Viele Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland wollen in der Ukraine oder den Nachbarstaaten bei der Behandlung von Kranken und Kriegsverletzten helfen. Über 1100 Mediziner hätten sich in einem extra dafür eingerichteten Onlineportal der Bundesärztekammer registriert, meldet das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Laut Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt sei die Resonanz auf einen entsprechenden Aufruf der BÄK sehr beeindruckend. Dies zeige, „wie groß die Solidarität in der Ärzteschaft mit den Menschen in der Ukraine ist“.
Reinhardt zufolge sei die Bundesärztekammer gegenwärtig mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesgesundheitsministerium und den Botschaften der Ukraine und der Anrainerstaaten im Gespräch, wie die Ärztinnen und Ärzte so sinnvoll wie möglich eingesetzt werden könnten, heißt es in dem Bericht des RND weiter. Für Einsätze in der Ukraine selbst müsse die Sicherheit gewährleistet sein. „Wir sind aber vorbereitet. Sobald uns die Regierung Bedarf für Einsätze im Rahmen internationaler humanitärer Missionen meldet, können wir ausreichend Ärztinnen und Ärzte vermitteln“, zitiert das RND den Präsidenten der Bundesärztekammer.
Typisch für Kriegsverletzungen: Blutungen nach außen
nsbesondere die medizinische Versorgung von Patienten mit Kriegsverletzungen ist eine große Herausforderung. Welche speziellen Anforderungen an Ärztinnen und Ärzte es dabei gibt, hat kürzlich Prof. Dr. Benedikt Friemert vom Bundeswehr-Krankenhaus Ulm im Gespräch mit Coliquio erklärt.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Kriegsverletzung und einem Polytrauma nach einem Verkehrsunfall etwa sei „die Blutung aus dem Körper heraus“, so der Leiter der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie.
In Deutschland passierten zumeist Verkehrsunfälle oder Stürze, was zu sogenannten „stumpfe Verletzungen“ führe. Verbluten sei hier nicht sehr häufig. Es gebe eher Verletzungen an der Wirbelsäule oder Schädel-Hirn-Traumata, beziehungsweise innere Blutungen. Schuss- oder Stichverletzungen machen laut Friemert in Deutschland nur ungefähr 5% aus, die restlichen 95% seien stumpfe Verletzungen.
Gerade bei Kriegsverletzungen gilt: Zeit ist Leben
Bei Kriegsverletzungen hingegen, etwa durch ein Schrapnell, sei der „Körper eröffnet, es komme zur Blutung nach außen. Friemert: „Wir wissen aus den Einsätzen der Bundeswehr, dass ungefähr nach 45 Minuten die Hälfte der Verletzten verbluteten. Deshalb spielt Zeit die überragende Rolle.“
Kriegsverletzungen verursachten außerdem erhebliche Destruktionen des Körpers, was auch bedeute, dass Anteile des Körpers wie Muskulatur, Knochen, Sehnen oder sonstige Strukturen durchaus fehlen könnten.
Nach Explosionen komme es durch unterschiedliche Verletzungsmechanismen meist zu multiplen Verletzungen, die den gesamten Körper betreffen könnten, erklären auch Chirurgen des Berliner Bundeswehrkrankenhauses in einem kürzlich erschienenen Fachzeitschriftenbeitrag. Während hohe Druckspitzen und Hitzeeinwirkung vor allem im Nahbereich einer Detonation zu schweren Verletzungen und Organschäden führen könnten, stellten Splitter auch über weitere Entfernungen eine erhebliche Bedrohung für Explosionsopfer dar.
Von besonderer Bedeutung für die medizinische Versorgung von typischen „Kriegsverletzungen” sind laut Friemert demnach insbesondere die notfallmedizinischen und traumatologischen Fachgebiete. Zudem sei das Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie essenziell, da außer körperlichen Folgen einer Kriegsverletzung auch psychische Folgen auftreten könnten, die behandlungsbedürftig seien und entsprechend spezifische wehrmedizinische Kenntnisse erforderten.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Große Solidarität in der Ärzteschaft: Über 1.100 Mediziner aus Deutschland wollen in der Ukraine helfen - Medscape - 20. Apr 2022.
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