Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um den Einsatz von oralem Bisphosphonat in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms und um das Screening auf Rezidive bei Patienten mit frühem Hodenkrebs. Wir berichten über eine Assoziation zwischen der Anwendung von Antibiotika und Krebsrisiko und über eine retrospektive Analyse, nach der neue Krebsmedikamente in Studien die Lebensqualität oft nicht verbessern oder der Effekt beschönigt wird. AIO und DGHO haben eine S1-Leitlinie für die Krebsversorgung im Falle von Ressourcenknappheit in der Pandemie erarbeitet.
Krebsrisiko: Antibiotika-Therapie mit erhöhter Inzidenz assoziiert
Hodenkrebs: Überwachung mit MRT vergleichbar gut wie CT
Mammakarzinom: Ibandronsäure bei postmenopausalen Frauen ohne Effekt
Brustkrebs-OP: Mastektomie weiterhin zurückhaltend einsetzen
Vorstufe des Vulvakarzinoms: Topisches Imiquimod der OP nicht unterlegen
Krebsstudien: Lebensqualität häufig nicht gebessert
Krebsversorgung: S1-Leitlinie im Falle von Ressourcenknappheit in der Pandemie
Krebsrisiko: Antibiotika-Therapie mit erhöhter Inzidenz assoziiert
Eine Therapie mit Antibiotika, insbesondere mit Cephalosporinen und Penicillinen, ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine Krebserkrankung assoziiert. Die Behandlung mit Tetracyclinen und Makroliden war mit einem niedrigeren Risiko verbunden. Dies ergab eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie der IQVIA-Datenbank, die eine Arbeitsgruppe aus Düsseldorf im Journal of Cancer Research and Clinical Oncology publiziert hat.
Die Arbeitsgruppe analysierte die Daten von 111.828 Krebspatienten und 111.828 Kontrollpersonen, die anhand von Propensity-Scores den Krebsfällen zugeordnet wurden.
Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, war bei Patienten mit Antibiotika-Anwendung in der Anamnese signifikant höher als bei entsprechenden Kontrollen. Patienten, die Penicilline, Cephalosporine oder Chinolone erhalten hatten, zeigten eine höhere Krebsinzidenz, während die Anwendung von Tetracyclinen und Makroliden das Krebsrisiko um 8% bzw. 5% leicht reduzierte.
Ein hoher Penicillin- und Cephalosporin-Verbrauch war mit einem deutlich erhöhten Risiko für Atemwegstumoren (42% bzw. 47%) assoziiert. Cephalosporin-Anwendung ging auch mit einem um 40% erhöhten Brustkrebsrisiko einher.
Da es sich um eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie handelt, in der u.a. Lebensstilfaktoren (z.B. Rauchen, Alkoholkonsum, körperliche Aktivität) nicht berücksichtigt worden sind und teilweise unvollständige Daten zu Laborwerten und Medikamenteneinnahme vorlagen, sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu beurteilen.
Hodenkrebs: Überwachung mit MRT vergleichbar gut wie CT
Die Überwachung von Patienten mit Magnetresonanztomographie (MRT) nach einer Operation von Hodenkrebs im Frühstadium ist ähnlich effektiv in der Erkennung von Rezidiven wie der Einsatz der Computertomographie. Dies zeigte die im Journal of Clinical Oncology publizierte Phase-3-Studie TRISST (Trial of Imaging and Surveillance in Seminoma Testis) aus Großbritannien. Außerdem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Anzahl der Scans reduziert werden kann.
Patienten mit einem Seminom im Stadium I überleben fast alle. Sie werden nach der Orchiektomie in der Regel mit regelmäßigen CTs überwacht. Allerdings ist die Strahlenbelastung der meist noch jungen Männer dadurch recht hoch.
In die Nichtunterlegenheitsstudie TRISST wurden 669 Männer nach Orchiektomie wegen eines Seminoms im Stadium I aufgenommen, für die keine adjuvante Therapie geplant war. Randomisiert wurden sie mit 7 CTs oder 7 MRTs (6, 12, 18, 24, 36, 48 und 60 Monate) oder 3 CTs bzw. 3 MRTs (6, 18 und 36 Monate) nachuntersucht.
Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 6 Jahren waren die Ergebnisse der Patienten, die MRT-Scans und seltenere CT-Scans erhielten, vergleichbar.
„Durch die Verwendung von MRT anstelle von CT und/oder die Reduzierung der Anzahl von Scans können wir Rückfälle immer noch in einem frühen Stadium erkennen, wo sie erfolgreich behandelt werden können“, so eine Pressemitteilung. „Diese Ansätze können die Exposition gegenüber potenziell schädlicher Strahlung für diese Patienten reduzieren und gleichzeitig eine wirksame Überwachung für den Fall bieten, dass ein Rezidiv auftritt.“
Mammakarzinom: Ibandronsäure bei postmenopausalen Frauen ohne Effekt
Postmenopausale Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom im Stadium I bis III profitieren nicht von der Einnahme von Ibandronsäure über 3 Jahre, so das Ergebnis der offenen multizentrischen Phase-3-Studie TEAM-IIB, publiziert von einer niederländischen Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology .
In verschiedenen Subgruppen-Analysen hatte sich für die adjuvante Bisphosphonat-Therapie von Frauen mit Mammakarzinom ein Vorteil gezeigt. Bislang war jedoch der Effekt von Stickstoff-haltigen oralen Bisphosphonaten wie Ibandronsäure unklar.
In der randomisierten offenen Phase-3-Studie TEAM-IIB erhielten alle Frauen eine endokrine Therapie über 5 Jahre, 565 Frauen nahmen zusätzlich über 3 Jahre Ibandronsäure. Nach einem medianen Follow-Up von 8,5 Jahren war das ereignisfreie Überleben (DFS) im Verumarm und im Kontrollarm nicht unterschiedlich (Hazard Ratio: 0,97; p = 0,811).
3 Jahre nach Randomisierung betrug das DFS 94% im Ibandronsäure-Arm und 91% im Kontrollarm. 5 Jahre nach der Randomisierung lag das DFS bei 89% bzw. 86%.
Im Ibandronsäure-Arm brachen 17% der Patienten die Bisphosphonat-Behandlung wegen unerwünschter Ereignisse vorzeitig ab. Signifikant mehr Patienten litten an gastrointestinalen Problemen (16% vs 10%; p < 0,003). 11 Patienten im Ibandronsäure-Arm entwickelten eine Osteonekrose des Kiefers.
Schlussfolgerung der Autoren: Die adjuvante Gabe von Ibandronsäure 50 mg einmal täglich sollte nicht als Teil von Standardbehandlungsschemata empfohlen werden.
Brustkrebs-OP: Mastektomie weiterhin zurückhaltend einsetzen
Eine Befragung von Brustkrebspatientinnen in den USA 10 Jahre nach Therapie zeigt, dass brusterhaltende Operation mit Bestrahlung und Mastektomie mit Rekonstruktion ohne Bestrahlung hinsichtlich Zufriedenheit mit der Brust und dem körperlichen Wohlbefinden gleich gut abschneiden, wie Medscape berichtet hatte.
Einen klinisch bedeutsamen Vorteil hatte die Brusterhaltung allerdings beim psychosozialen und sexuellen Wohlbefinden, so die Autoren in JAMA Surgery . „Diese Erkenntnisse sollten in die Beratung von Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium einfließen, um sie bei der Entscheidung für ein Operationsverfahren zu unterstützen“, so die Studienautoren.
In Deutschland sieht die Situation jedoch anders aus: „In den USA wird deutlich häufiger mastektomiert und rekonstruiert“, sagt Prof. Dr. Isabell Witzel, Leiterin des Brustzentrums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „In Deutschland ist das generelle Ziel, die Brust zu erhalten.“
Das von der Deutschen Krebsgesellschaft mit der Überprüfung von Brustkrebszentren betraute Institut Onkozert überprüft die Mastektomierate. Diese soll zwischen 15 und 40 % liegen. „Wir haben an unserem Brustkrebszentrum eine Mastektomierate von 25%“, berichtet Witzel. Diese hänge unter anderem vom Alter der Patientinnen, aber auch der Tumorgröße ab.
