Die Homöopathie als Form der Alternativmedizin beruht auf einem Konzept aus dem frühen 19. Jahrhundert, nach dem die zunehmende Verdünnung einer Substanz eine stärkere therapeutische Wirkung erzeugt. Eine Metaanalyse zeigte nun, dass über die Hälfte der Studien zur Homöopathie nicht veröffentlicht oder registriert wurde.
Die Autoren dieser Studie, die im BMJ Evidence-Based Medicine veröffentlicht worden ist, stellten außerdem fest, dass etwa bei einem Viertel der von ihnen analysierten 90 veröffentlichten randomisierten Studien über homöopathische Substanzen die Ergebnisse vor der Veröffentlichung geändert wurden [1].
Die Autoren um Dr. Gerald Gartlehner von der Donau-Universität Krems, Österreich, kommen zu dem Schluss, dass die in Studien angepriesenen Vorteile der Homöopathie stark übertrieben sein könnten.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass die veröffentlichten Homöopathie-Studien nur einen Teil der tatsächlich stattfindenden Forschung ausmachen, der dann in Richtung positiver Ergebnisse verzerrt ist, schreiben die Autoren.
„Dies beeinträchtigt wahrscheinlich die Aussagekraft der Literatur zur Homöopathie und verleitet zu einer erheblichen Überschätzung des tatsächlichen Behandlungseffekts homöopathischer Mittel“, so die Autoren.
Homöopathie: Oft Verdünnung, bis keine Moleküle mehr nachweisbar sind
Die heute praktiziert Form der Homöopathie wurde vor etwa 200 Jahren in Deutschland im heutigen Sachsen von Samuel Hahnemann entwickelt. Trotz nicht abreißender Debatten über ihre Wirksamkeit gelte sie in vielen Industrienationen als beliebte Alternative zur Schulmedizin, schreiben die Autoren weiter.
Nach Angaben der National Institutes of Health (NIH) basiert die Homöopathie auf dem Prinzip „Ähnliches mit Ähnlichem“ zu heilen (similia similibus curentur). Demnach könne eine Krankheit mit einer Substanz geheilt werden, die bei gesunden Menschen ähnliche Symptome hervorrufe. Hinzu komme das „Gesetz der minimalen Dosis“, nach dem eine geringere Dosis eines Medikaments wirksamer sei. „Viele homöopathische Produkte sind so verdünnt, dass keine Moleküle der ursprünglichen Substanz mehr nachweisbar sind“, heißt es bei den NIH.
Homöopathika müssen in Deutschland in einem Register für derartige Mittel eingetragen sein. Einer Zulassung bedürfen sie nicht, auch nicht in den USA, sodass sich eine Bewertung ihrer Wirksamkeit allein auf veröffentlichte Studien stützt, so die Forschenden.
„Wenn die meisten homöopathischen Studien öffentlich nicht zugänglich sind, lassen sich auch keine fundierten Aussagen zur Wirksamkeit und den Risiken homöopathischer Arzneimittel bei der Therapie von Erkrankungen treffen“, schreiben die Autoren.
Studienmethoden und wichtigste Ergebnisse
Die Forschenden untersuchten 17 Studienregister nach registrierten Homöopathie-Studien, die seit 2002 bis April 2019 durchgeführt wurden. Dazu gehörten auch clinicaltrials.gov, das EU Clinical Trials Register und die International Clinical Trials Registry Platform.
Um zu erkennen, ob registrierte Studien auch veröffentlicht wurden, und um veröffentlichte, aber nicht registrierte Studien zu identifizieren, untersuchten die Autoren bis April 2021 PubMed, die Allied and Complementary Medicine Database, Embase und Google Scholar.
Sie stellten fest, dass etwa 38% der registrierten Studien zur Homöopathie nie veröffentlicht wurden, und 53% der veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) nicht registriert waren. Bemerkenswert ist, dass bei 25% der registrierten und veröffentlichten Studien das jeweils primäre Outcome gegenüber der Registrierung verändert wurde.
Die Zahl der registrierten Homöopathie-Studien hat in den letzten 5 Jahren deutlich zugenommen. Allerdings war etwa ein Drittel (30%) dieser Veröffentlichungen nicht registriert, so die Autoren. In einer Metaanalyse zeigten nicht registrierte RCTs signifikant größere Behandlungseffekte als registrierte RCTs (standardisierte Mittelwertdifferenz -0,53 bzw. -0,14).
Die Aussagekraft dieser Untersuchung wird durch verschiedene Faktoren eingeschränkt. So besteht die Möglichkeit, dass Studien von den Suchmustern in den Registern nicht erfasst wurden. Eine weitere Limitierung ist die Analyse gepoolter Daten aus homöopathischen Behandlungen, die sich möglicherweise auf die personalisierte Homöopathie nicht übertragen lassen, sowie der Ausschluss von Studien, die als abgebrochen oder ausgesetzt gekennzeichnet wurden.
Experten warnen vor Homöopathie
Dr. Linda Girgis, Hausärztin in South River, New Jersey, sagte gegenüber Medscape, dass sie bereits vor der Lektüre dieses Berichts gewusst habe, dass die meisten homöopathischen Mittel keine nachweisbare Wirkung hätten und dass die Ergebnisse ihre Vorstellung von Homöopathie-Studien bestätigten.
Die aktuelle Studie sei gerade jetzt unter der COVID-19-Pandemie besonders wichtig. „Viele Menschen werben für Behandlungen, deren Wirksamkeit nicht bewiesen ist, und immer häufiger wird zu homöopathischen Therapien gegriffen, ohne die Risiken zu kennen – wobei gleichzeitig angenommen wird, dass sie sicher sind“, fuhr sie fort. „Viele Menschen nutzen das aus und versuchen, mit schlecht untersuchten Mitteln Geld zu verdienen.“
Homöopathische Mittel sind vor allem dann schädlich, wenn die erkrankten Menschen glauben, sie könnten sie anstelle der Schulmedizin anwenden, fügte Girgis hinzu.
Einige homöopathische Mittel seien untersucht worden und hätten eine Wirkung gezeigt – bestimmte Mittel könnten also eine gewisse Rolle in der Primärversorgung spielen, so Girgis. „Da wäre etwa die Traubensilberkerze oder Nachtkerzenöl bei Hitzewallungen in der Perimenopause. Es könnte eine gute Alternative sein, wenn man Hormonpräparate meiden möchte“, sagte sie.
Gleichzeitig rät Girgis der Ärzteschaft zur Vorsicht bei der Empfehlung homöopathischer Mittel. „Die Homöopathie scheint eine gute Einnahmequelle zu sein, wenn man diese Produkte verkauft. Sie sind jedoch [in den USA] nicht vor Haftungsansprüchen geschützt und können eher haftbar gemacht werden, wenn Sie die Homöopathika als Off-label-Use oder ohne FDA-Zulassung anwenden“, so Girgis. Daher lautet ihre allgemeine Botschaft an Ärzte und Ärztinnen: „Halten Sie sich an die evidenzbasierte Medizin.“
Und ihre Botschaft für erkrankte Personen, die Homöopathika anwenden möchten, lautet: Nur weil etwas „homöopathisch“ oder „natürlich“ ist, bedeutet es nicht, dass es auch sicher ist. „Es gibt einige homöopathische Produkte, die Leberschäden oder andere Probleme verursacht haben“, erklärt sie. „Außerdem können diese Mittel Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Großteil von Homöopathie-Studien unveröffentlicht oder nicht registriert - Medscape - 28. Mär 2022.
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