Die Angst vor Rezidiven; neue Immuntherapien zugelassen; Brustkrebs-Therapien und Herzrisiken; Zervixkarzinom und HPV-Infektion

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

12. April 2022

Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um 2 Phase-3-Studien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren, die jeweils zu einer Erweiterung der FDA-Zulassung der Substanzen geführt haben: Nivolumab kann nun zusammen mit Chemotherapie als neoadjuvante Therapie bei frühem resezierbarem NSCLC eingesetzt werden und Pembrolizumab kann auch bei Melanomen im Stadium IIB und IIC adjuvant gegeben werden – in den USA.

Zervix-Karzinompatientinnen mit HPV-Nachweis haben eine bessere Prognose, aber mit dem normalen PCR-Test werden nicht alle HPV-Infektionen erkannt. Modifizierte Zelltherapien wie CAR-T-Zellen werden immer häufiger eingesetzt – eine retrospektive Analyse aus Houston hat nun ergeben, dass es nach einer solchen Therapie nicht vermehrt zu Sekundärtumoren kommt.

  • Lungenkarzinom: Neoadjuvantes Nivolumab plus Chemotherapie besser als neoadjuvante Chemotherapie allein

  • Stadium-II-Melanom: Adjuvantes Pembrolizumab senkt Rezidivrisiko

  • Mammakarzinom: Bestimmte Therapien mit höherer Inzidenz kardialer Erkrankungen assoziiert

  • Zervixkarzinom: HPV-Infektion bestimmt Prognose

  • Modifizierte Zelltherapien: Kein erhöhtes Risiko für weitere maligne Erkrankungen

  • Krebs: Angst vor Rezidiven bei Patienten und Überlebenden

Lungenkarzinom: Neoadjuvantes Nivolumab plus Chemotherapie besser als neoadjuvante Chemotherapie allein

Bei Patienten mit resezierbarem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) führt die zusätzliche Gabe von Nivolumab zur Chemotherapie in der Neoadjuvans zu einem signifikant längeren Ereignis-freien Überleben und einem besseren kompletten pathologische Ansprechen als die neoadjuvante Chemotherapie allein.

Dieses Ergebnis der CheckMate-816-Studie wurde beim AACR Annual Meeting am 11. April 2022 in New Orleans vorgestellt und parallel im New England Journal of Medicine publiziert.

In der internationalen offenen Phase-3-Studie wurden zwischen März 2017 und November 2019 Patienten mit resezierbarem NSCLC im Stadium IB bis IIIA vor der Operation randomisiert mit Nivolumab plus 3 Zyklen Platin-haltiger Chemotherapie (n=179) oder nur mit Platin-haltiger Chemotherapie (n=179) behandelt.

Die beiden primären Endpunkte Ereignis-freies Überleben und Rate an pathologischen Komplettremissionen waren bei zusätzlicher Gabe von Nivolumab jeweils signifikant besser.

Nach einem Follow-up über mindestens 21 Monate betrug das Ereignis-freie Überleben 31,6 Monate in der Nivolumab-Gruppe und 20,8 Monate in der Chemotherapie-Gruppe (Hazard-Ratio 0,63, p=0,005). Dieser Vorteil von Nivolumab war auch bei Adjustierung an die optionale adjuvante Behandlung nachzuweisen.

24,0% der Patienten in der Nivolumab-Gruppe und 2,2% in der Chemotherapie-Gruppe erreichten ein pathologisch komplettes Ansprechen (p<0,001).

Die zusätzliche Gabe von Nivolumab führte nicht zu vermehrten Nebenwirkungen und hatte keinen Einfluss auf die Operation.

Auf der Basis dieser Studienergebnisse hat die amerikanische FDA am 4. März 2022 die Kombination von Nivolumab mit Chemotherapie zur neoadjuvanten Therapie von Erwachsenen mit resezierbarem NSCLC zugelassen.

Stadium-II-Melanom: Adjuvantes Pembrolizumab senkt Rezidivrisiko

Bei Patienten mit einem malignen Melanom im Stadium II senkt eine adjuvante Therapie mit dem PD1-Inhibitor Pembrolizumab das Risiko für ein Rezidiv um 35% nach einem medianen Follow-up von 14,4 Monaten und um 39% nach einem medianen Follow-up von 20,2 Monaten.

