Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 4. April 2022
Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet heute eine bundesweite 7-Tage-Inzidenz von 1.424,6 Fällen pro 100.000 Einwohner. Am Vortag hatte der Wert bei 1.457,9 und vor 1 Woche bei 1.700,6 gelegen. Innerhalb der letzten 24 Stunden meldeten Gesundheitsämter dem RKI 41.129 Neuinfektionen (Vorwoche: 67.501). Weitere 23 Patienten sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der SARS-CoV-2-Opfer auf 130.052.
Laut DIVI-Intensivregister waren am 3. April genau 2.211 COVID-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 2 weniger als am Vortag. Momentan sind 1.057 Betten im Low-Care- und 2.240 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 476 freie ECMO-Behandlungsplätze.
Neues Infektionsschutzgesetz: Diese Regeln gelten seit Sonntag
Allgemeine Impfpflicht: Lauterbach auf der Suche nach Mehrheiten
Fauci: Herdenimmunität bei SARS-CoV-2 nicht erreichbar
COVID-19-Impfung für Blutkrebs-Patienten nicht immer erfolgreich
Wie reagiert das Immunsystem von Kindern auf COVID-19-Erstinfektionen?
Rekonvaleszenzplasma verringert Hospitalisierungsrisiko durch COVID-19
Impfstoffe bieten zusätzlichen Schutz für Rekonvaleszente
Neues Infektionsschutzgesetz: Diese Regeln gelten seit Sonntag
In der Nacht von Samstag auf Sonntag endeten Maßnahmen des vorigen Infektionsschutzgesetztes. Für Bürger bedeutet dies:
Die generelle Maskenpflicht in Innenräumen und die Pflicht, 2G- oder 3G-Nachweise zu erbringen, entfällt.
In Gebieten mit hoher Inzidenz können – nach Landesrecht – schärfere Maßnahmen erlassen werden.
In öffentlichen Verkehrsmitteln sind bundesweit weiter Masken zu tragen.
Das gilt auch für besonders sensible Bereiche wie Krankenhäuser, Pflegeheime oder Arztpraxen, falls Länder entsprechende Regeln verabschieden.
Einzelhandelsbetriebe, Restaurants, Diskotheken oder sonstige Betriebe mit Kundenverkehr können von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und verlangen, dass Kunden Masken tragen.
Kostenlose Bürgertests wird es bis Ende Juni geben.
Die Ampelkoalition hat ihr neues Gesetz bis 23. September befristet.
Alles in allem sollten Bürger selbst mehr Verantwortung übernehmen. „Angela Merkel handelt vorbildlich, wenn sie die Maske im Supermarkt trägt“, schreibt Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter. „Ich werde das auf absehbare Zeit auch tun und empfehle es jedem Kunden. Wir schützen so uns selbst und andere (…).“
Allgemeine Impfpflicht: Lauterbach auf der Suche nach Mehrheiten
Kommenden Donnerstag wird der Deutsche Bundestag in 2. und in 3. Lesung über die allgemeine Impfpflicht entscheiden. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Lauterbachs präferiertes Modell, eine allgemeine Impfplicht ab 18 Jahren, wohl nicht die erforderliche Mehrheit finden könnte. Gespräche zwischen der SPD und der CDU/CSU zum Thema werden als gescheitert betrachtet; ein Kompromiss ist fern.
Gute Chancen räumen Beobachter jedoch dem Antrag, nur Bürger ab 50 zu impfen, ein. Die AfD und Teile der FDP um Wolfgang Kubicki lehnen Impfpflichten generell ab.
Fauci: Herdenimmunität bei SARS-CoV-2 nicht erreichbar
Seit Beginn der Pandemie erklärten viele Experten Herdenimmunität zum Ziel, um COVID-19 zu stoppen. Ein hohes Maß an Herdenimmunität habe etwa dazu geführt, Polio und Masern weitgehend zu kontrollieren – 2 Krankheiten, welche durch Viren ohne signifikante Mutation verursacht würden. Das schreiben Dr. Anthony S. Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), und Kollegen jetzt im Journal of Infectious Diseases. Sie stellen jedoch fest, dass Schwellen für eine Herdenimmunität bei Atemwegsviren wie Influenza, die ständig mutierten, kaum zu erreichen seien. So sei es in den letzten 80 Jahren nicht gelungen, Grippe durch Impfstoffe vollständig zu kontrollieren.
