Die Essgewohnheiten der Deutschen haben sich im 1. COVID-19-Lockdown verändert; Forscher erkennen 3 unterschiedliche Muster. Ergebnisse einer eigenen Online-Umfrage mit mehr als 2103 überwiegend weiblichen Teilnehmern stellte Dr. Judith Bühlmeier vom Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit an der Universität Paderborn auf dem 59. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) vor.
Weniger Restaurantbesuche, mehr Mahlzeiten zu Hause
Der Hintergrund: Viele Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie haben sich auf die Verfügbarkeit von Restaurants, die Beanspruchung von Lieferdiensten und den Zugang zu Lebensmitteln in Geschäften sowie auf Märkten ausgewirkt. Untersuchungen belegen Effekte auf die Menge und Art der Ernährung, die jedoch regional und auch zwischen Subgruppen in einzelnen Studien sehr unterschiedlich sein können.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit, die 90 Studien zusammenfasst, fand einen Rückgang der Mahlzeiten außer Haus und eine Zunahme des daheim bereiten Essen in 100% aller eingeschlossenen Untersuchungen. 87 bzw. 81% der Studien berichten über eine Zunahme beim „Snacking-Verhalten“ und bei der Menge des Verzehrs.
Neue Online-Umfrage zeigt 3 Gruppen mit unterschiedlichem Essverhalten
Heterogene Ergebnisse innerhalb einzelner Studien seien aber häufig gewesen, so Bühlmeier, die deshalb mit ihrer Arbeitsgruppe eine noch nicht publizierte Online-Umfrage durchgeführt hat: von Mitte April bis Anfang Mai 2020, also während der 2. Hälfte des 1. Lockdowns in Deutschland. Ihr Fragebogen umfasste 33 Punkte.
Ausgewertet wurden Angaben von 2.103 Teilnehmern (Durchschnittsalter 40 Jahre, durchschnittlicher BMI 24,1; 81 % Frauen).
In einer Clusteranalyse fanden Bühlmeier und Kollegen 3 Muster bezüglich der Essgewohnheiten:
konstant (n = 753),
gesundheitsorientiert (n = 770),
emotionsgesteuert (n = 580).
In der 1. Gruppe wurde auffällig oft mehr Zeit in die Zubereitung der Speisen (bei 49,4% der Befragten) und in die Lagerung von Lebensmitteln (46,4%) investiert. Es wurden neue Rezepte ausprobiert, und Familien speisten häufiger zusammen (39,4% bzw. 30,3%).
Personen, die als gesundheitsorientiert eingestuft wurden, achteten häufiger auf den Verzehr gesunder Lebensmittel (53,0% gegenüber 9,7% in der 1. Gruppe). Sie verzichteten häufiger auf ungesunde Speisen oder Getränke (32,6 versus 5,5%). Über Essen aus Einsamkeit, aus Traurigkeit oder Langeweile berichteten jeweils annährend 40% der gesundheitsorientierten Studienteilnehmer. In der 1. Gruppe lag dieser Anteil nur bei etwa 2%.
Emotionsgesteuerte Teilnehmer konsumierten häufiger ihre bevorzugten Nahrungsmittel (plus 74,5%), und fast die Hälfte (44,8%) verzichtete nun seltener auf Essen, das als ungesund gilt. „Bei einem Großteil hatte die Stimmung einen größeren Anteil auf das Essverhalten als vor dem Lockdown“, so Bühlmeier. Fast 70% hatten denn auch häufiger und / oder mehr gegessen als zuvor.
Bezüglich der Lebensmittelgruppen war auffällig, dass 79,2% der Emotionsgesteuerten, aber nur 10,0% der Gesundheitsorientierten angaben, im Lockdown mehr Süßigkeiten gegessen zu haben
Keine repräsentativen Daten
Wie die Vortragende selbst einräumte, handelte es sich bei den Befragten nicht nur um eine sehr homogene, sondern auch um eine relativ wenig betroffene Gruppe.
Mit einem Frauenanteil von mehr als 80 % kann die Online-Umfrage nicht als repräsentativ gelten. Weiterhin lag der durchschnittliche BMI bei 24,3 gegenüber einem Mittelwert in der Bevölkerung von 26,0. Schließlich betrug das Durchschnittsalter in der Befragung 40 Jahre, in der Bevölkerung liegt es aber bei 44,6 Jahre.
Innerhalb dieser Gruppe zeichnet die Untersuchung ein sehr detailliertes Bild und überrascht mit der Erkenntnis, dass die Verhaltensweisen deutlich divergieren, was bei Aufklärungs- und Erziehungsmaßnahmen bedacht werden sollte.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Ernährung während des COVID-19-Lockdowns: Wissenschaftler finden 3 Gruppen mit unterschiedlichem Verhalten - Medscape - 28. Mär 2022.
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