Fall: Ein 18-jähriger, sportlicher Mann mit Blinzel- und Ordnungszwang scheitert im Studium – wie helfen Sie ihm?

Claudia L. Reardon

Interessenkonflikte

4. April 2022

Ein 18-jähriger Student stellt sich bei der Beratungsstelle seiner Universität vor. Er habe Probleme, beim Studium mitzukommen. Bereits zur Mitte des Semesters wisse er, dass er in 3 von 4 Kursen durchfallen werde. Es falle ihm sehr schwer, sich auf seine Lese- und Schreibaufgaben zu konzentrieren.

Schon nach 5 Minuten in den Unterrichtsräumen schweiften seine Gedanken ab. Oft vergesse er einfach, seine Aufgaben zu erledigen. Er verliere Unterrichtsmaterialien und habe Schwierigkeiten, alle erforderlichen Dinge zusammenzusuchen, um überhaupt mit den Hausaufgaben beginnen zu können. Außerdem denke er ständig über sein Unvermögen nach, sein Studium zu bewältigen.

All diese Probleme seien ihm sehr vertraut; sie reichten mindestens bis in die 2. Klasse zurück, wie der junge Mann berichtet. Da seine Eltern jedoch „nichts von dem Psychogedöns“ hielten, hätten sie ihn nie untersuchen lassen.

In der High School sei er nie gut gewesen; es habe stets nur für Dreien gereicht, obwohl er glaube, in Wahrheit oft nicht bestanden zu haben. Er sei ein hervorragender Football- und Basketballspieler gewesen und vermutet, dass keiner der Lehrer dafür verantwortlich sein wollte, dass ein so guter Sportler nicht an die Universität könne, weil er ihn habe durchfallen lassen.

In seiner medizinischen Vorgeschichte sind lediglich eine Humerusfraktur nach dem Sturz von einem Klettergerüst in der Schule sowie 2 Gehirnerschütterungen im Rahmen des Sportunterrichtes auffällig, von denen er sich jeweils offenbar vollständig erholt hatte. Er war jedoch bei beiden Gehirnerschütterungen mindestens 1 Minute lang bewusstlos gewesen. Die Abbildung 1 zeigt das CT nach der 2. Gehirnerschütterung.

Fragen nach der Einnahme von Medikamenten oder Drogen verneint er. Er trinke auch keinen Kaffee und rauche nicht. Mehrmals wöchentlich trinke er abends mit Freunden ein paar Gläser Bier. Einen Blackout nach übermäßigem Alkoholkonsum habe er noch nie erlebt.

In seiner Familie habe sein jüngerer Bruder ebenfalls Schulschwierigkeiten und bereits eine Klasse wiederholen müssen. Sein Vater, der auf dem Bau arbeite, habe als Schüler ein „Blinzelproblem“ gehabt. Und auch er selbst habe oft das Bedürfnis, zu blinzeln.

Er beschreibt zudem das Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren werde, wenn er bestimmte Verhaltensweisen nicht ausführe. So müsse er etwa seinen Schreibtisch soundso oft umräumen, bevor er bestimmte Tätigkeiten ausführen könne.

Dieses Zwangsverhalten habe sich zwar allmählich gebessert, sei aber nie ganz verschwunden. Während des Wechsels an die Universität seien diese Zwänge wieder schlimmer geworden und nähmen nun täglich mindestens 1 Stunde in Anspruch. Dadurch versäume er oft den Unterricht oder könne anderen wichtigen Verpflichtungen nicht nachkommen, weil er dieses Verhalten ausleben müsse.

Seine Mutter sei Fitnesstrainerin und Raucherin. Ansonsten seien bei ihr keine nennenswerten medizinischen oder psychiatrischen Vorerkrankungen bekannt. Er wisse auch nichts von diagnostizierten oder behandelten psychischen Störungen anderer Familienmitglieder.

Kommentar

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