Weltweit haben Forscher in einer Pilotstudie die Behandlung von Essanfällen (Binge Eating) über ein EEG-Neurofeedbacktraining untersucht. Dank des Einflusses auf die elektrische Aktivität des Gehirns konnten Patienten ihre Essanfälle um 60% reduzieren, jeder dritte Studienteilnehmer wurde für mindestens 3 Monate komplett abstinent. Vor der Routineanwendung müsste die Effektivität des Verfahrens in größeren Studien bestätigt werden, schreiben die Autoren [1].
Therapien für die weltweit häufigste Essstörung gesucht
Zum Hintergrund: Binge Eating ist weltweit die häufigste Essstörung. Betroffene nehmen regelmäßig große Mengen an Lebensmitteln zu sich mit dem Gefühl, die Kontrolle über das Essverhalten zu verlieren.
Statistisch erkranken von 1.000 Mädchen und Frauen 28 im Laufe ihres Lebens an Binge Eating, 19 an Bulimie und 14 an Magersucht. Von 1.000 Jungen entwickeln durchschnittlich 10 Binge Eating, 6 Bulimie und 2 Anorexie. Hinzu kommen Mischformen dieser Essstörungen.
Beim Binge Eating sind Veränderungen im Elektroenzephalogramm (EEG) nachgewiesen worden. Dies veranlasste Wissenschaftler der Universität Leipzig, Patienten mit EEG-Neurofeedback zu behandeln. Bei dieser neurokognitiven Intervention wird die EEG-Aktivität in Echtzeit analysiert und auf einem Computerbildschirm, zum Beispiel durch einen sich bewegenden Ball, visualisiert wird. Dadurch erleben Patienten ihre ansonsten nicht spürbare Gehirnaktivität und können sie gezielt verändern.
Studie mit 39 erwachsenen Patienten
Die Forschenden untersuchten ihre Fragestellung anhand einer randomisierten, kontrollierten Studie mit 39 Erwachsenen, bei denen eine Binge-Eating-Störung und Übergewicht diagnostiziert worden war.
Alle Teilnehmer wurden zufällig entweder einem lebensmittelspezifischen EEG-Neurofeedback zugeordnet, das im Gehirn darauf abzielt, die fronto-zentrale Beta-Aktivität zu reduzieren und die Theta-Aktivität nach dem Betrachten von sehr schmackhaften Lebensmittelbildern zu erhöhen. Oder sie waren Teil der Kontrollgruppe mit allgemeinem EEG-Neurofeedback.
Das Studiendesign umfasste eine Wartezeit von 6 Wochen, gefolgt von 6 Wochen EEG-Neurofeedback (10 Sitzungen zu je 30 Minuten) und einer 3-monatigen Nachbeobachtungszeit.
Hohe Abstinenzraten durch Neurofeedback
Beide EEG-Neurofeedback-Trainings, das allgemeine und das nahrungsspezifische, hatten einen therapeutischen Effekt. Der Anteil der Betawellen der Hirnaktivität wurde wie angestrebt reduziert und der der Thetawellen über frontozentrale Hirnregionen erhöht.
Die objektiven Binge-Eating-Perioden mit den entsprechenden „Craving-Phasen“ wurden insgesamt um 60% reduziert. Ein Drittel der Teilnehmer erreichte eine Abstinenz über den Nachbeobachtungszeitraum von 3 Monaten.
Die kognitive Flexibilität bei Exposition gegenüber Nahrung, eines der funktionellen Therapieziele, erhöhte sich lediglich beim nahrungsspezifischen Neurofeedback.
Hinweise auf eine erfolgreiche Intervention
Bleibt als Fazit: Ein EEG-Neurofeedbacktraining hat sich in der Pilotstudie als erfolgversprechende Methode zur Behandlung von Patienten mit Binge-Eating-Störung erwiesen. Das Verfahren wurde sehr gut angenommen und hatte keine Nebenwirkungen.
Klinische Veränderungen weisen auf spezifische Therapieeffekte hin, die über einen reinen Placebo-Effekt hinausgehen, so die Autoren. Nun sind Studien mit größeren Patientenzahlen notwendig, um die Wirksamkeit dieser vielversprechenden Behandlung weiter abzusichern und Wirkmechanismen zu identifizieren.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Therapeutischer Durchbruch bei Binge-Eating-Störungen? Mit spezifischem Neurofeedback die Essattacken stoppen - Medscape - 11. Apr 2022.
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