Fauci und seinen Koautoren bewerten SARS-CoV-2 ähnlich: ein Virus, das ständig mutiere, und dessen teils asymptomatische Übertragung Strategien zur Kontrolle der öffentlichen Gesundheit erschwere, wie sie schreiben. Außerdem würden weder frühere Infektionen noch Impfungen dauerhaft vor Neuinfektionen schützen.
Die Autoren stellen jedoch fest, dass die Kontrolle von COVID-19 ohne größere Einschränkungen des Lebens aufgrund der weit verbreiteten Hintergrundimmunität durch vorherige Infektionen oder Impfungen, Auffrischungsimpfungen, antivirale Medikamente, monoklonale Antikörper und diagnostische Tests erreichbar sei. Die Forschung zur Entwicklung von Pan-Coronavirus-Impfstoffen, welche vor mehreren Coronaviren oder zumindest mehreren SARS-CoV-2-Varianten schützen könnten, bleibe von entscheidender Bedeutung.
COVID-19-Impfung für Blutkrebs-Patienten nicht immer erfolgreich
Die zeitliche Abstimmung zwischen bestimmten Krebstherapien und COVID-19-Impfungen ist entscheidend, um eine bestmögliche Antikörperreaktion zu erzielen, wie eine neue Studie zeigt. Darüber hat Medscape UK berichtet.
Für ihre Studie, die in Nature Cancer veröffentlicht worden ist, werteten Forscher Daten der prospektiven Beobachtungsstudie PROSECO aus. Sie haben Blutproben von 457 erwachsenen Lymphom-Patienten mehrfach untersucht. In der Kohorte waren u.a. 71 Patienten mit Hodgkin-Lymphom, 149 mit aggressivem B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, 221 mit indolentem B-Non-Hodgkin-Lymphom sowie 16 mit NK/T-Zell-Lymphom.
Proben wurden vor der 1. Impfung, 4 Wochen nach der 1. Impfdosis, 2-4 Wochen und 6 Monate nach der 2. Dosis und 4-8 Wochen nach der 3. Dosis entnommen. Zum Einsatz kamen der Oxford-AstraZeneca- oder der BioNTech-Pfizer-Impfstoff. In Blutproben wurden Antikörper gegen SARS-CoV-2 und T-Zell-Reaktionen auf das Spike-Protein gemessen.
Bei mehr als der Hälfte (52%) der Patienten, die sich in aktiver Krebsbehandlung befanden, konnten Forscher nach der 2. Impfung keine Antikörper nachweisen, während bei etwa 2 Dritteln (63%) aller Patienten eine T-Zell-Antwort festgestellt wurde. Nach einer 3. Dosis zeigten 92% der Patienten, die keine Anti-CD20-Behandlung gegen ihre Krebserkrankung erhielten, eine verbesserte Antikörperreaktion, verglichen mit 17% der Patienten unter dieser Therapie.
Die Autoren schreiben, ihre Arbeit unterstreiche die Bedeutung einer sorgfältigen Überwachung COVID-19-spezifischer Immunreaktionen bei Krebspatienten, um diese vulnerable Gruppe gut zu schützen. Impfungen seien vor Anti-CD20-Therapien ratsam.
Wie reagiert das Immunsystem von Kindern auf COVID-19-Erstinfektionen?
Neue Daten deuten darauf hin, dass Kinder im Alter von 0 bis 4 Jahren eine robuste Antikörperreaktion nach Infektionen mit SARS-CoV-2 entwickeln. Darüber hat Univadis.it berichtet.
Grundlage der Studie waren Serumproben, die zwischen November 2020 und März 2021 von Teilnehmern an SEARCh (SARS-CoV-2 Epidemiology And Response in Children) gesammelt worden waren. An dieser Kohortenstudie aus Maryland (USA) nahmen Haushalte mit mindestens 1 Kind im Alter von 0 bis 4 Jahren teil.
Verglichen wurden Antikörper-Titer gegen die Rezeptorbindungsdomäne (RBD) und Titer neutralisierender Antikörper bei Kindern im Alter von 0-4 Jahren, Kindern im Alter von 5-17 Jahren und Erwachsenen (18-62 Jahre). Insgesamt nahmen 682 ungeimpfte Personen aus 175 Familien teil, darunter 254 (37%) Kinder im Alter von 0-4 Jahren.
