Apps auf Rezept – so geht´s: DGIM legt für Ärzte erste Handreichung zu Digitalen Gesundheitsanwendungen vor

Redaktion

Interessenkonflikte

9. März 2022

Die AG „Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und Künstliche Intelligenz (KI) in Leitlinien“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hat eine erste, auf Literaturrecherche und Expertenkonsensus beruhende Handreichung erarbeitet [1]. Sie wendet sich an Internisten und andere Ärzte und Experten, die DiGA verordnen, anwenden oder besser verstehen wollen.

Was versteht man unter DiGA?

Digitale Gesundheitsanwendungen, umgangssprachlich auch „Apps auf Rezept“ genannt, sind digitale Anwendungen, die seit September 2020 im Rahmen der medizinischen Versorgung von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet werden können.

Als DiGA können Anwendungen zugelassen werden, deren Hauptfunktion auf einer digitalen Technologie beruht und die sich in erster Linie an den Patienten richten bzw. durch ihn genutzt werden. Das heißt, Smartphone-Apps können als DiGA gelten, aber auch Webanwendungen oder andere Programme.

Die rechtliche Grundlage dafür bildet das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), das in §§ 33a und 139e des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB) abgebildet wurde. Die direkten Kosten einer DiGA tragen nach Verordnung die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV).

Gesundheits-Apps vs. DiGA

Wesentlicher Unterschied zu Gesundheits-Apps im Allgemeinen ist, dass eine verordnungsfähige DiGA ein Medizinprodukt mit CE-Kennzeichnung ist und

  • vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen und in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurde,

  • bei einer DiGA der medizinische Nutzen oder eine „patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung“ beispielsweise durch eine klinische Studie nachgewiesen werden muss,

  • die üblichen hohen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit im Kontext der Nutzung von Patientendaten eingehalten werden müssen,

  • DiGA sich primär über die Erstattung durch GKV oder private Krankenversicherungen (PKV) finanzieren und somit

  • Hersteller keine direkte Werbung schalten oder Daten an Dritte verkaufen dürfen. Allerdings sind wohl „in-app purchases“ zusätzlicher Leistungen möglich, deren Umfang und Bedeutung in diesem Kontext noch nicht abschließend bewertet werden können.

Das Spektrum von DiGA reicht von der Diagnostik über das Monitoring von Krankheitsverläufen und die Therapie bis hin zu verbesserten Strukturen oder Prozessen rund um die medizinische Versorgung.

Am 30. Juni 2021 waren 17 DiGA in die Liste der Bundesbehörde BfArM aufgenommen, am 12. Dezember waren es bereits 24, wobei nach wie vor nur eine internistische DiGA (zanadio, aidhere GmbH, Hamburg, Deutschland; Indikation: E66 Adipositas) sowie eine mit Bezug zu rheumatologischen Erkrankungen (Vivira, Vivira Health Lab GmbH, Berlin, Deutschland; Indikation: M16 sonstige primäre Koxarthrose und 44 weitere Indikationen) verfügbar sind. Beide DiGA sind lediglich vorläufig in das Verzeichnis aufgenommen (innerhalb eines Jahres müssen Daten nachgeliefert werden).

Es gibt allerdings bereits weit mehr Apps, die als Medizinprodukte mit CE-Zertifikat zugelassen sind. Diese finden sich beispielsweise in der Weißen Liste der Bertelsmann-Stiftung und werden dort auch zunehmend von Experten bewertet. Zudem stellt das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland ein Portal zur Bewertung von Gesundheits-Apps zur Verfügung.

Ein weiterer Unterschied zu nicht gelisteten Gesundheitsanwendungen ist, dass die DiGA-Anbieter keinerlei Daten auf Servern mit nicht-europäischem Standort sichern dürfen. Eine Speicherung der personenbezogenen Daten ist nach Nutzungsende nicht gestattet.

Das DiGA-Verzeichnis bietet Informationen über Inhalt und Indikation sämtlicher gelisteter, damit vorläufig oder bereits dauerhaft zugelassener DiGA. Am 12. Dezember 2021 wurden 6 von 24 DiGA dauerhaft und 18 auf Erprobung vom BfArM zugelassen. Von den 7 in den letzten 6 Monaten neu zugelassenen DiGA sind alle bis auf eine vorläufig aufgeführt.

