Gefährlicher Katzen-Kot: Führt die Liebe zum hauseigenen Stubentieger für Kinder später zu einem erhöhten Psychose-Risiko?

Kelli Whitlock Burton

Interessenkonflikte

11. Juli 2022

Kinder, die mit einer Freigängerkatze aufwachsen, haben ein erhöhtes Risiko, im Erwachsenenalter eine Psychose zu erleiden. Dies gilt jedoch nur für Jungen bzw. Männer, wie neue Forschungsergebnisse zeigen. Die Studie wurde am 30. Januar im Journal of Psychiatric Research publiziert [1].

Die Forschenden fanden heraus, dass Jungen, die Katzen besaßen, welche im Wesentlichen im Freien lebten, ein nur gering, aber dennoch signifikant erhöhtes Risiko für psychotische Ereignisse im Erwachsenenalter hatten. Dies im Vergleich zu Altersgenossen, die in ihrer Kindheit keine Katze oder eine Hauskatze hatten.

Dr. Vincent Paquin

Als Risikofaktor steht allerdings nicht die Katze selbst in Verdacht, sondern auf die Exposition gegenüber Toxoplasma gondii (T. gondii). Dieser verbreitete Parasit wird von Nagetieren übertragen und ist manchmal im Katzenkot zu finden. Die Studie ergänzt somit die zunehmenden Hinweise darauf, dass eine Exposition gegenüber T. gondii ein Risikofaktor für Schizophrenie und andere psychotische Störungen sein kann.

„Dies sind zwar nur kleine Evidenzen. Aber es führt zu dem interessanten Gedanken, dass es sich um eine Kombination von Risikofaktoren handeln könnte“, sagte Dr. Vincent Paquin, Psychiater an der McGill University und Hauptautor der Studie gegenüber Medscape.

„Und auch wenn das individuelle Risiko gering sein mag, sind Katzen und Toxoplasma gondii in unserer Gesellschaft doch so präsent, dass diese Frage für die öffentlichen Gesundheit relevant werden könnte, wenn man die vielen kleinen potenziellen Auswirkungen zusammennimmt.“

Inkonsistente Evidenzen

Etwa 30% aller Menschen sind mit T. gondii infiziert. In der Regel wird es durch Katzen übertragen. Die meisten Infektionen verlaufen asymptomatisch. Die von T. gondii verursachte Toxoplasmose ist jedoch mit einem erhöhten Risiko für Schizophrenie, Selbstmordversuche und – wie man jüngst herausgefunden hat – auch mit leichten kognitiven Störungen verbunden.

Obwohl einige Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen Katzenbesitz und einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen zeigen, sind die Studienergebnisse uneinheitlich.

„Die Evidenzen für den Zusammenhang zwischen Katzenbesitz und der Ausprägung von Psychosen sind uneinheitlich. Wir wollten daher untersuchen, ob bestimmte Faktoren oder Kombinationen von Faktoren diese uneinheitliche Evidenzlage erklären könnte“, so Paquin.

Erhöhtes Risiko für Jungen

Für die Studie füllten 2.206 Personen zwischen 18 und 40 Jahren den Community Assessment of Psychic Experiences (CAPE-42) aus. Hinzu kam ein Fragebogen, bei dem es darum ging, ob zu irgendeinem Zeitpunkt in der Kindheit bis zum 13. Lebensjahr eine Katze zum Haushalt gehörte und wenn ja, ob diese ausschließlich im Haus lebte (nicht jagend) oder auch im Freien war (Nager jagend). Zudem wurden die Teilnehmenden zur Häufigkeit der Wohnortswechsel bis zum 15. Lebensjahr, nach Geburtsdatum und -ort, nach Kopftraumata zu irgendeinem Zeitpunkt und nach dem Nikotinkonsum befragt.

Dr. Suzanne King

Der Besitz einer Freigängerkatze war bei den männlichen Teilnehmern mit einem höheren Psychoserisiko verbunden als keine Katze als Haustier bzw. eine nur innerhäuslich lebende Katze. Als die Untersuchenden Kopftraumata und Wohnortwechsel zum Besitz einer Freigängerkatze hinzufügten, war das Psychoserisiko nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen erhöht.

Unabhängig vom Besitz einer Katze waren jüngeres Alter, mehr als 3 Umzüge in der Kindheit, ein Kopftrauma in der Vorgeschichte und das Rauchen mit einem höheren Psychoserisiko verbunden.