Unter 56 Teilnehmern, welche bei der Einschreibung für SARS-CoV-2-Infektionen seropositiv waren, hatten Kinder im Alter von 0-4 Jahren mehr als 10-fach höhere Antikörper-Titer gegen die RBD. Sie wiesen zudem 2-fach höhere neutralisierende Antikörpertiter als Erwachsene auf.
„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass kleine Kinder nach Infektionen … robuste Antikörperreaktionen auf SARS-CoV-2 entwickeln“, schreiben die Autoren. „Darüber hinaus unterstützen diese Ergebnisse die Verwendung von neutralisierenden Antikörpern zur Messung der Immunogenität von COVID-19-Impfstoffen bei Kindern im Alter von 0-4 Jahren.“
Rekonvaleszenzplasma verringert Hospitalisierungsrisiko durch COVID-19
Rekonvaleszenzplasma von Personen nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion galt seit Beginn der Pandemie als mögliche Prophylaxe gegen schweres COVID-19. Doch der Nutzen ist wissenschaftlich umstritten.
Jetzt haben Forscher Wirksamkeit und Sicherheit im Rahmen einer doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Studie untersucht. Teilnehmer wurden innerhalb von 8 Tagen nach Auftreten von COVID-19-Symptomen in die Studie aufgenommen. Sie erhielten innerhalb eines Tages nach der Randomisierung Rekonvaleszenzplasma oder Kontrollplasma. Wichtig ist, dass Probanden unabhängig von Risikofaktoren für schweres COVID-19 und unabhängig vom Impfstatus eingeschlossen wurden. Als primären Endpunkt definierten die Forscher eine Krankenhauseinweisung aufgrund von COVID-19 innerhalb von 28 Tagen nach der Transfusion von Plasma.
Insgesamt wurden 1.225 Teilnehmer randomisiert, und 1.181 erhielten eine Transfusion. Stationär behandelt wurden 17 von 592 Teilnehmer (2,9%), die Rekonvaleszenzplasma erhielten, und 37 von 589 Teilnehmer (6,3%), die Kontrollplasma bekamen. Das entspricht einer absoluten Risikoreduktion um 3,4 Prozentpunkte (95%-Konfidenzintervall: 1,0 bis 5,8; p = 0,005). Als relative Risikoreduktion errechnen die Autoren 54%.
Impfstoffe bieten zusätzlichen Schutz für Rekonvaleszente
2 neue Studien, die in The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht wurden, bestätigen, dass COVID-19-Impfstoffe zusätzlichen Schutz für Rekonvaleszente bieten, insbesondere gegen schwere Erkrankungen.
In der 1. Studie wollten Forscher herausfinden, ob COVID-19-Impfstoffe Menschen, die sich erneut mit SARS-CoV-2 infiziert haben, einen zusätzlichen Schutz vor symptomatischen Infektionen, Krankenhausaufenthalten und Tod bieten.
Teilnehmer der Studie kamen aus Brasilien. Sie wurden aus nationalen Krankheitsüberwachungs- und Impfdatenbanken ausgewählt, wenn sie mindestens 90 Tage nach der Erstinfektion eine durch PCR bestätigte SARS-CoV-2-Reinfektion hatten. Von 22.566 Patienten mit Reinfektion wurden 1.545 ins Krankenhaus eingewiesen, und 290 starben innerhalb von 28 Tagen nach einem positiven Test.
Bei Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht hatten und später geimpft worden waren, betrug die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen eine symptomatische Reinfektion 39% für CoronaVac, 56% für Oxford-AstraZeneca, 44% für Janssen und 65% für BioNTech-Pfizer. Als Wirksamkeit gegen Krankenhausaufenthalte und Todesfälle nennen die Autoren 81% für CoronaVac, 90% für Oxford-AstraZeneca, 58% für Janssen und 90% für BioNTech-Pfizer.
