Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um das früh auftretende Kolorektalkarzinom – ein Übersichtsbeitrag im New England Journal of Medicine fasst aktuelle Erkenntnisse zusammen. Die Ergebnisse der deutschen Phase-3-Studie WSG-ADAPT-HR+/HER2 zeigen, dass bei Frauen mit frühem Mammakarzinom mit Hilfe eines Genexpressionswerts und des Ansprechens auf eine präoperative endokrine Therapie die systemische Behandlung gesteuert werden kann. Die deutsche TOSYMA-1-Studie ergab, dass eine Kombination aus digitaler Brust-Tomosynthese und synthetischem 2D-Mammogramm beim Mammographie-Screening mehr Karzinome findet. Mit der Bestimmung der Blutgruppe bietet sich möglicherweise ein Marker für das Risiko einer Krebs-assoziierten VTE an.
Früh auftretendes Kolorektalkarzinom: Was ist zu Phänotyp, Diagnose und Prävention bekannt
Mammakarzinom: Recurrence Score und endokrines Ansprechen können frühe Therapie leiten
Mammakarzinom-Screening: Weiterentwickelte Mammographie-Technik entdeckt mehr Erkrankungen
Endometriumkarzinom: Patientinnen leben mit Lenvatinib und Pembrolizumab länger
AML: Ivosidenib plus Azacitidin hat signifikanten klinischen Nutzen
Krebs-assoziierte Thromboembolien: Blutgruppe als Marker für Thromboserisiko
Früh auftretendes Kolorektalkarzinom: Was ist zu Phänotyp, Diagnose und Prävention bekannt
Immer häufiger werden Kolorektalkarzinome bei Patienten im Alter unter 50 Jahren diagnostiziert. Dieses so genannte früh auftretende Kolorektalkarzinom wird derzeit bei etwa 10% der Patienten mit Darmkrebs diagnostiziert. Damit einher geht ein Anstieg der Darmkrebs-bedingten Sterblichkeit bei jüngeren Patienten, was im Gegensatz zum Rückgang der Inzidenz von später einsetzendem Kolorektalkarzinom und der sinkenden Sterblichkeit steht.
In einer aktuellen Übersichtsarbeit im New England Journal of Medicine diskutiert Prof. Dr. Frank A. Sinicrope vom Mayo Comprehensive Cancer Center, Rochester, aktuelle Erkenntnisse zu klinischen Merkmalen, Diagnose und Präventionsmaßnahmen.
Die Mehrzahl der Patienten mit früh auftretendem Kolorektalkarzinom leidet an Krebs im linken Kolon. Die Patienten befinden sich meist in weiter fortgeschrittenen Stadien als bei später auftretender Erkrankung.
Eine Vielzahl von Risikofaktoren wird diskutiert, z.B. die westliche Ernährung, die das Darm-Mikrobiom ändern und zur Entzündung im Verdauungstrakt führen kann.
Bei einem von 6 Patienten finden sich in der Keimbahn pathogene Varianten, wovon sich etwa die Hälfte in Mismatch-Reparaturgenen befindet, die mit dem Lynch-Syndrom assoziiert sind.
Das National Comprehensive Cancer Network empfiehlt allen Patienten mit Diagnose eines frühen Kolorektalkarzinoms eine genetische Evaluation und Risikoberatung.
Die American Cancer Society empfiehlt, die Darmkrebs-Vorsorgeuntersuchungen ab einem Alter von 45 Jahren.
Mammakarzinom: Recurrence Score und endokrines Ansprechen können frühe Therapie leiten
Der 21-Gen-Rezidiv-Score (Recurrence Score, RS) in Kombination mit Ansprechen auf eine 3-wöchige präoperative endokrine Therapie – gemessen mit dem Ki67-Wert – eignet sich zur Steuerung einer systemischen Therapie bei Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium und maximal 3 befallenen Lymphknoten. Dies kann dazu beitragen, eine Überbehandlung mit Chemotherapie zu vermeiden.
Wie die WSG-ADAPT-Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Nadia Harbeck, München, im Journal of Clinical Oncology schlussfolgerte, zeigt die Studie, dass – unabhängig vom Alter – ein erheblicher Anteil der Patientinnen allein mit adjuvanter endokriner Therapie (ET) sicher behandelt werden kann. Dies gilt nicht nur für Patientinnen mit 0-3 befallenen Lymphknoten und einem Recurrence Score (RS) von 0-11, sondern auch für Frauen mit bis zu 3 befallenen Lymphknoten, einem RS von 12-25 und einem Ki67-Ansprechen nach kurzer präoperativer ET.