Zum Zeitpunkt der Befragung waren die Frauen im Schnitt 53 Jahre alt. Keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Operationsverfahren zeigten sich bei der Zufriedenheit mit der Brust und dem körperlichen Wohlbefinden. Auch der allgemeine Gesundheitszustand und die gesundheitsbezogene Lebensqualität fielen in beiden Gruppen vergleichbar aus.
Im Gegensatz dazu gaben die Frauen in der Gruppe mit brusterhaltender Operation ein signifikant besseres psychosoziales und sexuelles Wohlbefinden an. Dennoch unterschied sich die Zahl der Frauen, die ihre Entscheidung bereuten, nicht zwischen den beiden Gruppen.
„In Deutschland lautet die Hypothese, dass es Frauen nach Brusterhaltung besser geht als nach Entfernung der Brust“, sagt Witzel. „Die Arbeit zeigt, dass es Frauen nach einer Mastektomie genauso gut geht – allerdings sind hier Frauen, die nach der Mastektomie und dem Aufbau der Brust noch eine Bestrahlung erhalten haben, ausgeschlossen worden.“
„Patientinnen, die sich einer Mastektomie und Rekonstruktion mit Bestrahlung unterzogen, wurden ausgeschlossen, da eine Bestrahlung bei Brustkrebs im Frühstadium nach einer Mastektomie selten nötig ist und davon auszugehen war, dass sie mit negativen patientenangegebenen Outcomes in dieser Patientengruppe assoziiert sein würde“, erklären die Studienautoren.
Hier kämen wieder die Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen und deutschen Versorgungsalltag zum Tragen, so Witzel: „Wenn man die genannten Kriterien wie zum Beispiel die Tumorgröße und den Lymphknotenbefall für eine Mastektomie anwendet, dann ist hinterher oft eine Bestrahlung erforderlich.“
„Würde man die bestrahlten Mastektomie-Patientinnen einschließen, wären deutlich ausgeprägtere Unterschiede zu erwarten“, sagt Witzel. Rekonstruktion der Brust und Bestrahlung sind der erfahrenen Mamma-Operateurin zufolge keine gute Kombination: „Wenn man die Brust aufbaut und dann bestrahlt, leidet häufig das kosmetische Ergebnis.“
Deshalb sei es umso interessanter, dass trotz dieser Positivselektion an Patientinnen Unterschiede beim psychosozialen und sexuellen Wohlbefinden der Frauen zu Tage getreten seien. Witzels Fazit: „Ich würde die Arbeit so interpretieren, weiterhin sehr zurückhaltend mit der Mastektomie zu sein.“
Vorstufe des Vulvakarzinoms: Topisches Imiquimod der OP nicht unterlegen
Bei Frauen mit hochgradigen plattenepithelialen Läsionen der Vulva (vHSIL) erwies sich eine topische Behandlung mit Imiquimod dem bisherigen Therapiestandard Operation als nicht unterlegen. Dies ergab eine randomisierte, Nichtunterlegenheitsstudie der Phase 3, die in 6 Krankenhäusern in Österreich durchgeführt und im Lancet publiziert worden ist.
Hochgradige plattenepitheliale Läsionen (HSIL) sind präkanzeröse, sexuell übertragbare Erkrankungen, die durch eine Infektion mit humanen Papillomviren (HPV) versursacht werden können. Den Betroffenen wird in der Regel eine Operation angeboten, bei etwa der Hälfte kommt es jedoch zum Rezidiv.
Der topische Immunmodulator Imiquimod wird Off-Label eingesetzt, er induziert die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine und begünstigt durch einen Einfluss auf die lokale Immunantwort die Beseitigung einer persistierenden HPV-Infektion.
110 Frauen mit vHSIL (78% mit unifokaler und 22% mit multifokaler vHSIL) wurden zwischen Juni 2013 und Januar 2020 randomisiert mit Imiquimod behandelt oder operiert. 37 (80%) von 46 Patientinnen, die Imiquimod erhalten hatten, sprachen vollständig an im Vergleich zu 41 (79%) von 52 Frauen nach der Operation. Damit wurde die Nicht-Unterlegenheit der topischen Therapie im Vergleich zu Operation nachgewiesen.
