Wertvoller Assistent in der Kardiologie: So revolutioniert Künstliche Intelligenz EKG und Herz-Echo 

Dr. Angela Speth

Interessenkonflikte

26. April 2022

Revolution in der Rhythmusdiagnostik: Mit künstlicher Intelligenz in die Zukunft“ oder „Das KI-unterstützte EKG“ – so lauten Titel von Referaten, die bei der 88. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie DGK in Mannheim gehalten wurden [1].

Es sind nur 2 Beispiele aus einer ganzen Reihe von Sitzungen, die vielfach unter dem Stichwort „eCardiology“ stattfanden. 
Sie machen deutlich, dass Künstliche Intelligenz (KI) immer wichtiger wird, um Ärzten die Arbeit zu erleichtern. Und das nicht nur in der Medizin allgemein, sondern auch in der Kardiologie und speziell für die Bildgebung des Herzens.

2 interessante Studien gab es beim DGK-Kongress zum Beispiel zu diesen Anwendungen: Algorithmen können recht präzise erkennen, ob eine Operation bei Patienten mit Klappenschwäche erfolgreich verlaufen wird. Und sie lesen von einem EKG kardiovaskuläre Risikofaktoren in der Bevölkerung mit guter Genauigkeit ab.

Unbemerkt ist das Herz oft jahrelang überlastet

An einer Insuffizienz der Trikuspidalklappen leiden etwa 4% der Menschen über 75 Jahren, wie Dr. Matthias Unterhuber und Prof. Dr. Philipp Lurz, beide von der Universitätsklinik Leipzig, in einer Mitteilung zum DGK-Kongress erläutern. Lange Zeit schreitet die Störung ohne spezifische Symptome fort, so dass die Patienten den Arzt oft erst in einem späten Stadium aufsuchen.

Bis vor Kurzem wurde sie eher als eine Nebenerscheinung oder Folge von anderen Erkrankungen – meist des linken Herzens – angesehen. Und bis vor Kurzem war das Operationsrisiko häufig so hoch, dass der Fehler nicht behoben werden konnte und die Patienten dem natürlichen Verlauf ausgesetzt waren. Das heißt: Der mangelhafte Klappenschluss mündete in eine Herzschwäche.

Dank neuer Ansätze, besonders einer Katheter-gestützten Intervention, hat sich das geändert: Erstmals können die Patienten behandelt werden, indem man die Klappensegel minimalinvasiv mit hochmodernen Instrumenten einander annähert. Mehrere Studien belegen eine gute Sicherheit. Die Symptome, Krankenhausaufenthalte wegen akuter Herzinsuffizienz und Mortalität gehen zurück.

Das Ziel: Manchen Patienten die OP zu ersparen

Jedoch bleibt bei 20 bis 30% der Patienten der erwünschte Erfolg aus. Daher sucht die Forschung nach Auswahlkriterien, wer von dieser Therapie profitiert. Zur Entscheidung werden subjektive Kriterien und die Echokardiografie herangezogen.

Würde es gelingen, die Aussichten verlässlicher abzuschätzen, indem man Maschinelles Lernen, einen Teilbereich der KI, auf die Analyse echokardiografischer Schnitte der Trikuspidalklappe ansetzt? Das haben Unterhuber und Lurz in einer Studie mit 642 Patienten untersucht.

Die Teilnehmer hatten ein mittleres Alter von 78 Jahren und stammten aus Zentren in München, Bad Oeynhausen und Leipzig. Die Videos mit den Bewegungen der Klappen wurden Bild für Bild mit einer speziellen Analysemethode ausgewertet und die Daten in ein künstliches neuronales Netzwerk eingegeben. Dabei wurde ein großer Teil der Daten zum Training und zur Validierung der Algorithmen herangezogen (siehe Info-Kasten).

Erst das Training, dann der Leistungstest

Welche Aussagekraft das so entstandene Modell erreicht hatte, prüften die Forscher im 2. Schritt bei einer Testkohorte von 73 Patienten. Maßgeblich ist die sogenannte Fläche unter der Kurve (AUC: Area Under the Curve), die im besten Fall den Wert 1 erreicht.

