Sterbehilfe oder Mord? Ein amerikanischer Arzt tötet mindestens 14 schwerkranke Patienten – und dann: Freispruch!

Harris Meyer

Interessenkonflikte

26. April 2022

Ein Arzt soll laut Staatsanwaltschaft über einen Zeitraum von 4 Jahren mindestens 14 schwerkranke Patienten auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Columbus, Ohio, mit einer Opioid-Überdosis getötet zu haben. In einem beispiellosen Gerichtsverfahren plädierte die Jury jetzt auf „nicht schuldig“. 

Staatsanwaltschaft „akzeptiert“ das Urteil

Nach einem 7-wöchigen Prozess mit mehr als 50 Zeugen vor dem Franklin County Court of Common Pleas erklärten die Geschworenen den Arzt William Husel für „nicht schuldig“. Ihm wurde Mord bzw. versuchter Mord in 14 Fällen zur Last gelegt.

Bei einer Pressekonferenz nach der Urteilsverkündug erklärte sein Hauptverteidiger Jose Baez, dass Husel, den er als „großartigen Arzt“ bezeichnete, hoffe, in Zukunft wieder als Arzt arbeiten zu können. Das Urteil sei ein ermutigendes Zeichen dafür, dass Ärzte und andere Leistungserbringer nicht strafrechtlich verfolgt würden, wenn sie Schmerzen von Patienten bestmöglich linderten. „Sie müssen sich keine Sorgen darüber machen, ob sie wegen eines Verbrechens angeklagt werden“, sagte er.

Die zuständigen Staatsanwälte lehnten eine Stellungnahme ab und erklärten lediglich, sie würden das Urteil „akzeptieren“.

 
Ich bezweifle, dass er [Husel] jemals wieder in der Medizin arbeiten kann. Mark Schumacher
 

Rechtsexperten sagten, es sei höchst unwahrscheinlich, dass Husel in Ohio oder in einem anderer US-Bundesstaat wieder medizinisch tätig werde. „Ich bezweifle, dass er jemals wieder in der Medizin arbeiten kann“, sagte Mark Schumacher, ein US-Anwalt, der Ärzte bei medizinischen Kunstfehlern verteidigt. Schumacher arbeitete lange Jahre in Columbus und ist 2020 in den Ruhestand gegangen ist, nachdem er 39 Jahre lang als Rechtsanwalt tätig war. Er hat den Prozess als Beobachter mitverfolgt.

Dürfen Ärzte den Tod schwerkranker Patienten beschleunigen?

Im Prozess stellte sich die Frage, wie hoch eine medizinisch vertretbare Dosis von Opioid-Analgetika während einer palliativen Extubation sein darf. Bei diesem Verfahren am Lebensende beenden Ärzte die invasive Beatmung. Sie müssen den Nutzen und die Risiken potenziell tödlicher Dosen von Schmerz- und Beruhigungsmitteln bei schwerkranken Patienten abwägen.

Für viele Beobachter ging es bei dem Fall in Wirklichkeit um die Debatte, ob es akzeptabel ist, den Tod sterbender Patienten zu beschleunigen, die sich nicht selbst für diesen Weg entschieden haben.

Euthanasie ist in den Vereinigten Staaten illegal. Im Gegensatz dazu ist es in 10 US-Bundesstaaten und im District of Columbia zulässig, dass Ärzte todkranken, einwilligungsfähigen Erwachsenen, die Medikamente selbst einnehmen können, tödliche Arzneimittel verschreiben. Dies wird medizinische Sterbehilfe, ärztlich assistierte Sterbebegleitung oder ärztlich assistierter Suizid genannt.

 
Dies ist ein extremes Beispiel, aus dem jeder lernen kann, was man nicht tun sollte. Michael Cohen
 

„Vielleicht ist dies ein Weckruf für Mensche, die glauben, dass dieser Weg der Richtige ist“, sagte Dr. Lewis Nelson, Lehrstuhlinhaber für Notfallmedizin an der Rutgers New Jersey Medical School in Newark. „Die ärztliche Community ist der Meinung, dass wir das Leben oft unnötig verlängern. Aber ein Arzt kann nicht einfach entscheiden, dass es für jemanden Zeit ist zu sterben. Es klingt so, als ob [Husel] diese Entscheidung selbst in die Hand genommen hat.“

Lücken bei der Patientensicherheit

Der Fall deckte auch große Lücken bei Strategien zur Überwachung der Patientensicherheit im Mount Carmel West Hospital, Columbus, auf. Das Haus gehört der Kette Trinity Health, einem katholischen Träger.

