Was geht mit Berechtigungsschein, was ohne? Das sollten Sie bei ärztlicher Hilfe für Geflüchtete beachten

Nadine Ettling, Redaktion: Sebastian Schmidt 

Interessenkonflikte

18. März 2022

Wegen des Kriegs in der Ukraine flüchten viele Menschen nach Deutschland. Die Hilfsbereitschaft im Land ist groß. Der so wichtige Zugang zu medizinischer Versorgung ist jedoch unübersichtlich und stellt Leistungserbringer vor viele bürokratische Herausforderungen. 

Wer wann für die medizinische Versorgung und die Kosten zuständig ist, hängt im Wesentlichen vom aktuellen Status des Geflüchteten ab. Die einschränkenden Regelungen hierzu wurden in den letzten Jahren immer wieder angepasst und je nach Bedarf weiter oder enger ausgelegt. Verstöße gegen Verfassungs-, Europa- und Völkerrecht werden diskutiert.

So ist die aktuelle Situation

  1. Direkt nach Ankunft erfolgt die medizinische Erstversorgung in Verantwortung der Länder regelmäßig über Hilfsorganisationen und zugehörige Sanitätsdienste. Eine Kostenübernahme bei Behandlung durch niedergelassene Mediziner ist zu diesem Zeitpunkt nicht sichergestellt.

  2. Mit Beginn des laufenden Asylverfahrens kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) anwendbar ist. Die Asylbewerber können und sollen dann einen sogenannten Berechtigungsschein vorlegen, mit dem der Arzt oder die Ärztin die Kosten der Behandlung gegenüber der zuständigen KV abrechnen kann.

  3. Asylbewerber, die sich seit 18 Monaten im Bundesgebiet aufhalten, haben Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung und erhalten damit eine Versichertenkarte, über die die erbrachten Leistungen dann wie üblich vertragsärztlich abgerechnet werden können.

Behandlung mit Berechtigungsschein – Umfang, Art und Abrechnung

Nach § 4 AsylblG haben die Berechtigten Anspruch auf die ärztliche und zahnärztliche Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Das schließt die Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln ein, ebenso sonstige zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen. Eine Versorgung mit Zahnersatz darf nur erfolgen, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.

Ob und welche ärztliche oder zahnärztliche Behandlung im Einzelfall erforderlich ist, beurteilt sich allein anhand medizinischer Gesichtspunkte. Damit wird Entscheidungsgewalt grundsätzlich in die Hände der behandelnden Medizinerinnen und Mediziner gelegt. Wichtig jedoch: die zuständige Behörde darf die ärztliche Einschätzung auf ihre Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit prüfen. Das bedeutet, dass der Kostenanspruch zu Lasten des Arztes oder der Ärztin im Nachhinein in Frage gestellt werden kann. Somit wird auch klar, dass die Beschränkung auf die erforderlichen Leistungen einen Anspruch auf die optimale medizinische Versorgung ausschließt.

Lediglich auf den geschuldeten medizinischen Standard hat die Begrenzung des Leistungsanspruchs von Asylbewerbern keine Auswirkungen. Die erbrachten Leistungen müssen dem allgemein geltenden medizinischen Standard entsprechen. Die Haftung für etwaige Behandlungsfehler bleibt unangetastet.

Die Abrechnung erfolgt meist über sogenannte „Behandlungsscheine“. Diese werden den Geflüchteten von den Sozialämtern quartalsweise oder bei Bedarf nach medizinischer Einschätzung des jeweiligen Sachbearbeiters ausgehändigt. Der Berechtigungsschein ist im Original zur Patientenakte zu nehmen und kann zur Kostenerstattung bei der ausstellenden Behörde eingereicht werden. Zu beachten ist allerdings, dass jede ärztliche Überweisung und jedes ausgestellte Rezept bei dem zuständigen Sozialamt vorlagepflichtig ist.

Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern mit § 264 Abs. 1 SGB V inzwischen die Möglichkeit gegeben, mit einzelnen Krankenkassen Rahmenverträge zur gesundheitlichen Versorgung von Geflüchteten abzuschließen. Einzelne Länder haben hiervon bereits Gebrauch gemacht. So können die Berechtigten mit elektronischen Gesundheitskarten ausgestattet werden, über die die Abrechnung deutlich unkomplizierter und ohne Umweg über das Sozialamt erfolgt.

Ohne legalen Aufenthaltsstatus nur Notfallbehandlung

Problematisch ist – neben der Erfüllung der im normalen Asylverfahren geltenden Formalitäten – insbesondere auch die medizinische Versorgung von Personen, die sich außerhalb eines Asylverfahrens illegal im Bundesgebiet aufhalten. Hier greift nur noch der sogenannte Nothelferparagraph § 25 SGB XII. Danach können zumindest im Notfall erbrachte medizinische Leistungen in angemessenem Umfang vom zuständigen Sozialamt als Aufwendungen vergütet werden.

Dabei muss es sich um einen medizinisch derart dringlichen Fall handeln, der unverzügliches Handeln erforderlich macht, sodass die Behandelten nicht auf eine vorherige Antragstellung beim Sozialamt verwiesen werden kann. Die Behandlung außerhalb eines solchen Notfalls ist nicht davon umfasst und die Patientin bzw. der Patient ist – wenn er nicht pro bono behandelt werden soll – an das Sozialamt zu verweisen.

Kostenabrechnung stößt auf ärztliche Schweigepflicht

Im Zusammenhang mit einer Kostenabrechnung gegenüber dem Sozialamt wird auch die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht diskutiert. Denn tatsächlich können antragstellende Mediziner nicht sicherstellen, dass keine Weitergabe der medizinischen Daten verwaltungsintern auch an die Ausländerbehörde erfolgt.

In der Praxis dürfte ein solcher Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht wohl folgenlos bleiben. Gänzlich auszuschließen ist eine Ahndung allerdings nicht. Sicherheit hiergegen könnte lediglich die in der Praxis wohl schwer umzusetzende Entbindung von der Schweigepflicht durch den Patienten bieten.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf  Coliquio.de .

 

Kommentar

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