Das American College of Cardiology (ACC) hat einen Expertenkonsens-Entscheidungspfad für die Bewertung und Behandlung von Erwachsenen mit kardiovaskulären Folgen von COVID-19 herausgegeben. Das Dokument behandelt Myokarditis, andere Myokard-Beteiligungen und patientenzentrierte Ansätze bei Long-COVID. Hinzu kommen Tipps zur Wiederaufnahme des Trainings nach COVID-19.
Die klinischen Leitlinien wurden im Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht. Die wichtigsten Empfehlungen im Überblick [1,2]:
Eine Myokarditis bei COVID-19 diagnostizieren und therapieren
Eine Myokarditis zeigt sich anhand kardialer Symptome (z.B. Brustschmerzen, Dyspnoe, Herzklopfen, Synkope), erhöhtem kardialem Troponin (cTn) und Anomalien beim EKG, bei der kardialen Magnetresonanztomografie oder bei Biopsien.
Für Patienten mit Myokarditis wird eine stationäre Aufnahme empfohlen, idealerweise in einem spezialisierten Zentrum für Herzinsuffizienz.
Patienten mit Myokarditis und COVID-19-Pneumonie (mit anhaltendem Bedarf an zusätzlichem Sauerstoff) sollten mit Kortikosteroiden behandelt werden.
Bei Patienten mit Verdacht auf eine Perikardbeteiligung ist eine Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika, Colchicin und/oder Prednison sinnvoll.
Intravenöse Kortikosteroide können bei Patienten mit Verdacht auf oder bestätigter COVID-19-Myokarditis mit hämodynamischer Beeinträchtigung oder Multisystem-Entzündungssyndrom bei Erwachsenen (MIS-A) in Betracht gezogen werden. Die empirische Anwendung von Kortikosteroiden kann auch bei Patienten mit Biopsie-Nachweis schwerer Myokardinfiltrate oder fulminanter Myokarditis in Erwägung gezogen werden, abgewogen gegen das Infektionsrisiko.
Gegebenenfalls sollte eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz initiiert und nach der Entlassung aus dem Krankenhaus fortgeführt werden.
Eine Myokarditis nach einer mRNA-Impfung ist selten. Die höchsten Raten wurden bei jungen männlichen Personen (im Alter von 12 bis 17 Jahren) nach der 2. Impfdosis beobachtet. Die COVID-19-Impfung ist für alle bisher untersuchten Alters- und Geschlechtsgruppen mit einem sehr günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis verbunden.
Im Allgemeinen sollte eine Impf-assoziierte Myokarditis analog zu einer Myokarditis nach einer SARS-CoV-2-Infektion diagnostiziert, kategorisiert und behandelt werden.
Long-COVID und das Herz-Kreislauf-System
Postakute Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion (PASC), die meist als Long-COVID bezeichnet werden, treten laut ACC bei bis zu 10 bis 30% der infizierten Personen auf. Es handelt sich um eine Konstellation neuer, wiederkehrender oder anhaltender Gesundheitsprobleme, die 4 oder mehr Wochen nach der COVID-19-Infektion zu beobachten sind.
Die Symptome können sehr vielfältig sein, aber Tachykardie, Belastungsintoleranz, Schmerzen in der Brust und Kurzatmigkeit sind einige der Symptome, die die Aufmerksamkeit auf das Herz-Kreislauf-System lenken.
Das ACC schlägt 2 separate Begriffe zur Einteilung vor:
PASC-CVD oder PASC-Cardiovascular Disease (PASC-kardiovaskuläre Erkrankung): Der Begriff bezieht sich auf eine breite Gruppe kardiovaskulärer Erkrankungen (einschließlich Myokarditis), die sich mindestens 4 Wochen nach einer COVID-19-Infektion manifestieren.
PASC-CVS (PASC-Cardiovascular Syndrome): Der Begriff umfasst ein breites Spektrum an kardiovaskulären Symptomen ohne objektiven Nachweis einer kardiovaskulären Erkrankung durch diagnostische Standardtests.