Experten zufolge kommt es US-weit in vielen Kliniken vor, dass das Krankenhauspersonal ärztliche Anordnungen nicht in Frage stellt und keine Bedenken hinsichtlich der Patientensicherheit hat, wie es im Mount Carmel geschehen ist. Nach Ansicht von Experten bietet der Fall Husel Ärzten und Pflegenden wichtige Anhaltspunkte zur Verbesserung der Patientensicherheit.

 
Es muss ein Verfahren geben, mit dem man solche Situationen angehen kann, in denen Uneinigkeit über die Sicherheit einer Medikamentenverordnung besteht. Michael Cohen
 

„Dies ist ein extremes Beispiel, aus dem jeder lernen kann, was man nicht tun sollte“, sagte Michael Cohen, Gründer und emeritierter Präsident des Institute for Safe Medication Practices. „Husel hat Patienten massive Überdosen an Medikamenten verabreicht. Die Leute wussten, dass das problematisch war, und niemand hat ein Machtwort gesprochen. Es muss ein Verfahren geben, mit dem man solche Situationen angehen kann, in denen Uneinigkeit über die Sicherheit einer Medikamentenverordnung besteht.“

Extreme Mengen an Opioiden

Zum Hintergrund: Die Staatsanwaltschaft hatte Husel angeklagt, 14 Patienten zwischen 2015 bis 2018 getötet zu haben, indem er ihnen große Einzeldosen Fentanyl, 500 bis 2.000 Mikrogramm, verordnet hat, oft in Kombination mit anderen Opioiden und Beruhigungsmitteln. Dies soll passiert sein, während er als einziger Arzt in der Nachtschicht auf der Intensivstation des Mount Carmel West Hospital und des Mount Carmel St. Ann's Hospital in Westerville, Ohio, tätig war.

Husel ordnete die Gabe der Medikamente an, während bei Patienten ein Endotrachealtubus im Rahmen einer palliativen Extubation entfernt wurde. Beim Prozess gab es widersprüchliche Aussagen darüber, ob Patienten Anzeichen von Schmerzen gezeigt haben oder ob sie überhaupt in der Lage waren, Schmerzen zu empfinden.

Die Staatsanwälte argumentierten, dass Husel, der eine Facharztausbildung für Intensivmedizin an der Cleveland Clinic absolviert und 2013 seine erste Stelle am Mount Carmel angetreten hat, die Absicht hatte, Patienten zu töten oder ihren Tod zu beschleunigen. Sie behaupteten, dass unerfahrene Pflegekräfte auf der Intensivstation seine hohen Medikamentendosen nicht infrage gestellt hätten, weil sie ihm aufgrund seines Ansehens und seiner Bereitschaft, sich Zeit zu nehmen, um sie zu unterrichten, „hörig“ gewesen seien.

 
Der gesunde Menschenverstand sagt, dass Dr. Husel kein Motiv hatte, Patienten zu schaden. Jose Baez
 

„Aufgrund seiner Ausbildung in Anästhesie wusste er, was diese Medikamente bewirken“, sagte der stellvertretende Staatsanwalt David Zeyen in seinem Schlussplädoyer. „Das ist keine Fahrlässigkeit. Das ist Absicht... Tiere mit der Absicht, sie zu töten, einzuschläfern, ist in der Veterinärmedizin in Ordnung. Auf der Intensivstation des Mount Carmel oder sonst wo ist es nicht in Ordnung.“

Verteidiger wiederum argumentierten, Husel sei ein fürsorglicher und mitfühlender Arzt, der Medikamente verordnete, um Schmerzen und Unbehagen der Patienten während der Extubation zu lindern. Husel selbst hat sich nicht zu den Vorwürfen geäußert.

„Der gesunde Menschenverstand sagt, dass Dr. Husel kein Motiv hatte, Patienten zu schaden“, sagte Verteidiger Baez in seinem Schlusswort. „Er hat sein Leben der Behandlung von Patienten und der Rettung von Leben gewidmet, nicht der Tötung... Warum sollte dieser Mann seine Familie, seine Karriere und seine 17 Jahre als Arzt riskieren, um den Tod eines Menschen zu beschleunigen oder ihn zu töten?“

Arbeitsrechtliche Folgen für Husels Kollegen

Unklar bleibt die genaue Zahl an Opfern. Es gab 35 Patienten, die auf der Intensivstation unter Husels Obhut starben, nachdem sie während der palliativen Extubation hohe Fentanyl-Dosen erhalten hatten. Der Staat klagte Husel ursprünglich in 25 Fällen des Mordes an, verringerte die Zahl dann aber auf 14 Fälle.

