Metastudie rehabilitiert Limos: Bei Übergewicht und Diabetes helfen Light-Getränke beim Abnehmen so gut wie Wasser trinken

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

17. März 2022

Für übergewichtige Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt sind oder ein hohes Diabetesrisiko haben, es aber nicht schaffen, von zuckerhaltigen Getränken auf Wasser umzusteigen, können Light-Getränke mittelfristig eine brauchbare Alternative sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Metaanalyse von 17 randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) in JAMA Network Open  [1].

In Ernährungsleitlinien wird üblicherweise empfohlen, auf zuckerhaltige Getränke zu verzichten und stattdessen Wasser oder ungesüßten Tee zu trinken. Vielen Übergewichtigen, die es gewohnt sind, regelmäßig Cola, Limo und Saft zu konsumieren, fällt diese Umstellung aber schwer.

Die gleichen Vorteile wie Wasser

Die Autorengruppe um Néma McGlynn und Dr. John Sievenpiper vom Department of Nutritional Sciences an der Temerty Faculty of Medicine der University of Toronto berichtet, dass der Umstieg von mit Zucker gesüßten Getränken auf mit künstlichen Süßstoffen gesüßte Light-Getränke mit einer Reduktion des Körpergewichts, des Body-Mass-Index (BMI), des Körperfettanteils und des intrahepatozellulären Fettgehalts assoziiert gewesen sei. „Die Light-Getränke hatten die gleichen Vorteile wie Wasser“, schreiben sie.

 
Die Light-Getränke hatten die gleichen Vorteile wie Wasser. Néma McGlynn und Kollegen
 

Künstliche Süßstoffe haben einen schlechten Ruf. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie eine Gewöhnung an den süßen Geschmack begünstigen, so die Geschmackswahrnehmung verringern und die Menschen unempfindlicher für die Geschmacksvielfalt von Lebensmitteln machen. Viel diskutiert wurden auch potenzielle negative Effekte auf das Mikrobiom, die allerdings vorwiegend bei Mäusen und mit hohen Dosierungen gezeigt wurden.

Bias in der Berichterstattung

Prof. Dr. Andreas Pfeiffer von der Klinik für Endokrinologie, Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin an der Charité-Universitätsmedizin Berlin kritisiert einen Bias in der medialen Berichterstattung: „Negative Daten zu künstlichen Süßstoffen werden meist viel mehr berücksichtigt als Studien, die Positives zu Tage fördern.“ Und letzteren wird vorgeworfen, „von den Getränkeherstellern finanziert zu sein“.

 
Negative Daten zu künstlichen Süßstoffen werden meist viel mehr berücksichtigt als Studien, die Positives zu Tage fördern. Prof. Dr. Andreas Pfeiffer
 

Der Hauptgrund dafür, dass Ernährungsleitlinien mit künstlichen Süßstoffen beziehungsweise den damit gesüßten Getränken sehr zurückhaltend sind, liege allerdings darin, dass sie in prospektiven Beobachtungsstudien immer schlecht abgeschnitten hätten, so Pfeiffer.

Reverse Kausalität

Hier liege allerdings eine reverse Kausalität vor, so der Internist: „Übergewichtige, die abnehmen wollen, greifen häufiger zu Light-Getränken, gönnen sich dann aber aufgrund der eingesparten Kalorien, eher noch ein Plätzchen mehr.“ Dies führte dazu, dass künstliche Süßstoffe insgesamt nicht mit einer Gewichtsreduktion assoziiert waren.

McGlynn und ihre Kollegen fokussierten sich ausschließlich auf prospektive RCTs. „Durch die doppelte Verblindung in diesen Studien wissen die Studienteilnehmer nicht, ob sie Cola oder Cola-light trinken“, so Pfeiffer. „Deshalb essen sie nichts zusätzlich.“

Umstieg auf Light-Getränke oder Wasser

Die in die Metanalyse eingeschlossenen Studien umfassten insgesamt 1.733 Teilnehmende, vorwiegend Frauen, die im Schnitt 33 Jahre alt waren. Sie hatten entweder Übergewicht oder Adipositas. Eine Diabeteserkrankung lag nur bei einigen von ihnen vor, sie hatten aber alle ein hohes Diabetesrisiko. 