Die WSG-ADAPT-HR+/HER2– ist die erste Phase-3-Studie, die einen Genexpressions-Assay und das Ansprechen auf eine 3-wöchige präoperative ET kombiniert hat, um eine systemische Therapie zu steuern.
Die Patientinnen erhielten vor der Operation über 3 Wochen eine endokrine Induktionstherapie (Tamoxifen bei prämenopausalen, Aromatasehemmer bei postmenopausalen Patientinnen). Während der Induktionstherapie wurde der Recurrence Score (RS) mit Oncotype DX gemessen. Der Ki67-Wert wurde zu Studienbeginn und nach präoperativer endokriner Therapie bestimmt.
Die Intention-to-Treat-Gruppe umfasst 2.290 Patientinnen mit maximal 3 befallenen Lymphknoten. Dem Verumarm waren Frauen mit einem RS von 12-25 und endokriner Antwort, dem Kontrollarm waren Frauen mit RS 0-11 zugeordnet.
Die Studie zeigte, dass die 5-Jahres-Rate des invasiven krankheitsfreien Überlebens (iDFS) bei Frauen der Verumgruppe 92,6% betrug und damit ähnlich war wie bei den Frauen der Kontrollgruppe mit 93,9%. Der Test auf Nichtunterlegenheit war signifikant (p = 0,05).
Die 5-Jahres-Rate des Überlebens ohne distante Metastasen (dDFS) war mit 95,6% im experimentellen Arm und mit 96,3% im Kontrollarm ebenfalls ähnlich. Auch das 5-Jahres-Gesamt-Überleben war mit 97,3% bzw. 98% vergleichbar gut.
„Eine kurzzeitige präoperative endokrine Therapie kann nützliche zusätzliche Informationen zum Recurrence-Score-Grenzwert von 25 liefern“, heißt es im begleitenden Editorial. Mit Hilfe von Biomarkern, die eine Resistenz bzw. ein Ansprechen auf eine endokrine Therapie anzeigen, könne die Auswahl von Wirkstoffen geleitet werden, die neben einer adjuvanten endokrinen Behandlung sinnvoll eingesetzt werden könnten.
Mammakarzinom-Screening: Weiterentwickelte Mammographie-Technik entdeckt mehr Erkrankungen
Die Kombination aus digitaler Brust-Tomosynthese (DBT) und synthetischen 2D-Mammogrammen kann häufiger ein Mammakarzinom entdecken als der bisherige Screening-Standard, die digitale Mammographie. Dies zeigen die ersten Ergebnisse der deutschen TOSYMA-1-Studie (TOmosynthesis plus SYnthesised MAmmography), die in Lancet Oncology erschienen sind. Die innovative Bildgebung reduziert nach Aussage der Autoren die Wahrscheinlichkeit, dass überlappende Gewebestrukturen radiologische Zeichen für Malignität verdecken.
In 17 Studienzentren in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurden zwischen Juli 2018 und Dezember 2020 randomisiert 49.804 Frauen mit der weiterentwickelten Technik und 49.830 Frauen mit dem Standardverfahren untersucht. Eine invasive Brustkrebserkrankung wurde bei 354 von 49.715 Frauen mit auswertbaren primären Endpunktdaten in der Gruppe mit digitaler DBT plus s2D (7,1 Fälle pro 1.000 gescreenten Frauen) und bei 240 von 49.762 Frauen in der Vergleichsgruppe (4,8 Fälle pro 1.000 untersuchte Frauen) entdeckt (Odds-Ratio: 1,48, p < 0,0001).
Die Ergebnisse sind aufgrund der bisher vorliegenden Daten zur Tomosynthese nicht unerwartet, heißt es im begleitenden Editorial. Da bislang keine Daten zur Intervallkrebsrate und zu langfristigen Ergebnissen vorliegen, wird das neue Verfahren u.a. aufgrund von Bedenken wegen Überdiagnosen die Standard-Mammographie in den Screening-Programmen (noch) nicht ersetzen, so das Editorial.
In der weiteren Nachbeobachtungszeit soll nun in TOSYMA-2 untersucht werden, ob sich die Intervall-Krebsraten ändern und ob die vermehrten Brustkrebsdiagnosen letztendlich auch die Gesundheit der Frauen verbessern.
Endometriumkarzinom: Patientinnen leben mit Lenvatinib und Pembrolizumab länger
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kam in 2 frühen Nutzenbewertungen zu dem Schluss, dass sich für die Kombination aus dem Tyrosinkinasehemmer Lenvatinib und dem PD1-Inhibitor Pembrolizumab für Patientinnen mit Endometriumkarzinom im Vergleich zur Behandlung mit Doxorubicin und Paclitaxel ein beträchtlicher Zusatznutzen ergibt. Ist dagegen eine andere Behandlungsoption geeigneter, so ist ein Zusatznutzen nicht belegt, heißt es in einer Pressemitteilung.