Husel erteilte viele Anweisungen mündlich, anstatt sie wie üblich in die elektronische Patientenakte einzugeben. Er und die diensthabenden Pflegekräfte haben auch das Standardverfahren für nicht dringende Fälle, die Genehmigung des diensthabenden Apothekers einzuholen, umgangen. Sie nutzten stattdessen die Übersteuerungsfunktion des automatisierten Pyxis-Medikamentenabgabesystems von Mount Carmel.

Apotheker haben die ungewöhnlichen Dosierungsschemata von Husel erstmals im Oktober 2018 Vorgesetzten gemeldet, was eine Untersuchung nach sich zog. Das Krankenhaus entließ ihn im Dezember 2018, nachdem es zu dem Schluss gekommen war, dass die von ihm verwendeten Opioid-Dosierungen „deutlich überhöht und potenziell tödlich“ waren und „über die Bereitstellung von Linderung der Beschwerden hinausgingen“.

Gegen fast 2 Dutzend Pflegekräfte und gegen 2 Apotheker, die in diese Fälle verwickelt waren, wurden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. Meist wurde ihnen die Erlaubnis, ihren Beruf auszuüben, entzogen. Behörden haben das Mount Carmel-System wegen Mängeln bei Verfahren zur Patientensicherheit gerügt.

Der Vorstandsvorsitzende von Mount Carmel, der Chief Clinical Officer, andere leitende Ärzte, Krankenpfleger und Apotheker sowie Dutzende von Krankenpflegern und Apothekern wurden anschließend entlassen.

Hohe Geldstrafen, weitere Klagen

Im Jahr 2019 akzeptierten die Centers for Medicare & Medicaid Services, nachdem sie gedroht hatten, dem Mount Carmel Bundesgelder zu streichen, Strategien des Krankenhausträgers zur Verbesserung der Patientensicherheit. Künftig gibt es Einschränkungen für mündlich erteilte Arzneimittelverordnungen – und die Aushebelung des Pyxis-Systems für Opioide wird außer in lebensbedrohlichen Notfällen verboten. Das Ohio Board of Pharmacy verhängte gegen Mount Carmel wegen Verstößen gegen Apothekenvorschriften Geldstrafen in Höhe von 477.000 Dollar.

Mount Carmel und Trinity haben eine Reihe von Zivilklagen wegen Tötung durch Zahlungen in Höhe von fast 20 Millionen Dollar beigelegt; viele weitere Klagen sind jedoch anhängig. Geklagt hatten Familien von Husels Patienten. Gerry Leeseberg, ein Anwalt für medizinische Kunstfehler in Columbus – er vertritt 17 der Familien – erklärte, dass mehrere Fälle ab Juni vor Gericht verhandelt werden.

Während des Prozesses sagten zudem Familienangehörige der 14 Patienten aus, die Husel ermordet haben soll. Sie gaben zu Protokoll, Husel habe ihnen gesagt, ihre Angehörigen lägen im Sterben. Einige erklärten, sie hätten sich zu der Entscheidung gedrängt gefühlt, dass Patienten extubiert würden.

Palliative Extubierung mit niedrigen Opioid-Dosen

Vor einer palliativen Extubation verabreichen Ärzte üblicherweise Opioide und/oder Sedativa, um Schmerzen und Angst zu lindern und um Familienmitgliedern zu ersparen, mitzuerleben, wie ihr Angehöriger nach Luft ringt.

Die meisten medizinischen Experten – einschließlich der beiden ärztlichen Sachverständigen des Staates – sagen jedoch, dass die von Husel verordneten Fentanyl-Dosen 5- bis 20-mal höher gewesen seien als bei einer palliativen Extubation üblich. Solche Dosen würden die meisten Patienten schnell töten, indem sie ihre Atmung zum Stillstand brächten. Eine Ausnahme seien Patienten mit hoher Opioid-Toleranz.

Ärzte sagen, dass sie in der Regel viel niedrigere Dosen an Fentanyl oder Morphin verabreichten und bei Bedarf mehr geben würden, wenn es bei Patienten zu Schmerzen oder zu einer medizinischen Notlage komme.

In den Leitlinien des Mount Carmel für die intravenöse Verabreichung von Fentanyl aus dem Jahr 2016 wurde ein Dosierungsbereich von 50 bis 100 Mikrogramm zur Schmerzlinderung angegeben, in den Leitlinien von 2018 wurde dieser Bereich auf 25 bis 50 Mikrogramm reduziert.

