Gegen Renditejagd, Spekulationen, Geldverschwendung: Ärztekammer und Virchowbund fordern Regelungen für private Investoren-MVZ

Christian Beneker

Interessenkonflikte

13. April 2022

Der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte (Virchowbund) und die Ärztekammer Berlin (ÄKB) fordern ein Gesetz gegen die Spekulation“ mit Arztpraxen. Denn „die Renditejagt verschärft sich“, so der Virchowbund.

Vor allem Augen-, Zahnarzt- und Nephrologie-Praxen gerieten ins Visier von Investoren, aber auch Hausarztpraxen und würden zum Spekulationsobjekt, erklärt der Virchowbund zur Begründung. Möglich wurden die Spekulationen durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von 2015, das auch fachgleiche MVZ erlaubt.

Gleichzeitig gebe es deutliche Hinweise, „dass MVZ-Ketten in Investorenhand die Behandlungskosten in die Höhe treiben, ohne die Qualität der Versorgung zu verbessern. Oft sogar im Gegenteil“, so der Virchowbund, der sich unter anderem auf eine Recherche der ARD und des NDR bezieht.

Der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich, betonte: „Investoren erwarten Gewinn, Rendite. Dieses Geld muss im Gesundheitswesen erst verdient werden – auch auf dem Rücken der Versicherten.“

Verlässliche Zahlen fehlen

Das Problem der Kritik: Es gibt bisher keine vollständigen, verlässlichen Zahlen. Der ARD/ NDR-Recherche hat immerhin zutage gefördert, dass in Deutschland rund 500 investorengeführte Augenarztpraxen arbeiten. Ein Londoner Investor habe seit 2019 in Schleswig-Holstein so viele Augenarztpraxen aufgekauft, dass allein in Kiel rund die Hälfte aller Augenarztpraxen nun zu der Kette „Sanoptis“ gehört.

Eine Studie des IGES-Institutes aus dem Jahr 2020 für die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZBV) zeigt: Zwischen 2015 und 2020 sei die Zahl der Investoren-MVZ in der Zahnmedizin von 11 auf 207 (im 1. Quartal 2020) gestiegen. „Dabei handelt es sich vor allem um Aufkäufe bereits bestehender Praxen“, so das IGES-Institut.

Wie die Spekulation mit MVZ stoppen?

Man habe bereits vor Jahren einen Katalog an möglichen Gegenmaßnahmen auf den Tisch gelegt, um die investorengeführten MVZ einzudämmen, so der Virchowbund. „Die Politik muss ihn nur aufgreifen und sowohl Patienten als auch inhabergeführte Arztpraxen endlich besser schützen.“

So fordert der Virchowbund unter anderem ein Transparenzregister für Medizinische Versorgungszentren. Jeder Patient müsse erkennen können, wohin die Honorare der behandelnden Ärzte eines MVZ fließen. So müsste der „wirtschaftlich Berechtigte“ auf dem Praxisschild ausgewiesen sein.

Außerdem sollen MVZ-Neugründungen nur noch als gGmbH möglich sein. „Dadurch werden sie per Rechtsform auf Gemeinnützigkeit verpflichtet. Zum Beispiel dürfen dann keine hohen Renditen mehr an Anleger ausbezahlt werden“, teilt der Bund mit.

Der ärztliche Leiter müsse zudem Mitglied der Geschäftsführung und ein Vertragsarzt sein. Die Regelungen zur maximalen Anzahl angestellter Ärzte für Vertragsärzte sowie der maximalen Anzahl der Tätigkeitsorte müssen begrenzt werden, so der Virchowbund. Es müsse eine Maximalzahl von Vertragsärzten („Obergrenze“) festgelegt werden. Vor allem müsse die Selbständigkeit „privilegiert werden, um Wettbewerbsgleichheit mit finanzstarken Investoren herzustellen“.

Um die schiere Spekulation mit raschen Wiederverkäufen zu verhindern, schlägt der Virchowbund außerdem vor, MVZ-Trägern die Zulassung entziehen, wenn innerhalb von 5 Jahren die Mehrheit der Gesellschaftsanteile verkauft wird oder die wirtschaftlich berechtigten Personen wechseln.

Ärztekammer sieht private Investoren auch als Kostentreiber

Auch die Ärztekammer Berlin (ÄKB) fordert, „weiteren Übernahmen durch industrielle Fremdinvestoren oder Private-Equity-Gesellschaften entschieden entgegenzutreten“. Dr. Matthias Bloechle, Vizepräsident der Berliner Ärztekammer, forderte, dass „Ärztinnen und Ärzte, die selbstständig vertragsärztlich tätig sein wollen, bei der Nachfolgeregelung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen bevorzugt eine Zulassung erhalten“ sollen.

Bloechle verwies auf die IGES-Studie. Sie hat festgestellt, dass zahnmedizinische Investoren-MVZs bei chirurgischen Leistungen und beim Zahnersatz höhere Umsätze als Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften generierten. Dieser Umstand könnte auf Mengenausweitung zurückzuführen sein. Das heißt, die Investoren-geführten MVZ könnten mit dem Ziel höherer Renditen mehr Leistungen als nötig erbracht haben. Deshalb fordert auch Bloechle „eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um die derzeitige Entwicklung zu stoppen“, so Bloechle.

 

Kommentar

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