Im Allgemeinen sollten Patienten mit lang andauernden Beschwerden inklusive kardiovaskulären Symptomen je nach klinischem Bild mit Labortests, EKG, Echokardiogramm, ambulantem Rhythmusmonitor und/oder zusätzlichen Lungentests untersucht werden. Bei abnormalen Testergebnissen wird eine kardiologische Konsultation empfohlen, wobei je nach dem vermuteten klinischen Zustand (z.B. einer Myokarditis) zusätzliche Untersuchungen durchgeführt werden sollten.
„Bei Patienten mit Long-COVID scheint es eine ‚Abwärtsspirale‘ zu geben“, kommentiert Dr. Nicole Bhave von der ACC-Leitlinienkommission. „Müdigkeit und verminderte körperliche Leistungsfähigkeit führen zu verminderter Aktivität und Bettlägerigkeit, was wiederum zu einer Verschlechterung der Symptome und einer verminderten Lebensqualität führt.“
Deshalb empfehle man eine grundlegende kardiopulmonale Untersuchung im Vorfeld, um festzustellen, ob für diese Patienten eine weitere spezialisierte Behandlung und eine formalisierte medizinische Therapie erforderlich sei.
Freizeit- und Profisportler: Der Weg zurück ins Training
Seit Beginn der Pandemie stellen sich Ärzte aber auch die Frage, wann Sportler nach COVID-19 wieder zurück in ihr Training dürfen.
Daten aus großen Registern haben gezeigt, dass die Prävalenz der klinischen Myokarditis insgesamt gering ist, ohne dass es zu einem Anstieg der Rate unerwünschter kardialer Ereignisse gekommen wäre. Auf dieser Grundlage gibt das ACC jetzt Empfehlungen.
Bei Sportlern, die sich von einer COVID-19-Infektion erholen und weiterhin kardiopulmonale Symptome (Brustschmerzen, Kurzatmigkeit, Herzklopfen, Schwindelgefühl) haben oder bei denen ein Krankenhausaufenthalt erforderlich ist und ein begründeter Verdacht auf eine kardiale Beteiligung besteht, sollten weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Das ACC empfiehlt ein EKG, eine Messung des kardialen Troponins und ein Echokardiogramm. Bei abnormalen Testergebnissen raten Experten zur kardialen Magnetresonanztomografie (Kardio-MRT).
Personen, bei denen eine klinische Myokarditis diagnostiziert wurde, sollten 3 bis 6 Monate lang auf körperliche Anstrengungen aller Art verzichten.
Für asymptomatische Personen nach einer COVID-19-Infektion werden keine Herztests empfohlen. Sie sollten nach ihrer Rekonvaleszenz 3 Tage lang nicht trainieren, um sicherzustellen, dass sich keine Symptome entwickeln.
Bei Personen mit leichten oder mäßigen nicht kardiopulmonalen Symptomen (Fieber, Lethargie, Muskelschmerzen) kann das Training nach Abklingen der Symptome wieder aufgenommen werden. Bei Personen mit einer weit zurückliegenden Infektion (≥ 3 Monate) ohne anhaltende kardiopulmonale Symptome wird eine allmähliche Steigerung der Belastung empfohlen, ohne dass ein Herztest erforderlich ist.
Aufgrund der geringen Prävalenz von Myokarditis bei Leistungssportlern mit COVID-19 stellen die Autoren fest, dass diese Empfehlungen auch auf Sport in der Schule bei Kindern im Alter von ≥14 Jahren und bei Sport in der Freizeit übertragen werden kann.
Zukünftige Studien seien jedoch erforderlich, um besser zu verstehen, wie lange die kardialen Anomalien nach einer COVID-19-Infektion anhalte und welche Rolle das Bewegungstraining bei langer COVID spiele, heißt es in den Empfehlungen.
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Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Folgen von COVID-19: Myokarditis, Long-COVID und Risiken beim Sport – US-Leitlinie gibt Tipps für die kardiologische Praxis - Medscape - 31. Mär 2022.
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