„Die von Husel verordneten Dosen sind tödlich, selbst für die meisten Patienten mit einer gewissen Toleranz gegenüber Opioiden“, sagte Nelson, der auch Experte in medizinischer Toxikologie und Suchtmedizin ist. „Das sind Dosen, die zur Euthanasie dienen, nicht zur Schmerzlinderung.“

Palliative Extubierung mit niedrigen Opioid-Dosen

Vor einer palliativen Extubation verabreichen Ärzte üblicherweise Opioide und/oder Sedativa, um Schmerzen und Angst zu lindern und um Familienmitgliedern zu ersparen, mitzuerleben, wie ihr Angehöriger nach Luft ringt.

 
Die von Husel verordneten Dosen sind tödlich, selbst für die meisten Patienten mit einer gewissen Toleranz gegenüber Opioiden. Dr. Lewis Nelson
 

Die meisten medizinischen Experten – einschließlich der beiden ärztlichen Sachverständigen des Staates – sagen jedoch, dass die von Husel verordneten Fentanyl-Dosen 5- bis 20-mal höher gewesen seien als bei einer palliativen Extubation üblich. Solche Dosen würden die meisten Patienten schnell töten, indem sie ihre Atmung zum Stillstand brächten. Eine Ausnahme seien Patienten mit hoher Opioid-Toleranz.

Ärzte sagen, dass sie in der Regel viel niedrigere Dosen an Fentanyl oder Morphin verabreichten und bei Bedarf mehr geben würden, wenn es bei Patienten zu Schmerzen oder zu einer medizinischen Notlage komme.

In den Leitlinien des Mount Carmel für die intravenöse Verabreichung von Fentanyl aus dem Jahr 2016 wurde ein Dosierungsbereich von 50 bis 100 Mikrogramm zur Schmerzlinderung angegeben, in den Leitlinien von 2018 wurde dieser Bereich auf 25 bis 50 Mikrogramm reduziert.

„Die von Husel verordneten Dosen sind tödlich, selbst für die meisten Patienten mit einer gewissen Toleranz gegenüber Opioiden“, sagte Nelson, der auch Experte in medizinischer Toxikologie und Suchtmedizin ist. „Das sind Dosen, die zur Euthanasie dienen, nicht zur Schmerzlinderung.“

Schwierigkeiten vor Gericht

Bei der Verhandlung standen Staatsanwälte vor große Herausforderungen, um eine Verurteilung wegen Mordes zu erreichen. Sie mussten zweifelsfrei nachweisen, dass die von Husel verordneten Medikamente den Tod der schwerkranken Patienten unmittelbar verursacht haben und dass er die Absicht hatte, Menschen zu töten.

Gegen Ende des Prozesses entschied der Richter auf Antrag der Staatsanwaltschaft, dass die Geschworenen auch den Vorwurf des versuchten Mordes prüfen sollten, bei dem zwar der Vorsatz nachgewiesen werden muss, aber nicht, dass die Handlungen des Angeklagten den Tod direkt verursacht haben.

Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass Ärzte bei der Verabreichung von Medikamenten zur Linderung von Schmerzen und Leiden einen gewissen rechtlichen Schutz genießen, selbst wenn die Medikamente den Tod der Patienten beschleunigen – so lange sie nicht die Absicht haben, Menschen zu töten. Außerdem müssen Pharmaka ordnungsgemäß verwendet werden.

Dies ist als Prinzip der Doppelwirkung bekannt. Es besagt, dass eine Handlung mit moralisch schlechten und moralisch guten Folgen moralisch erlaubt ist, wenn die schlechten Folgen nur unbeabsichtigte Nebenaspekte darstellen.

Im Gegensatz dazu wird die vorsätzliche Tötung zur Linderung von Schmerzen und Leiden als Euthanasie bezeichnet. Genau das haben Staatsanwälte Husel vorgeworfen.

„Wenn Sie den Tod eines Menschen beschleunigen, selbst wenn sein Tod so sicher ist, wie die Sonne am Morgen aufgeht, haben Sie in den Augen des Gesetzes seinen Tod verursacht“, sagte der stellvertretende Staatsanwalt Zeyen in seinem Schlusswort. „Man bekommt keinen Freifahrtschein für die Tötung eines Sterbenden.“

Leeseberg sagte, dass es immer extrem schwer sein würde, eine Jury davon zu überzeugen, einen Arzt wegen Mordes zu verurteilen, mit der Möglichkeit einer lebenslangen Haftstrafe, in einem Fall, in dem die Taten des Arztes offen über 4 Jahre in einem Krankenhaus stattfanden – und niemand etwas unternommen hat, um ihn zu stoppen.

