MEINUNG

Optimismus mit einer Prise Vorsicht: Das neuartige Medikament Mavacamten bei hypertropher Kardiomyopathie

Dr. John Mandrola

Interessenkonflikte

8. April 2022

Das neuartige Medikament Mavacamten scheint ein Fortschritt für Patienten mit symptomatischer hypertropher Kardiomyopathie zu sein. Doch es gibt auch Gründe zur Vorsicht.

Auf der wissenschaftlichen Tagung des American College of Cardiology (ACC) 2022 hat Dr. Milind Desai von der Cleveland Clinic die Ergebnisse der VALOR-HCM-Studie vorgestellt [1]. Seit 6 Wochen wissen wir aus einer Pressemitteilung des Unternehmens, dass die placebokontrollierte Studie ein positives Ergebnis für Mavacamten ergab.

Wir haben heute erfahren, dass die Ergebnisse sehr positiv waren.

An der Studie nahmen 112 Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie teil, die schwere Symptome und eine Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts (LVOT) aufwiesen. Alle Patienten erfüllten Kriterien für eine septale Reduktionstherapie (SRT) mit Myektomie oder eine Alkohol-Septum-Ablation (ASA, ein nicht-chirurgisches Verfahren zur Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie).

Primärer Endpunkt war der Verzicht auf eine SRT nach 16 Wochen, entweder aufgrund einer Entscheidung des Patienten bzw. des Arztes. Oder weil Kriterien für eine SRT nicht mehr erfüllt wurden. Als sekundäre Endpunkte gaben die Autoren auch spezifische klinische und echokardiographische Parameter an.

Patienten in dieser Studie waren schwer erkrankt. Mehr als 90% hatten Symptome der New York Heart Association (NYHA)-Klasse III und einen mittleren Gradienten nach Belastung von mehr als 80 mm Hg. Die meisten erhielten eine Hintergrundtherapie mit β-Blockern, Kalziumkanalblockern oder einer Kombination davon.

Desai wies darauf hin, dass diese Patienten für eine SRT überwiesen worden waren. Tatsächlich betrug die Studiendauer nur 16 Wochen, da es unethisch gewesen wäre, symptomatische Patienten nach dem Zufallsprinzip länger einem Placebo zuzuweisen. Er sagte, das Medikament brauche etwa 4 bis 8 Wochen, um seine Wirkung zu entfalten. Die Patienten könnten sich jederzeit für eine SRT entscheiden.

Resultate aus VALOR-HCM unterstützen den Einsatz von Mavacamten

Die Ergebnisse von VALOR-HCM sprachen eindeutig für Mavacamten. Nur 18% der Patienten in der Mavacamten-Gruppe erreichten den primären Endpunkt, gegenüber 77% der Patienten in der Placebo-Gruppe. Der absolute Risikounterschied betrug 59%. Ausschlaggebend für den Unterschied war, dass Patienten Voraussetzungen für eine SRT nicht mehr erfüllten.

Mavacamten schnitt auch bei klinischen und echokardiografischen Parametern gut ab. Die Verbesserung einer oder mehrerer NYHA-Stadien, des Ruhe-Gradienten im linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT), des LVOT-Gradienten nach Valsalva, des NT-proBNP (n-terminales pro Brain Natriuretisches Peptid) und des Troponin-I-Spiegels sprach für Mavacamten gegenüber Placebo.

Die unerwünschten Wirkungen gaben keinen Anlass zur Sorge. 2 Patienten im Mavacamten-Arm entwickelten eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von weniger als 50%. Laut Desai wurden sie einer Dosistitration unterzogen und blieben in der Studie.

Desai stellte eine interessante Folie zu den Einschränkungen der Studie vor. Er wies darauf hin, dass der primäre Endpunkt durch die Verringerung des Leitlinienanspruchs und nicht durch die Entscheidung, SRT zu vermeiden, bestimmt wurde. Da die Studie nur von kurzer Dauer war, wissen wir nicht, ob das Medikament den Patienten langfristig eine SRT ersparen wird. Er sagte auch, dass VALOR die Sicherheit nicht bewerten könne, etwa Auswirkungen auf Herzrhythmusstörungen und plötzlichen Tod.

Mehr Sicherheitsdaten erforderlich

Eine der Wirkungsweisen von Mavacamten besteht darin, dass die Kraftabgabe der Sarkomere gehemmt und die Kontraktilität verringert wird. Weder VALOR noch EXPLORER sind in der Lage, die Sicherheit über einen längeren Zeitraum zu bewerten. Nach der Zulassung, mit der noch in diesem Monat zu rechnen ist, können Ärzte das Medikament in großem Umfang verordnen.

In einer perfekteren Welt würden wir erwarten und fordern, dass der Hersteller von Mavacamten, Bristol Myers Squibb, eine längerfristige Studie finanziert.