Die Studie war nicht darauf ausgelegt, mögliche biologische Mechanismen zu erforschen, welche die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Psychoserisiko von Personen, die mit Freigängerkatzen aufgewachsen sind, erklären könnten. Allerdings finde sich „möglicherweise in der Literatur zu Tiermodellen eine Erklärung, wonach die neurobiologischen Auswirkungen der Parasitenexposition beim männlichen Geschlecht größer sein könnten“. Das sagt die Hauptautorin Dr. Suzanne King, Psychiaterin an der McGill University, gegenüber Medscape.

Diese neue Studie ist Teil des umfangreichen Langzeitprojekts EnviroGen, das von King geleitet wird. Damit soll umweltbedingten und genetischen Risikofaktoren der Schizophrenie nachgegangen werden.

Bestätigung erforderlich

Dr. E. Fuller Torrey gehörte zu den ersten Forschern, die einen Zusammenhang zwischen Katzenhaltern, T.-gondii-Infektion und Schizophrenie feststellten. Er kommentiert die Ergebnisse für Medscape mit folgenden Worten: „Diese Studie ist eine interessante Ergänzung zu den bisherigen Untersuchungen zu Hauskatzen in der Kindheit als Risikofaktor für Psychosen.“

Von den etwa 10 veröffentlichten Studien zu diesem Thema deutet etwa die Hälfte auf einen Zusammenhang zwischen Katzenbesitz und Psychose im späteren Leben hin, sagt Torrey, Leiter der Forschungsabteilung am Stanley Medical Research Institute in Rockville, Maryland, USA.

„Die kanadische Studie ist insofern interessant, als es sich um die erste Studie handelt, in der zwischen dem Halten von Freigängerkatzen und im Haus lebenden Katzen unterschieden wird. Die Ergebnisse dabei waren ja nur für die Freigänger positiv“, so Torrey weiter.

Die Studie weise jedoch laut Torrey Einschränkungen auf. Dazu gehörten der retrospektive Ansatz und die Verwendung eines Fragebogens zur Selbstauskunft, um psychotische Erfahrungen im Erwachsenenalter zu bewerten.

Dr. James Kirkbride, Psychiater und Epidemiologie am University College in London, weist auf dieselben Einschränkungen hin. Er ist auch Autor einer Studie aus dem Jahr 2017, die keinen Zusammenhang zwischen Katzenbesitz und schweren psychischen Erkrankungen zeigte. Die Studie umfasste fast 5000 Personen, die 1991 oder 1992 geboren wurden und bis zum Alter von 18 Jahren beobachtet wurden. In dieser Studie gab es keinen Zusammenhang zwischen Psychose und Katzenbesitz während der Schwangerschaft oder im Alter von 4 oder 10 Jahren.

„Forschende sind seit langem von der Idee fasziniert, dass Katzenbesitz die psychische Gesundheit beeinflussen könnte. Mit dieser Studie jagen sie aber möglicherweise ihrem eigenen Schwanz hinterher“, sagt Kirkbride.

„Der Nachweis eines solchen Zusammenhangs ist auf bestimmte Untergruppen beschränkt, ohne dass es eine solide theoretische Grundlage dafür gibt, warum dies der Fall sein könnte“, fügt er hinzu. „Die retrospektive und querschnitthafte Natur der Erhebung macht es auch denkbar, dass die Ergebnisse durch unterschiedliche Erinnerungsverzerrungen (recall bias) sowie durch die allgemeinen Probleme des Zufalls und unerkannte Störfaktoren beeinflusst wurden.“

King hält dem entgegen, dass die Forschenden in ihrer Studie auf die Möglichkeit einer Erinnerungsverzerrung hingewiesen hätten, aber „da die Expositionen relativ objektiv und sachlich sind, glauben wir nicht, dass das Potenzial einer Erinnerungsverzerrung erheblich ist“, sagt sie.

„Allerdings sehen wir die Notwendigkeit, dass die Ergebnisse in prospektiven, repräsentativen populationsbasierten Kohorten wiederholt werden müssen. Das wird entscheidend dafür sein, ob sich genauere Schlussfolgerungen daraus werden ziehen lassen“, fügt sie hinzu.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus https://www.medscape.com/viewarticle/969852 übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....