Lust auf ein neues Leben mit Mitte 50? Drei Szenarien für Praxisärzte, die sich beruflich verändern wollen

Hans-Joachim A. Schade

Interessenkonflikte

13. April 2022

Die Erfahrung zeigt, dass mit etwa Mitte 50 für viele Niedergelassene ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Wer Lust auf Veränderung hat, überlegt dann oft auch, sich beruflich zu verändern. Der Fachanwalt für Medizinrecht Hans-Joachim Schade von der Rechtsanwaltskanzlei Broglie, Schade & Partner erläutert verschiedene Szenarien, die Ärztinnen und Ärzte haben.

Mit 55 Jahren erwägen viele erfolgreiche Ärztinnen und Ärzte in Selbstständigkeit eine Veränderung in ihrem Berufsleben. Die Aufbauphase der Praxis ist vollendet. Kredite sind abbezahlt. Die Arbeitsbelastung ist jedoch oft groß, und auch im Familienleben ändern sich dann nochmal die Prioritäten. Zudem lockt das Finanzamt mit einem Freibetrag für den Erlös beim Praxisverkauf. Doch damit nicht genug.

Stefanie Pranschke-Schade

Seit über 2 Jahren prägt Corona nun den ärztlichen Alltag. Hinzu kommt das Dauerbrenner-Thema Telematik-Infrastruktur. Nun überlagern Ukrainekrieg, Flüchtende aus Osteuropa, Energiekrise, Inflation und Personalengpässe den Diskurs.

Zeitgleich geraten die schon angespannten öffentlichen Finanzmittel für das Gesundheitswesen weiter unter Druck. Beitragserhöhungen für die GKV-Versicherten und harte Honorarverhandlungen zeichnen sich bereits ab. Kurz: Viele bisher stabil eingeschätzte Vorannahmen implodieren geradezu. Was also tun?

Option Praxisverkauf: Investitionen in Arztpraxen bleiben attraktiv

Die Prognosen für den künftigen Verlauf des wirtschaftlichen Geschehens sind, gelinde gesagt, uneinheitlich. Wegen der Gefahr einer Rezession wird der Zugang zu Geld wohl weiter günstig bleiben. Bei weniger Anlagemöglichkeiten auf dem Aktienmarkt, wird das Gesundheitswesen für Kapitalanleger weiter ein sicherer Hafen für Investitionen und stabile Renditen sein.

Die gute Nachricht lautet also: Die Praxisverkaufspreise werden vermutlich weiter hoch bleiben. Dennoch werden investitionswillige Akteure in einigen Fällen erstmal abwarten. Diese Entwicklungen im Hinterkopf, gilt es die Vor- und Nachteile für den ärztlichen Alltag zu bedenken, die mit einer Veränderung einhergehen.

Option Anstellung: Weniger Verantwortung, weniger Gestaltungsfreiraum

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind daran gewöhnt, frei und spontan über ihre Finanzen zu verfügen, sei es für neue Praxistechnik oder Personal zur Entlastung oder Expansion. Sind Sie bereit, diese Gestaltungsfreiheit aufzugeben?

Für jede Anschaffung, Reparatur, Ablaufmodifikation im Praxisalltag müssen angestellte Führungskräfte schließlich die Regeln aus vorheriger Budgetplanung und Beantragung über die zuständigen Stellen einhalten. Je stärker dabei die personelle Kontinuität und das Vertrauensverhältnis zu den betriebswirtschaftlichen Mitentscheidern ist, desto höher die Arbeitszufriedenheit der ärztlichen Führungskräfte.

Ein Manko für den Aufbau des Vertrauensverhältnisses: Bei den großen privaten Krankenhausketten und Investoren-MVZ ist ein ständiger Wechsel der kaufmännischen Geschäftsführer alle 2 Jahre zu beobachten. Das gilt es bei einer Verkaufsabsicht zu berücksichtigen.

Option Fusion: Gemeinsam ist man stärker, wenn die Kommunikation stimmt

Eine zeitliche Entlastung, Kostensenkung oder Expansion kann auch durch den Zusammenschluss mit Kollegenpraxen entstehen. Wichtig ist dann jedoch – gleichzeitig mit der Fusion –, konkret die Bedingungen für den künftigen Ausstieg festzulegen.

Ob diese Rahmenbedingungen in 10 Jahren auch tatsächlich eintreten oder den Arztkollegen als Anteilserwerbern gesundheitlich etwas geschieht, ist schwer abzusichern.

Abwägung zwischen Sicherheit heute und künftiger Gestaltungsfreiheit ist immer schwierig

Je genauer und konkreter ein selbstständiger Arzt ab 55 Jahren seine Optionen abwägt, desto eher ergibt sich für ihn die richtige Entscheidung. Die Erfahrung zeigt, dass es lohnt, in diesen Prozess auch Ehepartner, Familie und Praxiskollegen miteinzubinden.

Mein Tipp: Notieren Sie sich Ihre Überlegungen, bedenken Sie emotionale Belange, haben Sie juristische Aspekte im Blick und visualisieren Sie mögliche Zukunftsszenarien.

Dieser Artikel ist im Original erschienen am 4. April 2022 auf  Coliquio.de .
 

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