Verordnungsprozess

DiGA können zum einen von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass eine DiGA auf Antrag des Versicherten bei korrekter Indikationsstellung direkt über die Krankenkasse zur Verfügung gestellt wird. Die Kosten für DiGA werden vollständig und unmittelbar von der Krankenkasse bezahlt.

DiGA haben eine Pharmazentralnummer (PZN) und sollten über die entsprechende Praxissoftware auffindbar sein. Die PZN einer DiGA ist zudem im BfArM-Verzeichnis unter „Information für Fachkreise“ im Bereich „Verordnung“ hinterlegt.

In Abhängigkeit von der Indikation können DiGA einmalig oder regelmäßig verordnet werden. Bei dauerhafter Anwendung werden DiGA im Regelfall für 90 Tage, also quartalsweise, verordnet. In der „Information für Fachkreise“ wird zudem angegeben, für welchen Zeitraum (6 Monate, 12 Monate etc.) die Verordnung der DiGA insgesamt empfohlen wird. Manche DiGA unterscheiden aufgrund von Zusatzfunktionen zwischen Erst- und Folgeverordnung. Dann ist bei der Erstverordnung eine andere PZN als bei der Folgeverordnung zu verwenden (z.B. Rehappy).

Die DiGA-Verordnung erfolgt über ein „normales“ Rezept, das der Patient bei der Krankenkasse einreicht. Das Rezept muss folgende Angaben enthalten: „digitale Gesundheitsanwendung“, „PZN …“ und Name der DiGA. Die Informationen können dem DiGA-Verzeichnis des BfArM entnommen werden.

Im Fall einer App-basierten DiGA erhält der Patient nachfolgend seitens der Krankenkasse einen Freischaltungscode, über den die App freigeschaltet wird, die er aus dem mit seinem Gerät kompatiblen App-Store herunterladen kann.

Für DiGA gilt das Sachleistungsprinzip. Das bedeutet, die Kosten werden vollständig und unmittelbar von der Krankenkasse bezahlt. Eine Zuzahlung für Versicherte besteht nicht. Für Verordner ist von Interesse, dass derzeit keine Budgetdeckelung vorgesehen ist. Unberührt davon bleibt jedoch das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß SGB V.

Verordnung durch Krankenhausärzte

Der Einsatz von DiGA ist momentan noch nicht für den stationären Bereich vorgesehen. Im Rahmen des vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Entlassmanagements (§ 39 Abs. 1a SGB V) besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, Verordnungen für bis zu 7 Tage nach Entlassung auszustellen, „soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist“.

Da DiGA jedoch für 90 Tage verordnet werden, ist unklar, ob DiGA, die unmittelbar die Versorgung eines Patienten nach Entlassung unterstützen, grundsätzlich von Krankenhausärzten verordnet werden können.

Mögliche Folgeverordnungen sind dann sowieso vom ambulanten Sektor vorzunehmen. Für Leistungen, die für eine Verordnung notwendig sind, ist im Rahmen des Entlassmanagements bisher keine gesonderte Vergütung vorgesehen. Die Verordnungspraxis in den Hochschulambulanzen der Universitätskliniken war bei Redaktionsschluss noch unklar.

Einbindung von Apps/DiGA in die ärztliche Betreuung

Im Idealfall kann der Arzt über eine DiGA medizinische Leistungen externalisieren, die möglicherweise nicht ausreichend gut über das Vergütungssystem abgebildet werden können. Dazu könnte beispielsweise die strukturierte Anleitung zur Durchführung geeigneter Bewegungsübungen durch eine DiGA gehören, für die ärztlich sonst Krankengymnastik verordnet werden kann, aber eben nicht in ausreichendem Umfang.

Ebenfalls besteht die Hoffnung, dass der Behandler so mehr Zeit für die Interaktion mit dem Patienten gewinnt. Anhand von Arztreports, die sich aus einigen DiGA erstellen lassen, können zudem zusätzliche Informationen gewonnen werden, anhand derer sich die individuelle Therapie möglicherweise optimieren lässt.

Für den Erfolg von DiGA wird es entscheidend sein, dass deren Verordnung nicht mit einem nicht vergüteten Mehraufwand einhergeht, beispielsweise durch stark erklärungsbedürftige Produkte oder häufige Nachfragen von Patienten.

