Apps zu Therapiezwecken kann man mittlerweile verschreiben, und auch zur Adipositas-Therapie stehen 2 davon bereits vorläufig im Verzeichnis Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Zu beiden Anwendungen laufen allerdings noch Studien.
Wie Apps zur Adipositas-Behandlung wissenschaftlich momentan einzuschätzen sind, hat die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Christina Holzapfel von der LMU München gerade auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zusammengefasst [1].
In bisherigen Studien schneiden Apps, was die Erfolge bei der Gewichtsreduktion angeht, eher durchschnittlich ab. Im Vergleich mit Standardtherapien führen sie nicht unbedingt dazu, dass die Teilnehmer mehr abnehmen würden – eine neuere Metaanalyse zeigt allerdings Effekte auf Ernährungsverhalten und ernährungsabhängige Endpunkte wie etwa den Body-Mass-Index (BMI).
Die meisten Studien haben allerdings gemeinsam, dass sie nur Kurzzeiteffekte beobachten. Rückschlüsse auf langfristigen Verlauf von Gewicht oder Ernährungsverhalten lassen sich daraus in der Regel nicht ziehen.
Kein Ersatz für persönliche Betreuung?
„Apps können wahrscheinlich den persönlichen Kontakt nicht ersetzen.“ Dies ist Holzapfels persönliche Meinung zum Thema.
Allerdings haben die digitalen Helfer durchaus ihre Stärken: Gerade bei der Selbstbeobachtung, bei Fragen wie ‚Wie viel esse ich eigentlich und wie oft bewege ich mich?‘ können Apps wohl gut helfen und damit den Gewichtsverlust unterstützen. Auch für Ernährungsfachkräfte seien die in der App gesammelten Daten nützlich, um gezieltes Feedback zu geben oder eine Langzeitbetreuung durchzuführen, sagte Holzapfel.
Allerdings veralten die Studien in diesem Bereich extrem schnell, bemerkte Holzapfel: „Wir brauchen mehr Untersuchungen mit der neuen Generation solcher Apps.“ Denn bei den Möglichkeiten für Nutzer gebe es ständige Fortschritte, heutige Apps würden vermutlich auch deutlich intensiver genutzt als noch die Version aus einer ersten Studie aus dem Jahr 2015.
Auch die Konstanzer Psychologin Prof. Dr. Britta Renner, die Apps im Ernährungsbereich für die Forschung nutzt und untersucht, ist derselben Meinung: „Nach einem Zeitraum von 3 Jahren sehen die Apps schon völlig anders aus.“
Bei Online-Programmen sei in Deutschland das Angebot überschaubar, und randomisiert-kontrollierte Studien lägen dazu nicht vor, vervollständigt Holzapfel ihre Zusammenfassung. Eine britische Studie hätte für dort verfügbare Online-Programme allerdings keine überzeugende Wirkung bezüglich einer Gewichtsabnahme nachweisen können. „Die Teilnehmer der Online-Programme haben in dieser Studie nur marginal besser abgeschnitten als die Kontrollgruppe“, sagte Holzapfel.
Wie Übergewicht im Alter behandeln?
Immer wichtiger wird in Sachen Übergewicht allerdings eine Altersgruppe, für die Apps und Onlineprogramme in vielen Fällen keine Option sein dürften. „Gerade bei den höheren Altersgruppen hat die Prävalenz der Adipositas in letzter Zeit enorm zugenommen“, erklärte Dr. Eva Kiesswetter vom Institut für Biomedizin des Alterns an der Universität Nürnberg auf dem DGE-Kongress.
Zusätzlich zu den ohnehin bekannten Folgen seien bei alten Menschen auch Auswirkungen auf das Sturzrisiko, auf Schmerzen oder kognitive Leistungen und überhaupt auf die Selbständigkeit zu befürchten. Allerdings gebe es gerade im Alter auch Bedenken gegen eine Gewichtsreduktion. Denn eine Abnahme der Muskelmasse oder der Knochendichte könnte bei alten Menschen besonders riskant sein.
In einer Netzwerk-Metaanalyse haben Kieswetter und ihre Kollegen daher untersucht, welche Interventionen zur Gewichtsreduktion sich positiv auf die körperliche Funktionsfähigkeit älterer Menschen auswirken. Das Team konnte 49 geeignete Studien in ihre Auswertungen einbeziehen.
Das Ergebnis: multimodale Therapien, also die Kombination aus Ernährungs- und Bewegungsintervention sowie einer Verhaltenstherapie, brachten die besten Ergebnisse. Damit konnte der Funktionsstatus verbessert und das Körpergewicht moderat reduziert werden, ohne dass Muskelmasse verloren ging.
„Allerdings waren in den vorliegenden Studien eher die jüngeren Alten vertreten. Es ist nicht klar, ob man die Ergebnisse auf wirklich Hochbetagte übertragen kann“, gab Kieswetter zu bedenken.
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Diesen Artikel so zitieren: Abnehmen mit dem Handy: Apps zur Adipositas-Behandlung – für wen sind sie geeignet und bestätigen Studien die Wirksamkeit? - Medscape - 21. Mär 2022.
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