Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei transsexuellen Jugendlichen scheinen die psychische Gesundheit zu verbessern

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

15. März 2022

Ist eine geschlechtsbestätigende Betreuung für transsexuelle und nicht-binäre (TNB) Jugendliche mit Veränderungen bei Depressionen, Angstzuständen und Suizidalität verbunden? Diese Frage beantworten Diana M. Tordoff von der University of Washington, Seattle, und ihre Kollegen aufgrund neuer Daten teilweise mit einem Ja. Details haben die Forscher in JAMA Network Open veröffentlicht [1]

Therapien einschließlich Pubertätsblockern und Hormonen waren mit einer um 60% geringeren Wahrscheinlichkeit für mittelschwere oder schwere Depressionen und einer um 73% geringeren Wahrscheinlichkeit für Suizidalität innerhalb eines 12-monatigen Follow-ups verbunden. „Der Zugang zu pharmakologischen Interventionen könnte bereits kurzfristig zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit bei TNB-Jugendlichen führen“, so das Fazit der Autoren. 

 
Der Zugang zu pharmakologischen Interventionen könnte bereits kurzfristig zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit bei TNB-Jugendlichen führen. Diana M. Tordoff und Kollegen
 

Welchen Mehrwert bringen geschlechtsangleichende Maßnahmen? 

Zum Hintergrund: Transgender- und nichtbinäre (TNB) Jugendliche sind aufgrund geringerer sozialer Unterstützung und häufiger Stigmatisierung und Diskriminierung unverhältnismäßig stark psychischen Belastungen ausgesetzt, verglichen mit anderen Jugendlichen. Ob eine geschlechtsangleichende Betreuung mit einer Verringerung der negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit verbunden ist, sei laut Tordoff und ihren Kollegen jedoch unbekannt.

Die Forscher wollten vor allem wissen, welche Effekte direkt nach Beginn der Therapie eintreten. Deshalb planten sie, zu untersuchen, wie sich die psychische Gesundheit im 1. Jahr nach der geschlechtsangleichenden Behandlung verändert. Ihr besonderes Augenmerk galt der Frage, ob die Einführung von Pubertätsblockern (PB) und geschlechtsangleichenden Hormonen (GAH) mit Veränderungen bei Depressionen, Angstzuständen und Suizidalität verbunden ist.

Prospektive Kohortenstudie mit mehr als 100 Jugendlichen

Ihre prospektive Kohortenstudie wurde in einer städtischen, multidisziplinären Gender-Klinik in Seattle mit TNB-Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchgeführt, die sich von August 2017 bis Juni 2018 mit dem Wunsch einer geschlechtsangleichenden Behandlung vorstellten. 

Daten zur psychischen Gesundheit wurden mit Hilfe der Skalen des Patient Health Questionnaire 9-Item (PHQ-9) und des Generalized Anxiety Disorder 7-Item (GAD-7) erfasst, vor allem zur Messung von mittelschwerer oder schwerer Depression bzw. Angst. Selbstberichte über Selbstverletzungen oder Suizidgedanken in den letzten 2 Wochen wurden mit PHQ-9 Frage 9 erfasst. Die Forscher bewerteten Veränderungen der einzelnen Scores gegenüber dem Ausgangswert nach 3, 6 und 12 Monaten. 

Unter den 104 Jugendlichen im Alter von 13 bis 20 Jahren (mittleres Alter 15,8 Jahre), die an der Studie teilnahmen, waren 63 transmaskuline Personen (60,6%), 27 transfeminine Personen (26,0%), 10 nicht-binäre oder geschlechtlich unbestimmte Personen (9,6%) und 4 Jugendliche, die Fragen zur Geschlechtsidentität mit „Ich weiß nicht“ antworteten oder offenließen (3,8%). 

Zu Beginn der Studie litten 59 Personen (56,7%) an mittelschweren bis schweren Depressionen und 52 (50,0%) an mittelschweren bis schweren Ängsten. 45 Teilnehmer (43,3%) berichteten über Selbstverletzungen oder Selbstmordgedanken. Am Ende der Studie hatten 69 Jugendliche (66,3%) PB, GAH oder beide Therapien erhalten, während 35 Jugendliche (33,7%) ohne Intervention geblieben sind. 

Nach Bereinigung um potenzielle Störfaktoren beobachtete Tordoffs Arbeitsgruppe bei Jugendlichen, die PB oder GAH in Anspruch genommen hatten, eine um 60% geringere Wahrscheinlichkeit für Depressionen (bereinigte Odds Ratio [aOR] 0,40; 95%- Konfidenzintervall [KI] 0,17-0,95) und eine um 73% geringere Wahrscheinlichkeit für Suizidalität (aOR 0,27; 95%-KI 0,11-0,65) im Vergleich zu Jugendlichen, die keine PB in Anspruch genommen hatten. 

Es gab jedoch keinen Zusammenhang zwischen PB oder GAH und Angst (aOR 1,01; 95%-KI 0,41-2,51).

Plädoyer für geschlechtsangleichende Maßnahmen

Bleibt als Fazit: Die Autoren haben festgestellt, dass geschlechtsspezifische medizinische Interventionen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Depressionen und Suizidalität über einen Zeitraum von 12 Monaten verbunden waren. 

„Diese Daten ergänzen die vorhandenen Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass eine geschlechtsspezifische Betreuung bei TNB-Jugendlichen über einen kurzen Zeitraum mit einer Verbesserung des Wohlbefindens verbunden sein kann“, schreiben sie. Wichtig sei die Erkenntnis angesichts der hohen psychischen Belastung dieser Gruppe, speziell durch hohe Selbstverletzungs- und Suizidraten. 

 

Kommentar

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