Auch muss die Frage nach Regressrisiken klar beantwortet werden. Aktuell gibt es hier noch keine Rechtsprechung, da der Verordnungsprozess erst im September 2020 begonnen wurde. Zudem ist zu klären, ob möglicherweise notwendige Einweisungen in eine DiGA an medizinische Fachangestellte delegiert werden dürfen, ob hierfür spezielle Schulungen angeboten werden und wer diese finanziert.

Wichtigster Punkt ist aber sicherlich, dass die Anwendung einer DiGA nicht das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient stören darf.

Nur wenn diese Punkte ausreichend adressiert werden und klar wird, dass eine DiGA komplementär zum Arzt, zur Medikation und zu Heilmitteln ist, sowie zu einer Verbesserung der medizinischen Versorgung bzw. zu einem höheren medizinischen Nutzen führt, werden DiGA zukünftig erfolgreich sein.

Haftungsfragen

Zu Fragen der Arzthaftung im Zusammenhang mit der Verordnung von DiGA lässt sich die folgende Sachlage recherchieren: Der Einsatz von Apps kann für Patienten sinnvoll und sogar medizinisch geboten sein. Zu Haftungsfragen gibt es bisher jedoch kaum Erfahrungen.

Allerdings lassen sich Parallelen zur Empfehlung einer traditionellen Behandlungsoption ziehen, bei der behandelnde Ärzte auch wissen müssen, auf welcher Evidenz sie beruht, für welche Patienten sie geeignet ist und welche Risiken bestehen. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die Empfehlung digitaler Anwendungen.

Grundsätzlich muss im Schadensfall auch hier der Patient nachweisen, dass der Verordner fehlerhaft gehandelt hat und darauf der eingetretene Schaden zurückzuführen ist.

Bei der ärztlich veranlassten Anwendung von Medizinprodukten (wie DiGA sie stets sein müssen, vgl. § 33a Abs. 1 SGB V) kommt sowohl eine vertragliche als auch eine deliktische Haftung in Betracht. Aus Sicht eines DiGA-Herstellers könnte zudem die Produkthaftung beachtlich sein. Im Bereich der Medizinprodukte ist zudem die Haftung eines Medizinproduktebetreibers zu beachten, wie sie etwa zur Anwendung kommt, wenn ein Arzt beispielsweise ein Ultraschall- oder Röntgengerät betreibt und beim Betrieb ein Schaden am Patienten entsteht.

Diese Konstellation ist für DiGA in der Regel nicht einschlägig, weil DiGA als veranlasste Leistung verordnet werden und gerade nicht von Ärzten, sondern vom DiGA-Hersteller betrieben und von Patienten selbstständig angewendet werden. Für Schäden, die durch Produktfehler entstehen können, ist daher das Produkthaftungsgesetz anzuwenden, nach dessen Grundsätzen der DiGA-Hersteller in Haftung genommen werden kann.

Arzthaftungsfälle im Sinne einer Behandlungsfehlerhaftung kommen in Betracht, wenn die Behandlung nicht den allgemein anerkannten fachlichen Standards (§ 630a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) entspricht. Das wäre etwa der Fall, wenn die Verordnung einer DiGA kontraindiziert wäre und dennoch verordnet würde.

Der Bereich der Arzthaftung ist bei der Verordnung einer DiGA insofern parallel zur Haftung bei der Verordnung eines Hilfsmittels (oder Arzneimittels) zu sehen. Unseres Erachtens ergeben sich daraus, dass das verordnete Medizinprodukt hier in der Regel eine Softwareanwendung ist, keine Besonderheiten, die gänzlich neue Haftungsrisiken mit sich bringen würden. Allerdings fehlt es derzeit noch an entsprechender Rechtsprechung.

Es bleibt daher sicherlich abzuwarten, ob sich anhand von Einzelfallentscheidungen der Gerichte lediglich Präzisierungen oder ganz neue Kasuistiken ergeben. Weder das BfArM noch die gematik verfügt bisher über haftungsrechtliche Gutachten zum Thema digitale Gesundheitsanwendungen; und die gematik ist bisher in den gesamten DiGA-Prozess nicht involviert.

