EMA: Positives Votum für 4 neue Medikamente, u.a. beim follikulären Lymphom und bei Epidermolysis bullosa

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

25. April 2022

Vom 19. bis 22. April 2022 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) getagt. Er hat empfohlen, 4 Medikamente innerhalb der EU und 2 Diabetes-Therapien außerhalb der EU zuzulassen [1]. Darunter waren Präparate aus der Onkologie, der Pneumologie und der Rheumatologie bzw. Dermatologie.

Filsuvez® (Birkenrindenextrakt) bei Epidermolysis bullosa

Der Ausschuss hat ein positives Votum für Filsuvez® zur Behandlung von Epidermolysis bullosa abgegeben: eine angeborene, nicht heilbare Multisystemerkrankung, bei der die Haut besonders stark betroffen ist. Es kommt zur Bildung von Blasen und zu Läsionen.

Filsuvez® wird als Gel zur Anwendung auf der Haut erhältlich sein. Der Wirkstoff ist ein Birkenrindenextrakt aus Betula pendula bzw. Betula pubescens. Es wird angenommen, dass Terpene durch die Modulation von Entzündungsmediatoren und die Stimulierung der Keratinozyten-Differenzierung und -Migration wirken und so die Wundheilung und den Wundverschluss fördern.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Wundkomplikationen, Reaktionen an der Applikationsstelle, Wundinfektionen, Pruritus und Überempfindlichkeitsreaktionen.

Lunsumio® (Mosunetuzumab) beim follikulären Lymphom

Außerdem erhielt Lunsumio® (Mosunetuzumab) vom CHMP eine positive Stellungnahme für eine bedingte Zulassung zur Behandlung des rezidivierten oder refraktären follikulären Lymphoms.

Mosunetuzumab, ein bispezifischer monoklonaler Antikörper, bindet gleichzeitig an CD20 auf B-Zellen und CD3 auf T-Zellen und löst so den Tod bösartiger B-Zellen aus.

Die Vorteile von Lunsumio® sind der hohe Anteil von Patienten mit vollständigem Ansprechen und die Dauerhaftigkeit des Ansprechens auf die Behandlung.

Als häufigste Nebenwirkungen nennt die EMA ein Zytokinfreisetzungssyndrom, Neutropenie, Fieber, Hypophosphatämie und Kopfschmerzen.

Tabrecta® (Capmatinib) bei nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen

Eine positive Stellungnahme wurde für Tabrecta® (Capmatinib) zur Behandlung von fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs abgegeben.

Capmatinib, ein MET-Inhibitor, blockiert die MET-Phosphorylierung und die MET-abhängige nachgeschaltete Signalübertragung. MET ist das Hepatozyten-Wachstumsfaktor-Rezeptorprotein (hepatocyte growth factor receptor), eine Tyrosinkinase.

Die Vorteile von Tabrecta® liegen in der objektiven Ansprechrate und der Dauer des Ansprechens bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs, die Veränderungen aufweisen, welche zu einem METex14-Skipping, einer speziellen Genmutation, führen.

Periphere Ödeme, Übelkeit, Müdigkeit, Erbrechen, Dyspnoe und Appetitlosigkeit traten als häufigste Nebenwirkungen auf.

Pirfenidon AET® (Pirfenidon) bei idiopathischer Lungenfibrose

Ein Generikum, Pirfenidon AET® (Pirfenidon), erhielt vom Ausschuss eine positive Stellungnahme für die Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose.

Pirfenidon ist ein Immunsuppressivum. Sein Wirkmechanismus konnte noch nicht vollständig geklärt werden. Daten deuten darauf hin, dass Pirfenidon sowohl antifibrotische als auch entzündungshemmende Eigenschaften besitzt.

Das jetzt bewertete Präparat ist ein Generikum von Esbriet®, das seit 2. März 2011 in der EU zugelassen ist. Studien haben die zufriedenstellende Qualität von Pirfenidon AET® und seine Bioäquivalenz mit dem Referenzprodukt Esbriet® gezeigt.

