Wenn Praxismitarbeiter krank werden: Alles zur AU-Bescheinigung – und zu Kündigungen

Dr. Nina Mörsch

Interessenkonflikte

6. April 2022

Die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU-Bescheinigung) gehört zu den Standardleistungen einer Arztpraxis. Doch was, wenn die eigenen Mitarbeiter erkranken? Der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte (Virchowbund) beantwortet eine Reihe von rechtlichen Fragen, die sich dann für Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellen [1].

Was müssen erkrankte Arbeitnehmer melden?

Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) bestimmt: Die Krankmeldung muss so schnell wie möglich eingehen. Sobald Arbeitnehmer/-innen merken, dass sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, ihrer Arbeit nachzugehen (z.B. weil sich ein grippaler Infekt andeutet), müssen sie unverzüglich dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin Bescheid geben.

„Der Weg der Benachrichtigung ist nicht vorgeschrieben. Arbeitnehmer können sich per Telefon, E-Mail, SMS oder Messenger krankmelden. Allerdings kann man auch im Arbeitsvertrag eine Vereinbarung dazu treffen“, erklärt Rechtsanwältin Andrea Schannath, die Mitglieder im Virchowbund zum Arbeitsrecht und anderen juristischen Fragen berät.

Sie müssen nicht mitteilen, woran sie erkrankt sind, dafür aber, wie lange die Erkrankung wahrscheinlich andauern wird. Das kann zuerst eine eigene Prognose sein. Nach dem Arztbesuch muss aber die entsprechende ärztliche Einschätzung an Arbeitgeber oder Arbeitgeberin weitergegeben werden.

Dauern die Beschwerden länger als 3 Tage an, muss die erkrankte Person eine AU vorlegen. In der Regel ist eine Krankschreibung also am 4. Tag der Erkrankung fällig. Fällt der AU-Beginn allerdings auf einen Donnerstag, verschiebt sich die Frist um 1 Tag auf den darauffolgenden Montag. Bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit ist ein lückenloses Folgeattest nötig.

 
Der Weg der Benachrichtigung ist nicht vorgeschrieben. Arbeitnehmer können sich per Telefon, E-Mail, SMS oder Messenger krankmelden. Andrea Schannath
 

„Arbeitgeber dürfen allerdings bereits ab dem 1. Krankheitstag ein Attest verlangen. Dazu gibt es ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes“, betont die Virchowbund-Juristin. Sie empfiehlt, die verkürzte AU-Vorlagefrist, sofern sie gewünscht ist, in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Mitglieder im Virchowbund können Vorlagen für diverse Arbeitsverträge in der Arztpraxis kostenlos herunterladen.

Erhalten erkrankte Arbeitnehmende weiter Gehalt?

Alle Mitarbeitenden in der Praxis, von der Auszubildenden bis zum Minijobber, haben während ihrer Erkrankung grundsätzlich Anspruch darauf, den regulären Lohn ausgezahlt zu bekommen. Dazu müssen die Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der ersten Krankschreibung lediglich seit mindestens 4 Wochen in der Praxis angestellt sein. Wird diese Voraussetzung noch nicht erfüllt, springt die Krankenkasse mit Krankengeld ein.

 
Arbeitgeber dürfen allerdings bereits ab dem 1. Krankheitstag ein Attest verlangen. Andrea Schannath
 

Arbeitgebende müssen 6 Wochen lang das volle Gehalt weiterzahlen. Danach wird die Lohnfortzahlung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Dafür sollten die jeweiligen AUs der Krankenkasse schnellstmöglich vorgelegt werden.

Wie genau sich die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zusammensetzt, was sie beinhaltet, was nicht und welche Besonderheiten zu beachten sind, vertieft der Virchowbund in seiner Praxisinfo 19 „Erkrankte Mitarbeiter“.

Dürfen Urlaubstage bei Krankheit nachgeholt werden?

Oft passiert es auch, dass Mitarbeitende im Urlaub krank werden – dann, wenn die tägliche Anspannung und der Druck, „funktionieren zu müssen“, nachlässt. Auch im Urlaub ist eine Krankmeldung möglich, sogar aus dem Ausland.

Die durch Krankheit verpassten Urlaubstage werden gutgeschrieben. Dabei ist laut Virchowbund aber wichtig zu wissen, dass diese Urlaubstage nur für einen neuen Urlaubsantrag genutzt werden können. Der aktuelle Urlaub darf nicht einfach verlängert werden.

Kann man erkrankten Mitarbeitenden kündigen?

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass einem Arbeitnehmer während dessen Arbeitsunfähigkeit nicht gekündigt werden kann. In Wahrheit ist eine Kündigung nicht nur während der Arbeitsunfähigkeit möglich, sondern sogar wegen ihr bzw. wegen der Krankheit. Allerdings muss u.a. eine negative Gesundheitsprognose vorliegen und eine Interessenabwägung stattfinden. Arbeitgeber/-innen sollten vor einer Kündigung ein Gespräch zur betrieblichen Wiedereingliederung anbieten.

Wer Zweifel an der AU eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin hat oder sogar über eine Abmahnung oder Kündigung nachdenkt, sollte sich vor etwaigen Schritten auf jeden Fall juristisch beraten lassen. Mitglieder im Virchowbund können sich dafür kostenfrei an die Rechtsberatung des Verbandes wenden. Nichtmitglieder können sich auf der Webseite detaillierter zu den Themen Krankheit, Abmahnung und Kündigung informieren.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf  Coliquio.de .
 

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