Die Beurteilung beruht auf der KEYNOTE-775/309-Studie, in der die beiden Therapieregime direkt verglichen worden sind. Die Patientinnen im Prüfarm überlebten im Median 18,3 Monate, im Kontrollarm dagegen 11,4 Monate.
AML: Ivosidenib plus Azacitidin hat signifikanten klinischen Nutzen
Der IDH1-Inhibitor Ivosidenib führte in Kombination mit Azacitidin bei Patienten mit neu diagnostizierter IDH1-mutierter akuter myeloischer Leukämie (AML) im Vergleich zu Placebo plus Azacitidin zu einem signifikant besseren Ereignis-freien Überleben (Hazard Ratio: 0,33; p = 0,002) und zu einem signifikant besseren Gesamtüberleben(HR: 0,44; p = 0,001). Diese Ergebnisse der Phase-3-Studie AGILE hatte Prof. Dr. Hartmut Döhner, Universitätsklinik Ulm, beim ASH-Kongress 2021 vorgestellt, nun sind sie im New England Journal of Medicine publiziert worden.
Mutationen der Isocitrat-Dehydrogenase 1 (IDH-1) treten bei etwa 10% der Fälle von akuter myeloischer Leukämie (AML) auf. Der IDH1-Inhibitor Ivosidenib ist von der FDA sowohl für die r/r IDH1-mutierte AML als auch für neu diagnostizierte unfitte Patienten mit IDH1-mutierter AML zugelassen.
In der Phase-3-Studie AGILE erhielten Patienten mit neu diagnostizierter AML, die für eine intensive Chemotherapie nicht fit genug waren, oral Ivosidenib (500 mg/Tag) plus i.v. oder s.c. Azacitidin (n = 72) oder Placebo plus Azacitidin (n = 74).
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 12,4 Monaten war der primäre Endpunkt erreicht, das Ereignis-freie Überleben war in der Ivosidenib-plus-Azacitidin-Gruppe signifikant länger als in der Placebo-und-Azacitidin-Gruppe.
Auch das Gesamtüberleben war bei den Patienten mit Kombinationstherapie mehr als 3-mal länger war als bei nur mit Azacitidin behandelten Personen (24,0 Monate vs. 7,9 Monate; HR: 0,44; p = 0,001).
Häufige unerwünschte Ereignisse von Schweregrad 3 oder höher waren febrile Neutropenie (28% mit Ivosidenib und Azacitidin und 34% mit Azacitidin allein) sowie Neutropenie (27% bzw. 16%).
Nach Meinung der Autoren sollten in weiteren Studien u.a. auf Venetoclax basierende Behandlungen mit Ivosidenib und Azacitidin verglichen werden.
Krebs-assoziierte Thromboembolien: Blutgruppe als Marker für Thromboserisiko
Das Risiko für eine Krebs-assoziierte Thromboembolie ist bei Krebskranken mit Blutgruppe AB, A oder B höher als bei Patienten mit Blutgruppe 0. Dies ergab eine Analyse von Daten von 1.708 erwachsenen Krebskranken aus der Vienna Cancer and Thrombosis Study (CATS), die in Blood Advances erschienen ist.
Insgesamt entwickelten 151 Patienten (8,8%) eine venöse Thromboembolie (VTE). Innerhalb der ersten 3 Monate nach Diagnose ergab sich kein Zusammenhang zwischen Nicht-0-Blutgruppe und VTE-Risiko. 3 Monate nach der Krebsdiagnose oder dem Wiederauftreten der Krebserkrankung zeigte sich jedoch eine signifikante Assoziation zwischen Nicht-0-Blutgruppe und VTE-Risiko.
Auch bei Patienten, die an Tumoren mit niedrigem und mittlerem VTE-Risiko erkrankt waren, war die Blutgruppe Nicht-0 mit einem höheren VTE-Risiko verbunden. Dies galt jedoch nicht bei Karzinomen mit sehr hohem VTE-Risiko wie Pankreas-, Magen- oder Hirntumoren.
Die Autoren schlussfolgern, dass die Blutgruppe ein leicht bestimmbarer Faktor in der klinischen Praxis ist und bei der Risikoeinschätzung von Krebspatienten möglicherweise hilfreich sein kann.
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Diesen Artikel so zitieren: Übersicht zu Darmkrebs bei Jüngeren; Brustkrebs: 2 Parameter zur Therapieoptimierung; Krebs und VTE: Blutgruppe als Marker - Medscape - 26. Apr 2022.
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