„Alle 4 Impfstoffe bieten nachweislich einen signifikanten, zusätzlichen Schutz für Personen mit einer früheren COVID-19-Infektion und verringern Krankenhausaufenthalte und Todesfälle“, so die Autoren. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Vorteile des Impfstoffs die potenziellen Risiken bei weitem überwiegen, und sprechen für eine Impfung … bei Personen mit früherer SARS-CoV-2-Infektion.“
Die 2., in Schweden durchgeführte Studie untersuchte sowohl den langfristigen Schutz, den Immunität aus früheren SARS-CoV-2-Infektionen bietet, als auch das Potenzial eines zusätzlichen Schutzes bei reinfizierten Personen durch hybride Immunität. Letztere entsteht aufgrund von Impfungen plus Infektionen.
Anhand nationaler schwedischer Register bildeten die Forscher 3 Kohorten. Kohorte 1 umfasste ungeimpfte Personen mit natürlicher Immunität, die nach Geburtsjahr und Geschlecht paarweise mit ungeimpften Personen ohne natürliche Immunität zu Studienbeginn verglichen wurden. Kohorte 2 und Kohorte 3 schlossen Personen ein, die nach früherer Infektion mit 1 Dosis bzw. 2 Dosen eines COVID-19-Impfstoffs geimpft worden waren und die paarweise nach Geburtsjahr und Geschlecht mit Personen gematcht wurden, die zu Beginn der Studie eine natürliche Immunität aufwiesen.
Kohorte 1 umfasste 2.039.106 Personen, in Kohorte 2 waren 962.318 Personen, und Kohorte 3 befanden sich 567.810 Personen. Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 164 Tagen wurde bei 34.090 Personen mit natürlicher Immunität in Kohorte 1 eine SARS-CoV-2-Reinfektion registriert, verglichen mit 99.168 Infektionen bei nicht immunen Personen; die Zahl der Krankenhausaufenthalte betrug 3.195 bzw. 1.976.
Nach den ersten 3 Monaten war die natürliche Immunität mit einem um 95% geringeren Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion (bereinigte Hazard Ratio 0,05 [95%-KI 0,05-0,05] p < 0,001) und einem um 87% (HR 0,13, 95%-KI 0,11-0,16, p < 0,001) geringeren Risiko einer COVID-19-Hospitalisierung während der 20-monatigen Nachbeobachtungszeit verbunden.
Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 52 Tagen wurde in Kohorte 2 bei 639 Personen mit hybrider Immunität eine SARS-CoV-2-Reinfektion registriert, verglichen mit 1.662 Personen mit natürlicher Immunität. Die Zahl der Hospitalisierungen betrug 8 bzw. 113. Eine einmalige Impfung war mit einem um 58% geringeren Risiko einer SARS-CoV-2-Wiederinfektion verbunden (bereinigte HR 0,42, 95%-KI 0,38-0,47, p < 0,001) als eine natürliche Immunität, mit Anzeichen einer Abschwächung in den folgenden Monaten.
Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 66 Tagen wurde in Kohorte 3 bei 438 Personen mit hybrider Zweidosis-Immunität eine SARS-CoV-2-Reinfektion registriert, verglichen mit 808 Personen mit natürlicher Immunität. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte betrug 6 bzw. 40. Die Zweidosis-Hybridimmunität war mit einem um 66% geringeren Risiko einer SARS-CoV-2-Wiederinfektion verbunden (HR 0,34, 95%-KI 0,31-0,39, p < 0,001) als die natürliche Immunität, wobei bis zu 9 Monaten keine signifikante Abschwächung eintrat.
„Das Risiko einer SARS-CoV-2-Reinfektion und einer COVID-19-Hospitalisierung bei Personen, die eine frühere Infektion durchgemacht und sich davon erholt haben, blieb bis zu 20 Monate lang gering“, so das Resümee der Autoren. „Die Impfung schien das Risiko für beide Folgen bis zu 9 Monate lang weiter zu senken, obwohl die Unterschiede in absoluten Zahlen, insbesondere bei den Krankenhausaufenthalten, gering waren.“ Sie ergänzen: „Diese Ergebnisse legen nahe, dass Immunitätsnachweise, wenn sie für gesellschaftliche Beschränkungen verwendet werden, entweder eine frühere Infektion oder eine Impfung als Nachweis der Immunität anerkennen sollten, und nicht nur die Impfung.“
Credits:
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Diesen Artikel so zitieren: Impfung plus Infektionen – so gut schützt hybride Immunität; Zu viele Mutationen: Herdenimmunität laut Fauci nicht erreichbar - Medscape - 4. Apr 2022.
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