Dies ergaben die erste und zweite Interimsanalyse der Phase-3-Studie KEYNOTE-716, die eine internationale Arbeitsgruppe im Lancet publiziert hat. Die Ergebnisse der ersten Zwischenanalyse waren bereits im September bei ESMO-Kongress präsentiert worden (wie Medscape berichtete).

In der Phase-3-Studie KEYNOTE-716 erhielten 976 Patienten im Alter ab 12 Jahren nach kompletter Resektion eines Melanoms im Stadium IIB oder IIC ohne Befall des Sentinel-Lymphknotens randomisiert bis zu einem Jahr Pembrolizumab (n=487) oder Placebo (n=489).

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14,4 Monaten senkte die adjuvante Therapie mit Pembrolizumab das Risiko für den primären Endpunkt rezidivfreies Überleben (RFS) im Vergleich zu Placebo signifikant um 35% (p=0,0066). 54 (11%) von 487 Patienten in der Pembrolizumab-Gruppe und 82 (17%) von 489 Patienten in der Placebo-Gruppe erlitten ein Rezidiv oder starben (Hazard Ratio [HR] 0,65, p=0,0066).

Bei der zweiten Interimsanalyse mit einem medianen Follow-up von 20,9 Monaten wiesen 72 (15%) Patienten in der Pembrolizumab-Gruppe und 115 (24%) in der Placebo-Gruppe ein erstes Rezidiv auf oder waren verstorben (HR 0,61). Das mediane rezidivfreie Überleben wurde in keiner der Gruppen zu beiden Bewertungszeitpunkten erreicht.

Geschätzt wurde eine rezidivfreie Überlebensrate nach 18 Monaten von 86% bei Behandlung mit Pembrolizumab und 77% für Placebo.

Die Rate an Nebenwirkungen war in der Pembrolizumab-Gruppe deutlich höher.

Die Ergebnisse der Studie führten zur FDA-Zulassung von Pembrolizumab für die adjuvante Therapie von Melanomen im Stadium IIB oder IIC.

Mammakarzinom: Bestimmte Therapien mit höherer Inzidenz kardialer Erkrankungen assoziiert

Frauen mit Brustkrebs, die mit Anthrazyklinen und/oder Trastuzumab behandelt worden sind, haben im Vergleich zu gesunden Vergleichspersonen ein höheres Risiko, an einer Herzinsuffizienz oder Kardiomyopathie zu erkranken. Auch bei Frauen, die eine Bestrahlung oder Aromatasehemmer erhalten hatten, war das Risiko für eine Herzerkrankung im Vergleich zu gesunden Vergleichspersonen erhöht. Diese Daten hat eine amerikanische Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology publiziert.

Viele Studien hatten schon gezeigt, dass Frauen mit Mammakarzinom ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen haben. Die hierfür zugrunde liegenden Ursachen sind jedoch noch nicht eindeutig geklärt.

In der derzeit laufenden prospektiven Kohortenstudie Pathways Heart Study im Kaiser Permanente Northern California Health Care System wurden die Daten von 13.642 Brustkrebs-Patientinnen mit den Daten von 68.202 Kontrollpersonen ohne Mammakarzinom verglichen.

Bei einem durchschnittlichen Follow-up von 7 Jahren ergaben multivariable Analysen, dass die Behandlung mit Chemotherapie, Bestrahlung oder endokriner Therapie nicht mit der Inzidenz ischämischer Herzerkrankungen assoziiert war. Allerding war das Risiko für Herzinsuffizienz und/oder Kardiomyopathie bei den Frauen im Vergleich zu gesunden Kontrollen erhöht, die mit Anthrazyklinen (Hazard-Radio 1,84), Trastuzumab (HR 2,53) oder Anthrazyklinen plus Trastuzumab (HR 3,68) behandelt worden waren.

Linksseitige Bestrahlung (HR 1,52), links- oder rechtsseitige Bestrahlung (HR 1,38) und Einnahme von Aromatasehemmern (HR 1,31) waren ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für eine Herzinsuffizienz und/oder Kardiomyopathie im Vergleich zu gesunden Kontrollen verbunden.

