Die American Heart Association (AHA) hat aktuelle Leitlinien der zur Therapie erhöhter Triglyzeridwerte herausgegeben. Eine solche Behandlung ist wichtig, denn selbst wenn ein hoher LDL-Spiegel durch Statine gesenkt wird, erhöhen Triglyceride das Risiko für atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankungen (ASCVD) – das sogenannte kardiovaskuläre Restrisiko. Die Cholesterin-Leitlinien der AHA von 2018 haben das thematisiert. Sie empfahlen, hohe Triglyceride als „risikosteigernden Faktor“ zu betrachten und verbanden damit den Rat, hohe Triglyzeridwerte im Zweifel zu behandeln.
Die AHA sah sich durch 2 Studien dazu veranlasst, die Therapieempfehlungen bei hohen Triglyzeridwerten anzupassen: die JELIS-Studie und die REDUCE-IT-Studie. In beiden Studien wurde Icosapent-Ethyl als verschreibungspflichtige, gereinigte Eicosapentaensäure (EPA) verwendet. Es handelt sich also um EPA allein ohne Docosahexaensäure (DHA). Das ist somit nicht dasselbe wie frei verkäufliches Fischöl, das eine Kombination aus beiden beinhaltet.
JELIS- und REDUCE-IT-Studie
In der JELIS-Studie wurden über 18.000 Personen untersucht. Dabei zeigte sich, dass EPA im Vergleich zur Kontrollgruppe die Zahl der schweren koronaren Ereignisse um 19% senken konnte. An der REDUCE-IT-Studie waren über 8.000 Patienten mit ASCVD oder Diabetes und zusätzlichen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt. Alle Teilnehmer nahmen Statine ein, hatten LDL-Werte unter 100 mg/dl und Triglyzeridwerte zwischen 135 und 499 mg/dl (mittlerer Triglyzeridwert 216 mg/dl).
Die Patienten wurden zufällig der Verumgruppe mit Icosapent-Ethyl 4 g täglich oder der Plazebogruppe mit Mineralöl zugeteilt. Über einen Beobachtungszeitraum von rund 5 Jahren sank der zusammengesetzte kardiovaskuläre Endpunkt um 25%. Die Number needed to treat (NNT) der zu behandelnden Patienten betrug 21. Das Risiko für Vorhofflimmern und Blutungen war in der EPA-Gruppe ebenfalls erhöht.
Auswirkungen auf die Therapie-Empfehlungen
Angesichts dieser Erkenntnisse hat die AHA ihre Empfehlungen überarbeitet:
Die anhaltende Hypertriglyzeridämie wird als ein Nüchtern-Triglyzeridspiegel von > 150 mg/dl nach der Einnahme von Statinen und Lebensstilinterventionen definiert.
Die Hypertriglyzeridämie reagiert auf Änderungen des Lebensstils. Eine Optimierung der Ernährung in Verbindung mit regelmäßigem Ausdauertraining kann zu einer Senkung der Triglyzeridwerte um 20 bis 50% führen, sodass dies immer der erste Ansatz sein sollte.
Medikamentöse Therapie: Bei Patienten mit einer etablierten ASCVD und bei Diabetikern (mit oder ohne ASCVD) und dauerhaft erhöhten Nüchterntriglyzeridwerten von ≥ 150 und < 500 mg/dl sollte vor allem ab einem Alter über 50 Jahre zunächst eine LDL-senkende Therapie eingeleitet werden. Dafür wird als Erstlinientherapie auf ein Statin zurückgegriffen. Je nach Bedarf werden weitere LDL-Senker hinzugefügt. Sobald die maximal verträgliche LDL-senkende Therapie erreicht ist oder der LDL-Spiegel eines Patienten den Zielwert erreicht hat, kann es laut den Leitlinien „sinnvoll sein“, zusätzlich zur Änderung des Lebensstils Icosapent-Ethyl zu geben, wenn die Triglyzeride immer noch erhöht sind.
Mit Blick auf Erwachsene mit hohen Triglyzeridwerten, aber ohne ASCVD oder Diabetes, gibt es nur sehr wenig Belege, auf die wir unsere Entscheidungen in Bezug auf hohe Triglyzeridwerte stützen können. Die Leitlinien raten hier zu einer gemeinsamen Entscheidungsfindung.
Ich persönlich meine, dass wir bei dieser Gruppe den Schwerpunkt auf Veränderungen des Lebensstils legen sollten. Davon würden nicht nur ihre Triglyzeridwerte besser, sondern sie würden in vielerlei Hinsicht davon profitieren: Das allgemeine Krebsrisiko würde sich verringern, Stimmung und Fitness würden besser und es käme seltener zu Depressionen.
Insgesamt kann man sagen, dass es für Menschen mit ASCVD oder Diabetes und anhaltend hohen Triglyzeridwerten von über 150 mg/dl sinnvoll ist, Icosapent-Ethyl als Mittel zur Senkung des kardiovaskulären Risikos in Betracht zu ziehen.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Medscape Nachrichten © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Hohen Triglyzeridwerte: Wie sich die JELIS- und REDUCE-IT-Studien auf die neuen Leitlinien der US-Kardiologen auswirkten - Medscape - 14. Mär 2022.
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