Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um Faktoren, die mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert, wie Geburt durch Kaiserschnitt oder vermehrter Konsum von Süßstoffen. Die Zunahme von Appendix-Karzinomen bei jüngeren Menschen erfordert bei nicht operativer Behandlung von Blinddarmentzündungen eine sorgfältige Nachbeobachtung. Die aufmerksame Beobachtung von Patienten mit Smoldering Multiplem Myelom ist derzeit Therapiestandard. Möglicherweise könnte in bestimmten Fällen mit Lenalidomid das Fortschreiten zum manifesten Myelom verzögert werden.
Krebs bei Kindern: Erhöhtes Risiko durch Kaiserschnitt?
Krebs: Süßstoffe doch mit erhöhtem Risiko assoziiert?
Rektum-Karzinom: Präoperative kurze Bestrahlung plus Chemotherapie verlängert Überleben im Vergleich zu langer Radiochemotherapie
Appendix-Karzinom: Zunahme bei jüngeren Personen
Smoldering Multiples Myelom: Watchful Waiting versus Intervention
Chemotherapie-induzierte Thrombozytopenie: Avatrombopag ohne Effekt
Krebs bei Kindern: Erhöhtes Risiko durch Kaiserschnitt?
Eine Geburt durch Kaiserschnitt ist im Vergleich zu normaler Geburt mit einem erhöhten Krebsrisiko des Kindes assoziiert. Dies ergab eine kanadische Kohortenstudie mit über 1 Mio. Kindern, die in Acta Pediatrica publiziert ist.
Eine Arbeitsgruppe aus Montreal analysierte die Daten von 1.034.049 Kindern, die zwischen 2006 und 2020 von der Geburt bis zum Alter von 14 Jahren beobachtet worden sind. 24,1% der Kinder kamen per Kaiserschnitt und 9,4% durch eine vaginal-operative Entbindung (Saugglocke oder Geburtszange) zur Welt.
Die Geburt per Kaiserschnitt war im Vergleich zur normalen Geburt mit einem erhöhten Risiko für Krebs insgesamt (Hazard Ratio: 1,16), Blutkrebs (HR: 1,12) und soliden Tumoren assoziiert (HR: 1,21). Die Assoziation war im Alter von 2 Jahren sowie für Lymphome und Sarkome am stärksten. Zwischen vaginal-operativer Entbindung und Krebs zeigte sich kein Zusammenhang.
Nach Aussage der Autoren sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Ursache dieser Assoziation zu erforschen. Möglicherweise könnten eine Dysbiose der Mukosa oder die Hormonexposition während der Wehen eine Rolle spielen.
Krebs: Süßstoffe doch mit erhöhtem Risiko assoziiert?
Ein erhöhter Süßstoffkonsum war im Vergleich zu keiner Süßstoffzufuhr in einer prospektiven Kohortenstudie mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert. Eine französische Arbeitsgruppe hat dies in PLOS Medicine mitgeteilt.
Schon lange wird über die Sicherheit von Süßstoffen diskutiert, die Ergebnisse vor allem experimenteller Studien waren bislang widersprüchlich.
Die französische Arbeitsgruppe analysierte nun bei 102.865 Erwachsenen aus der NutriNet-Santé-Studie den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Süßstoffen und einem Krebsrisiko.
Nach einem medianen Follow-Up von 7,8 Jahren zeigte sich, dass ein höherer Konsum von Süßstoffen, der über dem normalen medianen Verbrauch der Konsumenten lag, im Vergleich zu keinem Süßstoff-Konsum mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert war (HR: 1,13; p-Trend 0,002). Vor allem Aspartam (HR: 1,15) und Acesulfam-K (HR: 1,13) waren mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden.
Der erhöhte Konsum von Aspartam war mit einem erhöhten Brustkrebs-Risiko (HR: 1,22; p = 0,036) und mit einem erhöhten Risiko für mit Adipositas-verbundenen Krebserkrankungen (HR: 1,15; p = 0,026) assoziiert.
„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass künstliche Süßstoffe, die in vielen Lebensmitteln und Getränken weltweit verwendet werden, einen modifizierbaren Risikofaktor für die Krebsprävention darstellen können“, so die Schlussfolgerung der Autoren.
Rektum-Karzinom: Präoperative kurze Bestrahlung plus Chemotherapie verlängert Überleben im Vergleich zu langer Radiochemotherapie
Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektum-Karzinom verlängert eine präoperative kurze Bestrahlung plus Chemotherapie das 3-Jahres-Überleben signifikant im Vergleich zum Standard, nämlich langer Radiochemotherapie (CRT). Dies ergab die Phase-3-Studie STELLAR in China mit 599 Patienten, die im Journal of Clinical Oncology erschienen ist.
In der offenen multizentrischen Phase-3-Studie wurden 302 Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom mit einer Kurzzeit-Strahlentherapie (25 Gy in 5 Fraktionen über 1 Woche) gefolgt von 4 Zyklen Chemotherapie (TNT) behandelt, 297 erhielten eine Standard-Radiochemotherapie (50 Gy in 25 Fraktionen über 5 Wochen, gleichzeitig mit Capecitabin (CRT). Patienten der TNT-Gruppe erhielten 2 Zyklen, die der CRT-Gruppe 6 Zyklen CAPOX (Oxaliplatin und Capecitabin). Nach 6 bis 8 Wochen wurden sie operiert.
Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS) nach 3 Jahren. Dieses betrug nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 35,0 Monaten 64,5% in der TNT- und 62,3% in der CRT-Gruppe (HR 0,883; p < 0,001 für Nichtunterlegenheit). Es gab keinen signifikanten Unterschied beim metastasenfreien Überleben oder lokoregionären Rezidiv. Die Patienten der TNT-Gruppe hatten jedoch mit 86,5% ein besseres 3-Jahres-Gesamtüberleben als die der CRT-Gruppe mit 75,1% (p = 0,033).
Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder höher waren aber mit 26,5% in der TNT-Gruppe doppelt so häufig wie in der CRT-Gruppe mit 12,6%.
Die Autoren sind der Meinung, dass trotz der stärkeren akuten Toxizität die sequenzielle präoperative Kurzzeitbestrahlung und Chemotherapie als Alternative zu CRT und adjuvanter Chemotherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom eingesetzt werden könnte.
Appendix-Karzinom: Zunahme bei jüngeren Personen
Appendix-Karzinome, insbesondere Appendix-Karzinoide haben in den letzten Jahren vor allem bei jüngeren Personen zugenommen. Im Journal of the American College of Surgeons weist eine amerikanische Arbeitsgruppe als Fazit dieses Befundes darauf hin, dass es bei der immer häufiger durchgeführten nicht-operativen Behandlung einer Appendizitis sinnvoll sei, die Patienten engmaschig nach zu beobachten.
Mit Hilfe der National Cancer Database ermittelten die Forscher, dass von 387.867 Patienten mit rechtsseitigem Kolonkarzinom 19.570 an einem Blinddarmkarzinom und davon 6.628 an einem Karzinoid litten.
Von 2004 bis 2017 stieg die Wahrscheinlichkeit für ein Blinddarm-Karzinom im Vergleich zu anderen rechtsseitigen Kolonkarzinomen deutlich (Odds Ratio: 2,56) in allen Altersgruppen. Besonders stark war der Anstieg bei Patienten im Alter von 40 bis 49 Jahren von 10% im Jahr 2004 auf 18% im Jahr 2017.
Auch die Wahrscheinlichkeit eines Karzinoids nahm von 2004 bis 2017 zu (OR: 1,70), besonders stark war hier die Zunahme bei den Patienten unter 40 Jahren von 24% im Jahr 2004 auf 45% im Jahr 2017.
Smoldering Multiples Myelom: Watchful Waiting versus Intervention
Für Patienten mit Smoldering Multiplem Myelom (SMM) könnte eine Behandlung mit Lenalidomid allein oder in Kombination im Vergleich zu Watchful Waiting die Progression verzögern, so das Ergebnis eines systemischen Review randomisierter Studien, den eine Arbeitsgruppe aus Washington, DC (USA), im Journal of Cancer Research and Clinical Oncology publiziert hat.
Das SMM ist eine prämaligne Erkrankung mit dem Risiko, zum manifesten Myelom fortzuschreiten. Aufgrund der Heterogenität des SMM ist das optimale Vorgehen bislang unklar. Die amerikanische Arbeitsgruppe fasste daher in einem systematischen Review 10 randomisierter Studien mit 1.157 Patienten die aktuell vorliegenden Daten zusammen.
Bei 580 SMM-Patienten wurde interveniert, 577 Patienten gehörten zur Kontrollgruppe. 3 frühe Studien mit Melphalan und Prednison aus den Jahren 1993, 1994 und 2000 ergaben keine signifikanten Auswirkungen auf das Fortschreiten der Erkrankung bei gleichzeitig schweren Nebenwirkungen.
3 Studien zur Monotherapie mit Bisphosphonaten (Zoledron- und Pamidronsäure) zeigten verminderte skelettbezogene Ereignisse ohne Wirkung auf den Krankheitsverlauf.
Nur Lenalidomid allein oder in Kombination mit Dexamethason war bisher in randomisierten kontrollierten Phase-3-Studien bei SMM-Patienten mit hohem Risiko bei der Verzögerung des Krankheitsverlaufs im Vergleich zu Watchful Waiting überlegen. Allerdings ist die Beobachtungsdauer in diesen Studien noch relativ kurz.
Fazit der Autoren ist, dass weitere randomisierte kontrollierte Studien erforderlich sind, um diese Ergebnisse zu validieren und die Frage zu klären, wer wann womit bei einem SMM behandelt werden sollte.
Chemotherapie-induzierte Thrombozytopenie: Avatrombopag ohne Effekt
Der Thrombopoetin-Rezeptoragonist Avatrombopag beeinflusst im Vergleich zu Placebo eine Chemotherapie-induzierte Thrombozytopenie nicht. Dies ergab eine in Lancet Haematology publizierte internationale randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-3-Studie mit 122 Patienten.
Die Patienten litten an Eierstock-, Lungen- oder Blasenkrebs, hatten eine schwere Thrombozytopenie und erhielten eine Chemotherapie. Randomisiert bekamen sie 60 mg Avatrombopag täglich oder Placebo 5 Tage vor und nach der Chemotherapie. Sie wurden im Median 31 Tage beobachtet.
Der kombinierte primäre Endpunkt umfasste den Anteil der Responder, die keine Thrombozytentransfusion oder keine Dosisreduktion der Chemotherapie um 15% oder mehr oder keine Verzögerung der Chemotherapie um 4 Tage oder mehr aufgrund einer Thrombozytopenie benötigten.
Die Avatrombopag-Behandlung verbesserte den primären Endpunkt nicht. Sie erhöhte aber den Nadir der Thrombozytenzahl (51,5 × 109 Zellen/l vs 29,1 × 109 Zellen/l). Damit liefert die Studie zumindest wichtige Informationen für zukünftige Untersuchungen, so der Kommentar im begleitenden Editorial.
Credits:
© Jovan Vitanovski
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Erhöhtes Krebsrisiko durch Kaiserschnitt-Geburt oder Süßstoff-Konsum? Mehr Appendix-Karzinome bei Jüngeren - Medscape - 29. Mär 2022.
Kommentar