Zwischen den Studiengruppen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in der HPV-Clearance, den unerwünschten Ereignissen und der Behandlungszufriedenheit.
Nach Meinung der Autoren ist Imiquimod eine sichere und wirksame Alternative zur Operation für Frauen mit vHSIL und kann als Erstlinientherapie in Betracht gezogen werden.
Krebsstudien: Lebensqualität häufig nicht gebessert
Nur wenige klinische Studien mit Krebsmedikamenten bessern die Lebensqualität der Patienten in der Verum-Gruppe. Wurde die Lebensqualität gebessert, war häufig auch das Gesamtüberleben (OS) verlängert. Zwischen einem besseren progressionsfreien Überleben (PFS) und der Lebensqualität zeigte sich kein Zusammenhang.
Die in JAMA Oncology publizierte Kohortenstudie einer kanadischen Arbeitsgruppe ergab außerdem, dass in den analysierten Studien der Effekt auf die Lebensqualität häufig günstiger dargestellt wurde, als er tatsächlich war.
Die Kanadier analysierten retrospektiv aus 45 Phase-3-Studien die Daten von 24.806 Teilnehmern, davon 13.368 im Verum- und 11.438 im Kontroll-Arm. 11 Studien (24%) berichteten eine Besserung der globalen Lebensqualität im Verum-Arm. In diesen Fällen war die Wahrscheinlichkeit auch höher, dass die untersuchte Substanz das OS verlängerte. Für das PFS konnte dieser Zusammenhang nicht gezeigt werden. In 6 Studien hatte sich die Lebensqualität im Verum-Arm verschlechtert, hiervon untersuchten 3 Studien eine zielgerichtete Therapie. Von den 11 Studien mit verbesserter Lebensqualität untersuchten 6 Studien (55%) eine Immuntherapie.
Hierzu die Autoren: „Diese Studie stellt die verbreitete Vorstellung in Frage, dass zytotoxische Medikamente zwangsläufig schlechter für die Lebensqualität der Patienten sind als zielgerichtete Medikamente. Daher sollten Ärzte und Patienten bedenken, dass ein Chemotherapie-freies Regime nicht unbedingt eine bessere Lebensqualität bedeutet.“
Bei 16 von 34 Studien ohne Verbesserung der Lebensqualität wurden die Ergebnisse zur Lebensqualität in einem günstigeren Licht dargestellt. Diese verzerrte Darstellung der Ergebnisse zur Lebensqualität war häufig positiv mit einer Finanzierung der Studien durch die Pharmaindustrie verbunden.
Krebsversorgung: S1-Leitlinie im Falle von Ressourcenknappheit in der Pandemie
Die Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) in der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. (DGHO) haben in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des CancerCOVID-Verbundes (Förderung Bundesministerium für Bildung und Forschung) eine S1-Leitlinie zur Priorisierung und Ressourcenallokation im Kontext der Pandemie erarbeitet.
Die Handlungsempfehlungen wurden entsprechend dem wissenschaftlichen Schwerpunkt im CancerCOVID-Projekt auf die Versorgung von an Bauchspeicheldrüsenkrebs und an Darmkrebs erkrankten Patienten fokussiert.
So konnten konkrete Handlungsempfehlungen für die medizinische Praxis, unterstützt durch einen breiten transsektoralen Konsens von Fachexperten aus Medizin, Ethik, Recht und Versorgungsforschung sowie Patientenvertretern, formuliert werden, heißt es in einer Pressemitteilung der AIO. Angesichts der Komplexität von Entscheidungen in der Onkologie lasse die Leitlinie bewusst einen Ermessensspielraum für die Einzelfallentscheidung.
Credits:
Lead Image: Spectral-design/Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Antibiotika und Krebsrisiko; Hodenkrebs: Überwachung mit MRT oder CT? Brustkrebs: Ibandronsäure bei Älteren ohne Effekt - Medscape - 3. Mai 2022.
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