Die Befunde dieser Studie legen nahe, Strategien zur Reduktion kardialer Ereignisse bei Frauen nach Brustkrebs-Erkrankung zu entwickeln.

Zervixkarzinom: HPV-Infektion bestimmt Prognose

Von 392 Frauen mit invasivem Zervixkarzinom, deren PCR-HPV-Test negativ war, ergab eine Sequenzierungsanalyse von Tumor-RNA in 169 Fällen doch noch einen positiven HPV-Nachweis. Die kumulative 5-Jahresüberlebensrate der Frauen mit einem Nachweis für einen der 13 am stärksten onkogen wirkenden HPV-Typen (hrHPV) war geringer als bei den HPV-negativen Frauen mit einer um 43% niedrigeren Exzess-Mortalität.

Die schwedische Autorengruppe schreibt im Journal of Clinical Oncology , dass das Deep Sequencing eine sehr zuverlässige Methode zum Nachweis einer HPV-Infektion sei. Der hrHPV-Status sei ein wichtiger Prognosefaktor für die Erkrankung bis zu 15 Jahre nach der Diagnose.

Die Autoren des begleitenden Editorials vertreten die Meinung, dass eine weitere klinische Validierung der hrHPV-Tests erforderlich sei, bevor eine routinemäßige Anwendung empfohlen werden könne.

Modifizierte Zelltherapien: Kein erhöhtes Risiko für weitere maligne Erkrankungen

Patienten mit hämatologischen oder soliden Tumoren, die mit durch Retroviren modifizierten Zelltherapien behandelt worden sind, haben im Vergleich zu Kontrollpatienten ohne diese Therapie keine erhöhte Rate nachfolgender maligner Erkrankungen. Dies ergab eine retrospektive Studie am Baylor College of Medicine in Houston, Texas, deren Ergebnisse in Blood erschienen sind.

Die akuten Nebenwirkungen bei der Behandlung mit modifizierten Immuneffektorzellen, z.B. CAR-T-Zellen, sind gut bekannt. Zu den Langzeit-Nebenwirkungen einschließlich malignen Folgeerkrankungen weiß man dagegen noch wenig. Daher analysierte die texanische Arbeitsgruppe retrospektiv die Daten von 340 Patienten, die in 27 Studien in ihrem Zentrum mit modifizierten Immuneffektorzellen (IEC) behandelt worden waren.

Bei insgesamt 1.027 Jahren Langzeit-Follow-up entwickelten 13 Patienten (3,8%) eine weitere Krebserkrankung mit insgesamt 16 Ereignissen (4 hämatologische und 12 solide Tumore). Ein Test auf Beteiligung von Retroviren war bei allen Patienten negativ. Die Rate der Folgemalignome war mit der einer Chemotherapie vergleichbar.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verabreichung von IECs, die mit retroviralen Gammavektoren genetisch modifiziert worden sind, das Risiko für spätere maligne Erkrankungen nicht erhöht.

Krebs: Angst vor Rezidiven bei Patienten und Überlebenden

Mehr als die Hälfte (59%) der Krebspatienten und Überlebenden leiden mindestens moderat an Angst vor einem Rezidiv. Fast jeder Fünfte (19%) hat starke Angst. Dieses Ergebnis einer Metaanalyse mit 46 Studien aus 13 Ländern hat eine internationale Arbeitsgruppe in Psycho-Oncology publiziert.

Von den 46 Studien wurden 9.311 Teilnehmer in die Hauptanalyse aufgenommen. Mit der Kurzform des Fear of Cancer Recurrence Inventory (FCRI-SF) mit einem Bereich von 0 bis 36 Punkten erreichten 58,5% Teilnehmer einen Score von ≥13, 45,1% von ≥16 und 19,2% ≥22.

Frauen berichteten häufiger über Rezidivängste als Männer. Insgesamt nahmen die Ängste mit zunehmendem Alter der Teilnehmer ab.

Unklar ist nach Aussage der Autoren, wie die Angst vor dem Rezidiv am besten angegangen werden kann. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich um festzustellen, welche Patienten Unterstützung wünschen und wie Interventionen auf verschiedene Ebenen der Angst vor dem Rezidiv und auf individuelle Bedürfnisse und Präferenzen zugeschnitten werden können.

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....