Die Leipziger Forscher erzielten einen Wert von 0,77, was nach ihren Angaben bedeutet: Die Spezifität der Vorhersage beträgt 91%, das heißt: Ein guter Erfolg wird mit dieser Zuverlässigkeit als gut erkannt. Die Sensitivität liegt bei 63%, das heißt: Ein schlechtes Abschneiden wird mit dieser Quote als solches identifiziert.

Fazit von Unterhuber und Lurz: „Machine-Learning-Algorithmen sind in der Lage, komplexe Echokardiografie-Videos zu beurteilen und den Therapieerfolg vorherzusagen.“ Durch die Anwendung von Künstlicher Intelligenz sei dies nun besser, schneller und generalisierbar durchfürhbar.

Damit ermöglichen sie eine Vordiagnostik: Noch ehe ein Patient die Klinik aufsucht, könnten sie die Chancen automatisiert aus vorab übermittelten Bildern abschätzen. So ist es möglich, rascher eine spezifische Therapie anzubieten.

 
Machine-Learning-Algorithmen sind in der Lage, komplexe Echokardiografie-Videos zu beurteilen und den Therapieerfolg vorherzusagen. Dr. Matthias Unterhuber und Prof. Dr. Philipp Lurz
 

KI interpretiert auch die Herzströme

Dr. Marius Knorr und Prof. Dr. Renate Schnabel, beide vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, haben Künstliche Intelligenz mit dem 12-Kanal-EKG kombiniert. 

Eine DGK-Mitteilung informiert über ihr Projekt, das eine breite Bevölkerung einbezieht. Die Forscher haben geprüft, ob die Algorithmen Hinweise auf kardiovaskuläre Risiken und bereits manifeste Erkrankungen geben, noch bevor ausführliche Anamnesen oder andere komplexe Untersuchungen erfolgt sind.

Ihre Hypothese lautete: Risikofaktoren und Erkrankungen wie Diabetes, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und Schlaganfall haben einen direkten Einfluss auf die Elektrophysiologie des Herzens. Daraus könnten minimale Abweichungen im EKG resultieren und somit ein individuelles Risikoprofil, das von Künstlicher Intelligenz erkannt wird. 

Trainiert und validiert haben die Forscher ihr Modell mit Daten aus der Hamburg City Health Study, der weltweit größten ortsbezogenen Langzeitstudie mit 45.000 Teilnehmern zwischen 45 und 74 Jahren.

Wie steht es mit kardiovaskulären Ereignissen?

Gute Leistungen mit einer AUC um jeweils 0,75 erbrachten die Algorithmen bei Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck und KHK. Moderat waren die Ergebnisse bei der Feststellung eines vorausgegangenen Schlaganfalls (AUC 0,62). 

 
Künstliche Intelligenz kann kardiovaskuläre Risikofaktoren in der Durchschnittsbevölkerung hinreichend genau aus einem EKG vorhersagen. Dr. Marius Knorr und Prof. Dr. Renate Schnabel
 

„Künstliche Intelligenz kann kardiovaskuläre Risikofaktoren in der Durchschnittsbevölkerung hinreichend genau aus einem EKG vorhersagen“, resümieren Knorr und Schnabel. Interessant wäre es zu untersuchen, ob die aus dem EKG herausgelesenen Risikofaktoren relevant für die Vorhersage von Sterblichkeit, kardiovaskulären Ereignissen und Erkrankungen sind. 

Maschinelles Lernen
Maschinelles Lernen ist ein Oberbegriff für die „künstliche“ Generierung von Wissen aus Erfahrung: Ein System lernt aus Beispielen und kann sie anschließend verallgemeinern. 
Die praktische Umsetzung geschieht mit Algorithmen: Sie bauen auf Grundlage der Trainingsdaten ein statistisches Modell auf, indem sie Muster und Gesetzmäßigkeiten identifizieren. Durch Übertragung des Gelernten können sie dann auch unbekannte Daten beurteilen. 
Außer für Diagnosen in der Medizin eignen sie sich zum Beispiel zur Erkennung von Kreditkartenbetrug, Aktienmarktanalysen, Klassifikation von Nukleotidsequenzen, Sprach- und Texterkennung. 
(Quelle: Wikipedia)

 

Kommentar

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