Empfehlungen zur Erweiterung der therapeutischen Indikation

Der Ausschuss empfahl 7 Indikationserweiterungen für Arzneimittel, die in der EU bereits zugelassen sind:

  • Bydureon® (Exenatid): bei Typ-2-Diabetes,

  • Elonva® (Corifollitropin alfa): zur Fertilitätsbehandlung von Frauen,

  • Keytruda® (Pembrolizumab): zur Behandlung verschiedener Tumoren,

  • NovoSeven® (Eptacog alfa): zur Behandlung von Blutungen und zur Prophylaxe schwerer Blutungen nach Operationen,

  • Retsevmo® (Selpercatinib): bei einer Form des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms,

  • Tecentriq® (Atezolizumab): beim nicht-kleinzelligen und beim kleinzelligen Lungenkarzinom sowie

Yescarta® (ein CAR-T-Zelltherapeutikum): beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom.

Erleichterung des weltweiten Zugangs zu Diabetes-Behandlungen

Noch ein Blick auf internationale Aktivitäten: Der CHMP hat Empfehlungen für 2 Diabetes-mellitus-Behandlungen, Actrapid® (Humaninsulin) und Insulatard® (Humaninsulin), zur Verwendung außerhalb der EU ausgesprochen.

Daten zu beiden Medikamenten wurden der EMA im Rahmen eines speziellen Regelungsverfahrens (Artikel 58 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004) vorgelegt. Dies ermöglicht der Agentur, die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln bei ungedecktem medizinischem Bedarf außerhalb der EU zu bewerten – als regulatorische Unterstützung zur Verbesserung der Versorgung von Patienten weltweit.

Daten werden von der EMA in Zusammenarbeit mit Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den jeweiligen Zielländern angesehen. Wie bei sonstigen Zulassungen EU-Standards gelten EU-Standards.

Actrapid® und Insulatard® sind Humaninsuline, die seit 2002 in der EU zentral zugelassen sind. Sie müssen bei 2 bis 8°C aufbewahrt werden. Diese strengen Lagerungsbedingungen lassen sich nur schwer einhalten, wenn der Zugang zu Kühlmöglichkeiten eingeschränkt ist, beispielsweise in Ländern, die sich in einem Konflikt oder einer humanitären Notsituation befinden.

Das Unternehmen beantragte eine Bewertung beider Arzneimittel für Länder außerhalb der EU bei der Lagerung ohne Kühlung. Nach Bewertung der Stabilitätsdaten kam der CHMP zu dem Schluss, dass die Insulinprodukte bei Temperaturen bis zu 30 °C maximal 4 Wochen lang aufbewahrt werden können. „Diese positive Stellungnahme des CHMP ebnet den Weg für einen besseren Zugang zur Behandlung von Diabetespatienten weltweit“, schreibt die EMA.

Rücknahme von Anträgen

Die Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Aduhelm® (Aducanumab), Miplyffa® (Arimoclomol) und Neffy® (Adrenalin) wurden zurückgezogen:

  • Aduhelm®, für das zum Zeitpunkt der Rücknahme eine erneute Prüfung einer früheren negativen Empfehlung lief, war für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit bestimmt,

  • Miplyffa® für die Behandlung der Niemann-Pick-Krankheit Typ C und

  • Neffy® für die Notfallbehandlung von allergischen Reaktionen, einschließlich Anaphylaxien.

Bewertung von Rubraca® (Rucaparib)

Der CHMP hat mit einer Überprüfung aller verfügbaren Informationen über den Nutzen und die Risiken von Rubraca® (Rucaparib) begonnen. Die Therapie soll bei Patientinnen mit Eierstock-, Eileiter- oder Bauchfellkrebs mit einer BRCA-Mutation, deren Krebs nach einer platinbasierten Chemotherapie wieder aufgetreten ist und die solche Arzneimittel nicht mehr erhalten können, zum Einsatz kommen.

Die Überprüfung folgt auf eine geplante Zwischenanalyse einer Studie nach der Zulassung, die Bedenken hinsichtlich des Nutzens des Arzneimittels in dieser Indikation aufkommen ließ. Der CHMP beschloss zudem als vorübergehende Maßnahme, dass Ärzten empfohlen wird, keine weiteren Patientinnen mit Rucaparib® zu behandeln, solange die Überprüfung andauert.

 

Kommentar

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