Ein Jugendlicher hat eine Makrohämaturie und Flankenschmerzen, aber weder ein Trauma, eine Harnwegsinfektion, eine Urolithiasis sowie Tumoren und auch keine Gerinnungsstörung. Auch eine Glomerulonephritis ist ausgeschlossen worden. MRT und Duplexsonographie haben schließlich den Weg zur Diagnose der Ursache geebnet, wie ein Autorenteam um Alexander Cox vom Universitätsklinikum Bonn berichtet hat [1].
Der Patient und seine Geschichte
Der 12-jährige Junge kam wegen einer rezidivierenden Makrohämaturie mit linksseitigen Flankenschmerzen in die Klinik. Eine Urolithiasis sei zuvor bereits ausgeschlossen worden. Die Anamnese hinsichtlich Traumata, Infektionen, Diarrhöe, Gerinnungsstörungen, Manipulationen oder Medikamenteneinnahmen sei unauffällig gewesen, berichten die Ärzte.
Ähnliche Symptome habe der Junge zwei Jahr zuvor schon einmal gehabt, damals ausgelöst durch wiederholtes „Salto-Schlagen“ im Meerwasser. Zum Zeitpunkt der aktuellen Vorstellung sei der Junge „leidenschaftlich gerne Trampolin“ gesprungen. Während der beiden Episoden habe er, so die Autoren, einen deutlichen Wachstumsschub durchgemacht.
Klinische und apparative Untersuchung
Bei der Untersuchung hat sich ergeben:
Akute linksseitige Flankenschmerzen, unter den Schmerzepisoden wiederholt ausgeprägte Makrohämaturie, sonst unauffällig,
Aufnahmelabor und auch Gerinnungsstatus unauffällig, kein von-Willebrand-Syndrom; C3- und C4-Kompliment sowie Antistreptolysin-O-Titer im Serum normwertig,
ANCA, Anti-PR3 sowie Anti-MPO negativ,
Urinstatus bei Aufnahme: Mikrohämaturie und Proteinurie, minimale Leukozyturie, sterile Urinkultur,
24-h-Sammelurin am 3. Aufnahmetag unauffällig (bei sistierender Hämaturie),
Urosonographie: Beide Nieren unauffällig, in der Harnblase Sedimentation mit Verdacht auf Koagelbildung,
Abdomen-MRT am Aufnahmetag: keine Raumforderung, jedoch bildmorphologische Zeichen eines „anterioren Nussknackersyndroms“,
MR-Angiographie: keine arteriovenöse Fistel, aber ebenfalls Zeichen des „Nussknackersyndroms“; dabei wird die linke Nierenvene zwischen der anterior verlaufenden A. mesenterica superior und der dorsal gelegenen Aorta abdominals eingeengt, wodurch sich der venöse Abfluss der linken Niere komprimiert wird.
Ergänzende Duplexsonographie: Sowohl die knapp sechsfach höhere Flussgeschwindigkeit im komprimierten Anteil der Nierenvene als auch das Verhältnis der Diameter von 4,1:1 (5,7 vs. 1,4 mm; Norm < 4,2:1 bzw. < 3,7:1) sprachen laut Cox und seinen Kollegen für ein relevantes Nussknackersyndrom.
Therapie und Verlauf
Die behandelnden Ärzte entschlossen sich zur konservativen Therapie, wobei sich die Beschwerden unter Schonung deutlich verringerten. Gleichzeitig erhielt der Patient eine adäquate Analgesie. Die Nierenfunktion blieb stabil.
Außer zu einer Gewichtszunahme sei zu einem Verzicht auf das Trampolin-Springen geraten worden. Der junge Patient sei inzwischen seit 12 Monaten beschwerdefrei, heißt es in der Veröffentlichung.
Eine duplexsonographische Kontrolle zu diesem Zeitpunkt bestätigte die Maturationstendenz. Das Verhältnis der Durchmesser des komprimierten zum dilatierten Anteil der Nierenvene lag nun bei 1,8:1 (4,5 vs. 2,5 mm). Nur das Verhältnis der Flussgeschwindigkeiten sei mit 4,2:1 (71 vs. 17 cm/s) noch grenzwertig erhöht gewesen, schreiben die Ärzte.
Empfehlungen für die Praxis
Das Nussknackersyndrom ist den Autoren zufolge eine seltene Differentialdiagnose einer Makrohämaturie, das oft erst nach einiger Zeit diagnostiziert wird. Eine genaue Aussage zur Prävalenz sei allerdings derzeit nicht zu treffen, heißt es im Beitrag.
Am höchsten sei die Inzidenz in der 2. Lebensdekade sowie im mittleren Erwachsenenalter. Das rasche Wachstum sowie die Entwicklung der Wirbelkörper in der Pubertät scheinen nach Angaben von Cox und Kollegen einen spitzen aortomesenterialen Winkel zu begünstigen.
Dieses klassische, anteriore Nussknackersyndrom werde vom sehr seltenen posterioren Syndrom unterschieden, bei dem es zu einer Kompression der Nierenvene zwischen der Aorta und dem Wirbelkörper komme. Die Symptome seien jedoch identisch, berichten die Ärzte.
Außer den klassischen Symptomen Mikro-/Makrohämaturie, Flanken- und/oder Beckenschmerzen sowie Proteinurie könne die venöse Stauung auch zu einer Varicocele testis bzw. im fortgeschrittenen Stadium insbesondere bei Frauen zum pelvinen Stauungssyndrom führen.
Die diagnostischen Möglichkeiten seien vielfältig und variabel. Bei unklarem Befund einer Duplexsonographie könne die MR-Angiographie ergänzend eingesetzt werden.
Bei hoher Spontanmaturationsrate sollte insbesondere bei Kindern sowie Patienten mit geringer Symptomatik primär konservativ behandelt werden. Kinder sollten mindestens 24 Monate beobachtet werden, da eine Spontanmaturationsrate von über 75% besteht.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
Credits:
Photographer: © Mariakray
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Fall: Dieser 12-jährige Trampolin-Springer ohne Verletzung hat Blut im Urin und Schmerzen – woran könnte es liegen? - Medscape - 28. Apr 2022.
Kommentar