Mein Gefühl sagt mir, dass die Biomarker wie NT-pro-BNP und Troponin tendenziell für Mavacamten sprechen, so dass die Sicherheit wahrscheinlich kein Problem darstellt. Aber es wäre schön, wenn wir mehr Daten als Vermutungen hätten.

Offene Fragen zur Studie

Der primäre Endpunkt wurde durch Patienten bestimmt, die Kriterien für eine SRT nicht mehr erfüllten. Dies könnte auf eine Verringerung der Symptome oder eine Verbesserung der echokardiografischen Parameter zurückzuführen sein. Wenn dies hauptsächlich auf die Verringerung der Symptome zurückzuführen wäre, wäre es entscheidend, dass die Patienten verblindet blieben.

Der Grund: Bei den Patienten in der VALOR-HCM-Gruppe wurden serielle echokardiographische Untersuchungen durchgeführt, die zu häufigen Dosisanpassungen führten. Vermutlich gab es bei den Patienten in der Placebogruppe nur wenige oder gar keine Anpassungen. Könnten Patienten erkennen, dass sie das Studienmedikament erhalten und daher eher dazu neigen, über weniger Symptome zu berichten? Ich hätte gerne eine Tabelle gesehen, in der die Gründe aufgeführt sind, warum die Patienten die Kriterien für eine SRT nicht mehr erfüllen.

Lassen sich Studienergebnisse in die Praxis übertragen?

Studien stellen oft ein optimales Szenario für eine Intervention dar, weil Forscher die idealen Patienten auswählen und sie dann genau beobachten. Dies gilt insbesondere für VALOR-HCM. Patienten wurden in Exzellenzzentren aufgenommen und dann intensiv überwacht und die Dosis titriert. Ich will hier nicht einmal behaupten, dass dies in der Praxis nicht simuliert werden kann.

Ein weiteres Problem der Umsetzung in die Praxis betrifft die Diagnose einer obstruktiven hypertrophen Kardiomyopathie. Experten haben Patienten in diese Studien eingeschrieben. Die Verfügbarkeit eines neuen Medikaments und seine Vermarktung werden das Bewusstsein für die Krankheit schärfen. Ich fürchte, dass Mavacamten auch Menschen mit einem geringeren Krankheitsgrad angeboten wird. Das mag sich vielleicht als klug erweisen, aber es sollte dazu Evidenz für eine breitere Anwendung vorliegen.

Darüber hinaus waren die Ausschlusskriterien von VALOR-HCM streng. Patienten mit Vorhofflimmern und Patienten, die einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator erhalten sollten, nahmen nicht teil. Außerdem mussten die Patienten in der Lage sein, einen Belastungstest durchzuführen, um in die Studie aufgenommen zu werden. Diese 3 Kriterien schließen viele Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie aus.

Massive Effektgrößen – aber nur geringe Studienpopulation

Ein absoluter Risikounterschied von 59% ist die größte Effektgröße, an die ich mich erinnern kann. Eine empirische Auswertung von Studien mit sehr großen Behandlungseffekten hat ergeben, dass solche Ergebnisse oft aus kleinen Studien stammen, und wenn zusätzliche Studien durchgeführt werden, werden die Effektgrößen in der Regel viel kleiner.

Vielleicht ist Mavacamten so gut, aber wir sind dabei, ein Medikament auf der Grundlage von Studiendaten mit weniger als 400 Patienten auf den Markt zu bringen. Das macht mich stutzig.

Der Zugang zu den Rohdaten wäre wichtig

Es wird demnächst eine Veröffentlichung geben. Die Details in einem vollständigen Manuskript und einer Ergänzung werden über die wenigen Folien hinausgehen.

Bristol Myers Squibb hat die Studie gesponsert, finanziert und die statistische Analyse der Studie durchgeführt. Das ist nicht ungewöhnlich. Aber ich freue mich auf die Überprüfung durch die Food and Drug Administration, die Zugang zu den Rohdaten haben wird. Wenn sich die Ergebnisse bestätigen, wird eine solche unabhängige Analyse der Daten das Vertrauen in diesen neuen Wirkstoff stärken.

Bleiben wir optimistisch

Patienten mit fortgeschrittener hypertropher Kardiomyopathie stehen vor schwierigen Entscheidungen. Die Vermeidung der Morbidität einer Septumreduktionstherapie ist ein hervorragendes Ergebnis. Die ersten Daten über den Myosinhemmer Mavacamten sehen vielversprechend aus. Ich bin vorsichtig optimistisch, aber wir müssen noch mehr über die Einzelheiten der Studie und die langfristigen Auswirkungen dieses neuen Medikaments erfahren.

Spannend ist auch, dass die Myosinhemmung ein Klasseneffekt sein könnte. Ein anderer Myosin-Inhibitor ist vielversprechend für die Veränderung der Krankheit bei hypertropher Kardiomyopathie.

Es ist ein gutes Gefühl, optimistisch über einen möglichen Durchbruch bei einer schweren Krankheit zu sein.
 

Kommentar

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