Süße Babies: Wenig Gemüse, Fleisch und Fisch, zu viel Obst – Experten warnen, dass unsere Kleinsten zu süß ernährt werden

Antje Sieb

Interessenkonflikte

24. März 2022

Schon im ersten Lebensjahr, während der Einführung der Beikost, essen Babys in Deutschland oft zu süß. Denn im Schnitt bekommen sie zu wenig Gemüse, Fleisch und Fisch, aber zu viel Obst. Und viele probieren in diesem Alter auch schon die ersten süßen Snacks.

Das haben Wissenschaftler des Max-Rubner-Instituts (MRI) aus den Daten der KiESEL-Studie berechnet und die Ergebnisse auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) vorgestellt [1]. „Wenn zu viel Süßes gegessen wird, kann sich eine Süßpräferenz entwickeln“, gab Sara Jansen vom Institut für Kinderernährung des MRI in Karlsruhe zu bedenken.

 
Wenn zu viel Süßes gegessen wird, kann sich eine Süßpräferenz entwickeln. Sara Jansen
 

Die repräsentative Querschnittsstudie KiESEL des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) hat zwischen 2014 und 2017 die Eltern von 1.104 Kindern zwischen 6 Monaten und 5 Jahren zur Ernährung ihrer Kinder befragt (KiESEL: Kinder-Ernährungsstudie zur Erfassung des Lebensmittelverzehrs).

Dabei wurden die Eltern bei einem Besuch ausführlich interviewt und die Kinder vermessen sowie gewogen. Zusätzlich gaben die Eltern ein dreitägiges Videoprotokoll zur Ernährung ab, sowie 1 bis 4 Monate später ein weiteres eintägiges Videoprotokoll.

Diese Ernährungsprotokolle von insgesamt 118 Säuglingen (6 bis 12 Monate alt) waren Grundlage für die Berechnungen des MRI. Denn die letzten veröffentlichten Daten zur Säuglingsernährung in Deutschland stammen aus den Jahren 2001/2002.

Vergleich mit empfohlenen Breirezepten

Als Vergleichsmaßstab nutzten die Wissenschaftler die in Deutschland empfohlenen Rezepte für die selbstgekochte Breimahlzeiten. Dabei ergab sich: Im Schnitt bekamen die Kinder deutlich zu wenig Gemüse, Fleisch oder Fisch.

Das spiegelte sich auch in der Berechnung der Nährstoffversorgung wider: Danach lag vor allem die Eisenzufuhr der Kinder sehr deutlich unter dem empfohlenen Referenzwert. Nach den Angaben der Eltern wurde allerdings nur 1% der Kinder vegetarisch ernährt. „Das wenige Fleisch in der Ernährung ist also eher keine bewusste Entscheidung der Eltern“, sagte dazu Leonie Burgard vom Institut für Ernährungsverhalten des MRI.

Überschritten wurde hingegen die empfohlene Obstmenge. Nun gilt Obst zwar grundsätzlich als gesund, es schmeckt allerdings in der Regel süß. Bezieht man dann noch das Ergebnis ein, dass rund die Hälfte der unter Einjährigen auch bereits gelegentlich Süßigkeiten bekamen, dann ergibt sich für die Experten trotzdem ein beunruhigendes Bild und deutlicher Optimierungsbedarf. Denn die Ernährung im frühen Kindesalter könnte spätere Vorlieben für Süßes beeinflussen.

 
Man muss sich eventuell angereicherte kommerzielle Produkte näher ansehen, ob sie für die hohe Zufuhr verantwortlich sein könnten. Leonie Burgard
 

Zu diesen Ergebnissen passen die ebenfalls auf dem DGE-Kongress von Stephanie Voß von der Universitätsklinik Bochum vorgestellten Daten aus der SuSe-Stillstudie. Voß hatte an über 800 Eltern-Kind-Paaren aus der Studie die Einführung der Breikost untersucht.

Auch nach den SuSe-Daten bekamen die Kinder relativ viel Obst: Denn mehr als 50% der Eltern fütterten reinen Obstbrei. Empfohlen wird im Rahmen der Beikost-Einführung allerdings lediglich ein Getreide-Obst-Brei.

Vitaminversorgung meist gut

Die Vitaminversorgung der Kinder schätzten die Wissenschaftler beim Vergleich mit den EFSA-Referenzwerten in der Regel als gut ein (EFSA: European Food Safety Authority). Bei den Vitaminen A, C und K lag die Aufnahme allerdings drei- bis vierfach über den Referenzwerten. „Man muss sich eventuell angereicherte kommerzielle Produkte näher ansehen, ob sie für die hohe Zufuhr verantwortlich sein könnten“, vermutete Burgard.

 
29% erfüllen also die Empfehlung, während der Beikost-Einführung weiter zu stillen. Sara Jansen
 

Überhaupt zeigte sich bei den Untersuchungen eine hohe Verwendung kommerzieller Produkte – mehr als 50% ihres Essens bekommen die Kinder in Form von Babygläschen, Milchpulver und Co. Das sei aber auch bereits in den 20 Jahre alten früheren Daten so sichtbar gewesen, so Jansen: „In Deutschland sind kommerzielle Produkte relevanter als im europäischen Vergleich.“

Muttermilch bekamen im 2. Lebenshalbjahr allerdings nur noch ein knappes Drittel der Kinder. „29% erfüllen also die Empfehlung, während der Beikost-Einführung weiter zu stillen“, erklärte Jansen.
 

Kommentar

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