Es wäre viel einfacher gewesen, die Geschworenen davon zu überzeugen, ihn wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, einem geringeren Vergehen mit einer kürzeren Gefängnisstrafe. Dazu hätte nur bewiesen werden müssen, dass er die Gesundheit und Sicherheit seiner Patienten rücksichtslos missachtet hat.

In einer Stellungnahme nach Bekanntgabe des Urteils erklärte Richter Michael Holbrook, die Geschworenen hätten ihm gesagt, dass ihnen Prozeduren für die Abgabe von Fentanyl und anderen Medikamenten im Mount Carmel nicht richtig erklärt worden seien und dass sie durch die große Zahl der Zeugen der Anklage verwirrt gewesen seien. Er sagte auch, sie seien überrascht gewesen, dass niemand eine Höchstdosis für Fentanyl angegeben habe.

 
Man bekommt keinen Freifahrtschein für die Tötung eines Sterbenden. David Zeyen
 

Schumacher, der pensionierte Anwalt mit dem Schwerpunkt ärztliche Kunstfehler, der den Prozess aufmerksam verfolgt hat, stimmte nicht mit der Einschätzung des Verteidigers Baez über die Auswirkungen des Falles auf die Praxis der Analgesie überein. Seiner Ansicht nach wird der Fall die Ängste von Ärzten und Pflegekräften vor der Verabreichung von Opioiden eher verstärken als verringern, selbst wenn eine bestimmte Dosis erforderlich und angemessen ist. Er glaubt jedoch nicht, dass die Dosierung von Husel gerechtfertigt werden kann.

„Ärzte reagieren auf jede rechtliche Entwicklung mit einer naiven Überreaktion und verallgemeinern von einem bestimmten Fall auf die tägliche Praxis“, sagte er.

Bislang gibt es nur einen vergleichbaren Fall. Im Jahr 1996 verurteilten Geschworene in Kansas Lloyd Stanley Naramore wegen versuchten Mordes an einem Patienten, dem er ein Opioid verabreicht hatte, und wegen Mordes 2. Grades, weil er bei einem Patienten die invasive Beatmung eingestellt hatte. Nachdem Naramore eine 6-monatige Haftstrafe verbüßt hatte, hob ein Berufungsgericht die Verurteilungen aus Mangel an Beweisen auf.

Letzten Monat wurde RaDonda Vaught, eine Krankenschwester, die am Vanderbilt University Medical Center arbeitete, in Nashville wegen krimineller Fahrlässigkeit und fahrlässiger Tötung verurteilt, weil sie einem Patienten irrtümlich eine tödliche Dosis des lähmenden Medikaments Vecuronium anstelle des verschriebenen Medikaments Versed® (Midazolam) verabreicht hatte.

 
Man braucht keine 2.000 Mikrogramm Fentanyl und andere Medikamente, um Patienten zu beruhigen, und wiederholt das immer wieder für andere Patienten. Michael Cohen
 

Rechtsexperten und Mediziner erklärten jedoch, Husels Fall unterscheide sich deutlich von den Fällen Vaught und Naramore, da er absichtlich und wiederholt hohe Dosen von Fentanyl und anderen Medikamenten eingesetzt habe, von denen er wusste oder hätte wissen müssen, dass sie potenziell tödlich sind.

„Man braucht keine 2.000 Mikrogramm Fentanyl und andere Medikamente, um Patienten zu beruhigen, und wiederholt das immer wieder für andere Patienten“, sagte Cohen vom Institute for Safe Medication Practices. „Niemand gibt diese Menge einem Patienten. Das würde sie umhauen.“

Welche Motive hatte der Arzt?

Während des Prozesses erklärte die Staatsanwaltschaft mehrfach, dass niemand außer Husel wisse, was er sich dabei gedacht habe, als er diese hohen Medikamentendosen für seine Intensivpatienten verordnet habe. Richter Holbrook sagte den Geschworenen, der Staat müsse kein Motiv nachweisen, sondern nur den Vorsatz. Aber viele Beobachter fragen sich dennoch, welche Motive der Arzt hatte.

Husels eigene Sichtweise wird bald öffentlich werden. Unmittelbar nach dem Urteil stellte Leeseberg einen Antrag ein, den Arzt zu befragen – wohl am 9. Mai. Husel kann sich nicht mehr auf den 5. Verfassungszusatz, sprich das recht auf Aussageverweigerung bei Untersuchungen gegen die eigene Person, berufen. Die Befragungen sollen 1 Woche dauern; Abschriften werden veröffentlicht.

Der Beitrag wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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