Verglichen wurde in den Studien der Umstieg von gezuckerten Getränken auf Light-Getränke oder auf Wasser. In einigen Studien tauschten die Teilnehmenden auch Wasser gegen Light-Getränke aus.

Reduktion des Körpergewichts mit Light-Getränken

Der Umstieg von gezuckerten Getränken auf Light-Getränke führte über Nachbeobachtungszeiträume von 2 Wochen bis zu einem Jahr zu einer Reduktion des Körpergewichts um 1,06 kg. Der BMI sank um 0,32 kg/m2, der Körperfettanteil um 0,6% und der intrahepatozelluläre Fettgehalt um 0,42%.

 
Die Metanalyse zeigt, dass künstliche Süßstoffe in prospektiven RCTs keine negativen Effekte haben, sondern im Gegenteil sogar einen gewissen positiven Effekt. Prof. Dr. Andreas Pfeiffer
 

„Die Metanalyse zeigt, dass künstliche Süßstoffe in prospektiven RCTs keine negativen Effekte haben, sondern im Gegenteil sogar einen gewissen positiven Effekt“, so Pfeiffer.

Wasser ohne Assoziation mit Endpunkten

Im Gegensatz dazu berichten die Autoren um McGlynn, dass es bei den anderen beiden Vergleichen keine signifikanten Effekte auf die untersuchten Endpunkte gegeben habe. Es sei lediglich beim Umstieg von gezuckerten Getränken auf Wasser ein Trend zugunsten des Wassers zu beobachten gewesen.

Für Pfeiffer ist dieses Ergebnis „völlig erwartungsgemäß“, denn der Umstieg von zuckerhaltigen Getränken auf Wasser erlaube keine Verblindung. „Die Leute wissen, dass sie Wasser getrunken haben und berücksichtigen diese Kalorieneinsparung bei ihrer restlichen Nahrungszufuhr.“

Widersprüchlichkeiten und niedriger Evidenzgrad

Überraschend ist dagegen das Ergebnis des Umstiegs von Wasser auf Light-Getränke. Zwar gab es auch hier keine statistisch signifikanten Unterschiede, aber einen Trend zugunsten der Light-Getränke. Das Körpergewicht sank nach dem Umstieg immerhin um 1,07 kg.

Die Autoren liefern für diese kontraintuitive Erkenntnis keine Erklärung, weisen aber darauf hin, dass die den Vergleichen von zuckerhaltigen Getränken gegen Wasser und Wasser gegen Light-Getränke zugrundeliegende Evidenz geringgradig gewesen sei. In beiden Fällen habe es Widersprüchlichkeiten hinsichtlich des primären Endpunkts Körpergewicht gegeben, die unter anderem auf die Heterogenität der eingeschlossenen Studien zurückzuführen seien, schreiben sie.

„In derartigen Metaanalysen ist das häufig ein Problem, da Details der Studien unbekannt sind oder nicht angegeben wurden“, erklärt Pfeiffer. Deshalb sei die Angabe und Berücksichtigung des Evidenzgrad wichtig.

Keine Option für Übergewichtige

McGlynn und ihre Kollegen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, „dass Light-Getränke als Ersatz für zuckerhaltige Getränke Körpergewicht und kardiometabolische Risikofaktoren geringfügig verbessern können, ähnlich dem Umstieg auf Wasser, ohne Schaden anzurichten“. Mittelfristig seien sie für übergewichtige und adipöse Erwachsene mit hohem Diabetesrisiko oder bereits manifester Diabeteserkrankung als Alternative für zuckerhaltige Getränke geeignet.

 
Für Übergewichtige sind Light-Getränke dagegen keine Methode um abzunehmen. Prof. Dr. Andreas Pfeiffer
 

Pfeiffer hebt hervor, dass dies vorwiegend für Menschen mit Diabetes gelte, für die Zucker mit Sicherheit schädlicher sei als Süßstoff. „Für Übergewichtige sind Light-Getränke dagegen keine Methode um abzunehmen, da sich die Ergebnisse aus den RCTs zu künstlichen Süßstoffen schwer auf die wirkliche Welt übertragen ließen.“

 

Kommentar

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