Im DVG finden sich folgende Hinweise zur Haftung. Für den verschreibenden Arzt kommt grundsätzlich eine Haftung aus dem mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag nach § 280 I i.V.m. §§ 630aff. BGB sowie aus Deliktsrecht gemäß § 823 I und II BGB in Betracht. Im Rahmen des Behandlungsvertrags schuldet der Arzt den sogenannten Facharztstandard. Wählt der Arzt die Anwendung einer neuen und noch nicht allgemein eingeführten Methode mit noch nicht abschließend geklärten Risiken, so hat er den Patienten umfassend aufzuklären.

Allerdings wird dem Arzt bei nicht vorhersehbaren Fehlfunktionen der DiGA mit negativen Gesundheitsauswirkungen auf den Patienten nur selten ein Verschuldensvorwurf zu machen sein, soweit er das betreffende Risiko nicht kannte bzw. kennen musste. Des Weiteren liegt im Bereich der vertraglichen Arzthaftung gemäß §§ 630a ff. BGB die Beweislast im Hinblick auf den Kausalitätszusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem vom Patienten erlittenen Gesundheitsschaden grundsätzlich beim Patienten.

Fragen und Antworten im Überblick

Wer ist zuständig bei Problemen oder Fragen?

Hersteller von DiGA sind gesetzlich dazu verpflichtet, einen Patienten-Support anzubieten, der innerhalb von 24 Stunden Anfragen von Patienten beantwortet. Allerdings ist zu erwarten, dass verordnende Ärzte primär von ihren Patienten kontaktiert werden.

Sind die im Rahmen einer DiGA erhobenen Daten sicher?

DiGA müssen nicht nur die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erfüllen, sondern zusätzliche Regularien der DiGA-Verordnung. Dies soll sicherstellen, dass Daten nicht gegen den Willen des Patienten verwendet werden. Die Einhaltung der Regularien wird bei der Zertifizierung und Zulassung der DiGA geprüft.

Wird mit Daten Geld verdient?

Einige DiGA bieten Patienten die Möglichkeit, ihre Einwilligung zu erteilen, damit die erhobenen Daten in verschlüsselter und pseudonymisierter Form zu Zwecken der medizinischen Forschung genutzt werden können. Eine Veräußerung von Patientendaten ist den Herstellern untersagt.

Dürfen Krankenkassen auf die Daten zurückgreifen?

Nein, Krankenkassen haben momentan keinen Zugriff auf die in DiGA generierten Daten. In Zukunft soll eine Einbindung der DiGA in die elektronische Patientenakte (ePA) erfolgen. Die genauen Rahmenbedingungen sind derzeit noch nicht ausgearbeitet. Grundsätzlich soll der Patient selbst bestimmen können, wer Einblick in und Zugriff auf die ePA erhält, wobei Zugriff auf die ePA nur Leistungserbringern und nicht Kostenträgern erteilt werden kann (siehe dazu insbesondere § 352 SGB V).

Erstatten private Krankenversicherer die Kosten einer DiGA?

Die Erstattung durch PKV ist noch nicht eindeutig geregelt. Es wird damit gerechnet, dass bei nachgewiesenem medizinischem Nutzen die Kosten seitens der PKV übernommen werden. Die Preise für privat Krankenversicherte und Selbstzahler sind in der Regel der Website der Hersteller zu entnehmen.

Momentan erfolgt die Preisfestsetzung für die ersten 12 Monate durch den Hersteller. Anschließend gilt der mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelte Preis. Bei vorläufig aufgenommenen DiGA erfolgen die Preisverhandlungen erst nach Ablauf der 12 Monate, sodass der Preis erst nach mehr als einem Jahr feststeht´– bis dahin gilt der Preis des Herstellers, wobei Rückzahlungen bei später geringer angesetztem Preis möglich sind.

Wer haftet für Fehlanwendungen und Nebenwirkungen?

Die Haftung erfolgt in Abhängigkeit vom Verschulden. Grundsätzlich sind Hersteller dazu verpflichtet sicherzustellen, dass die Anwendung frei von Risiken erfolgt. Im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit ist darauf zu achten, dass die Diagnose für die verschriebene DiGA vorliegt und alle Kontraindikationen ausgeschlossen wurden.

Muss ein Aufklärungsgespräch vor Verordnung erfolgen?

