auf einen Immundefekt erfolgen.
Diagnostik: Vorgehen bei einem klinischen Verdacht
Klinische Diagnose: Laut der S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie“ aus dem Jahr 2019 ist bei einem typischen Krankheitsbild keine weitere Labordiagnostik notwendig.
Labordiagnostik: Ist man sich unsicher, können die Bläschen mit einer sterilen Nadel oder einem trockenen Tupfer eröffnet und der Erreger mittels PCR nachgewiesen werden.
Bei Zoster-Patienten unter 50 Jahre sollte eine HIV-Testung erfolgen.
Ein Tumorscreening ist bei klinisch typisch verlaufendem Zoster nicht notwendig.
Sind Hirnnerven beteiligt, wie bei einem Zoster ophthalmicus oder Zoster oticus, gilt, unbedingt Fachärzte hinzuziehen.
Zoster sine herpete: Bei einer unerklärbaren Gesichtslähmung ohne die typischen Zoster-Bläschen lautet die Empfehlung, am 2. bis 4. Tag der Symptomatik einen Rachenabstrich zu nehmen und mittels anschließender PCR-Diagnostik den Erreger zu identifizieren.
Indikationen für eine antivirale Therapie
Ähnlich wie bei einer Herpes-simplex-Infektion ist der Zeitpunkt der Behandlung entscheidend. Eine antivirale Therapie sollte so früh wie möglich innerhalb von 72 Stunden nach Symptombeginn erfolgen. In folgenden Fällen ist eine Behandlung auch später zu erwägen:
so lange neue Bläschen entstehen,
bei Betroffenen mit Zeichen für eine kutane, viszerale oder neurologische Dissemination,
bei Zoster opthalmicus oder Zoster oticus,
bei immunsupprimierten Patienten.
Indikationen für eine antivirale Systemtherapie bzw. eine intravenöse antivirale Systemtherapie sind in der S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie“ zu finden.
Aciclovir weiterhin Standard in der Behandlung
Die Standardtherapie erfolgt weiterhin mit Aciclovir. „Hier ist es wichtig“, so der Referent, „dass Sie eben nicht 400 mg wie für das Herpes-simplex-Virus geben, sondern 800 mg. Und das muss wirklich 5-mal täglich eingenommen werden, um einen hohen Wirkspiegel im Gewebe zu erreichen.” Die Therapie sollte für 7 Tage erfolgen; bei intravenöser Gabe reiche 3-mal am Tag, 8 bis 10 mg pro kg Körpergewicht.
Alternativ könne aus Sicht des Experten – etwa bei immunsupprimierten Patientinnen und Patienten – Valaciclovir oder Famciclovir eingesetzt werden.
In Bezug auf Brivudin erinnert Ehrenstein an die potenziell tödliche Interaktion mit 5-Fluoropyrimidinen, insbesondere mit 5-Flourouracil (5-FU), das bei der Chemotherapie eingesetzt wird.
Impfung gegen Herpes Zoster
Seit 20 Jahren gibt es für Kinder Lebendimpfstoffe, die sich als hocheffektiv erwiesen haben. Doch was passiert mit dem Zoster-Virus bei der Lebendimpfung, das ja auch dauerhaft persistieren kann? „Hier sieht man jetzt zunehmend aus den Abschätzungen von diesen Kindern, dass wahrscheinlich das Zoster-Risiko bei geimpften jungen Erwachsenen ungefähr 10-fach niedriger ist. Aber das muss man in den nächsten Jahrzehnten weiter beobachten”, so die Antwort des Experten.
2013 wurde der gleiche Lebendimpfstoff für Erwachsene in einer höheren Konzentration zugelassen, aber von der STIKO aufgrund der eingeschränkten Wirksamkeit und begrenzten Wirkdauer nie als Standardimpfung empfohlen. Auch ist der Lebendimpfstoff nicht zur Impfung von Personen mit einem geschwächtem Immunsystem geeignet.
Seit 2018 empfiehlt die Impfkommission den Herpes-Zoster-Totimpfstoff als Standardimpfung für alle Personen ab 60 Jahren. Dieser hat sich Studien zufolge sowohl bei den über 50-Jährigen (96% Impfwirksamkeit) als auch bei den über 70-Jährigen (86% Impfwirksamkeit) als hocheffektiv erwiesen.
Grund für dessen gute Wirksamkeit sei ein starkes Adjuvants, erklärt Ehrenstein. Trotz dieses Wirkverstärkers führe der Impfstoff auch bei Risikogruppen wie Patienten mit soliden Tumoren, Personen nach einer Nierentransplantation oder mit einer stabil eingestellten HIV-Erkrankung nach bisherigem Wissensstand zu keinem erhöhten Risiko für unerwünschte Ereignisse. Ähnliches gelte auch bei rheumatischen Erkrankungen – hier gäbe es bislang keine eindeutigen Hinweise, dass eine Impfung zu einer signifikanten Zunahme von Schüben führen würde.
3 Fragen aus dem Auditorium
Frage: Ein älterer Patient hat nach einer Herpes-Infektion eine Lähmung der Hand behalten. Ist das ein Einzelfall bzw. ist eine weitere Diagnostik erforderlich?
Ehrenstein: Also nach meinem Kenntnisstand sind peripher eher die sensiblen Nervenfasern betroffen – mit Ausnahme der Faszialisparese, wo eben der Hirnnerv beteiligt ist. Also das würde ich auf jeden Fall mit einem in dem Gebiet bewanderten Neurologen diskutieren, ob da nicht noch weitere Differentialdiagnose bedacht werden müssen.
Frage: Kann eine mRNA-Impfung einen Herpes Zoster triggern?
Ehrenstein: Bei den mRNA-Impfstoffen gibt es schon ein schwaches, wenn auch nicht dramatisches Sicherheitssignal für einen gehäuften Herpes Zoster nach einer Impfung. Wenn ich das Immunsystem kurzfristig ärgere, sei es jetzt durch einen Infekt oder eben durch eine Impfung, die reaktogen ist, kann ich einen Herpers Zoster triggern. Ich kenne selbst einen ärztlichen Kollegen, der einen Zoster nach einer mRNA-Impfung entwickelt hat.
Frage: Nach einer Zoster-Erkrankung: Ist eine Impfung mit Shingrix® ratsam, wann sollte diese erfolgen?
Ehrenstein: Ja, eine Impfung ist nach einer Zoster-Erkrankung möglich und wird auch von der STIKO empfohlen. Bisher liegen keine Studiendaten zu einem empfohlenen Impfabstand nach einer Zoster-Erkrankung vor.
Allerdings sollte die Impfung zu einem Zeitpunkt erfolgen, wenn die akute Erkrankung vorüber ist und die Symptome abgeklungen sind. Ich denke, wenn ich jetzt einen Patienten habe, der jetzt zum wiederholten Male ein Zoster-Rezidiv hat, dann würde ich innerhalb von 1, 2 Monaten nach diesem Rezidiv die Impfung planen. Wenn es sich um einen 1. Herpes Zoster handelt, würde ich erst mal annehmen, dass diese Erkrankung als Autovakzination für einige Monate wirksam ist, sodass man dann nach etwa einem halben Jahr die Impfung durchführen kann.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
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Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Tipps für Internisten: Herpes Zoster frühzeitig erkennen, erfolgreich behandeln – und Rezidiven vorbeugen - Medscape - 6. Mai 2022.
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