Grundsätzlich ja, wie bei jeder anderen Verordnung auch. Konkret steht etwa bei der DiGA elevida: „Mitwirkung als Leistungserbringer: Information und Aufklärungsgespräch über elevida“. In Analogie zu anderen Aufklärungsgesprächen ist eine Dokumentation des zur DiGA geführten Gesprächs sinnvoll.

Fazit für die Praxis

  • DiGA sind innovative, neue Mittel, die Internisten zukünftig in der Diagnostik und Therapie unterstützen könnten.

  • Zahlreiche offene Fragen, insbesondere zur Verordnungspraxis, und das aktuell noch sehr geringe Angebot internistischer DiGA schränken den Nutzen in unserem Indikationsgebiet noch ein.

Ein Beispiel: DiGA zanadio – mögliche Fragen und Unklarheiten

Die DiGA zanadio war zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung des vorliegenden Beitrags die einzige rein internistische DiGA (Indikation E66: Adipositas). Wie im Folgenden beschrieben, wurden daher die Informationen für den Verordner getestet.

Ziel dieses Tests war es nicht, die App systematisch zu evaluieren, zu beschreiben und mögliche Schwachpunkte zu identifizieren. Vielmehr sollte ein Überblick verschafft und geprüft werden, welche Fragen und Unklarheiten möglicherweise aus (internistischer) Verordnersicht auftreten können.

In der „Information für Fachkreise“ des BfArM-DiGA-Verzeichnisses sind die Indikationen und Kontraindikationen transparent aufgelistet. Unter „Ihre Mitwirkung als Leistungserbringer“ sind weiterführende Leistungen, die vom Hersteller vor Verordnung empfohlen werden, dargestellt, beispielsweise GOP 35100 – Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitsbilder, GOP 03230 – Problemorientiertes ärztliches Gespräch.

Aus der „Information für Fachkreise“ erschließt sich nicht eindeutig, was die App konkret beinhaltet und wie die „patient journey“ genau aussieht. Auf der Website sowie in der Gebrauchsanweisung (Download im DiGA-Verzeichnis) stehen vertiefende Informationen zur Verfügung. Jedoch ist es anhand des derzeit zur Verfügung stehenden Informationsmaterials nicht ausreichend möglich, detailliert zu verstehen, was den Patienten konkret durch die Nutzung der App geboten wird (beispielsweise wie das Ernährungstracking, Sport- und Gewichtstracking konkret funktioniert) und wie viel Zeit täglich aufgewendet werden muss.

Die Funktionsweise und die Abläufe in der App („patient journey“) sind wesentliche Kriterien, die in die Überlegungen, ob die App für einen Patienten geeignet ist, einbezogen werden sollten. Dies setzt jedoch voraus, dass der Arzt auch über diese Informationen verfügt.

Um die App besser zu verstehen, forderten wir über den Support per E‑Mail einen Testzugang an. Ein Testzugang wurde auf Nachfrage umgehend für 14 Tage eingerichtet und auf Wunsch um weitere 14 Tage verlängert. Ein unbefristeter Testzugang wäre begrüßenswert, beispielsweise zu Demonstrationszwecken bei Aufklärungsgesprächen.

Das Konzept von zanadio beruht auf einem individuellen Programm aus den Bereichen „Verhalten, Ernährung und Bewegung“. Patienten sollen täglich ihre aufgenommenen Kalorien (Ernährung) sowie ihre Bewegung (unter anderem Sport) erfassen. Zum Thema Verhalten können persönliche Ziele gesetzt werden und es werden „Ziele“ vorgeschlagen.

Zudem stehen ein persönlicher Berater per Chat und Video-Call sowie eine „Akademie“ mit verschiedenen Informationsmodulen zu den 3 Bereichen zur Verfügung. Ein detaillierter Einblick in diese vielfältigen Funktionen war nur dank des Testzugangs möglich.

Die Erfassung der täglich aufgenommenen Kalorien gestaltet sich sehr detailliert (beispielsweise können verschiedene Apfelsorten ausgewählt werden) und ist dadurch zeitintensiv. Ähnlich ist es beim Fitnesstracking. Speisen mit einem Barcode (Verpackung) lassen sich jedoch direkt in der App scannen, wodurch sich die Erfassungszeit verkürzt. Darüber hinaus kann die App mit einem „Fitnesstracker“ verbunden werden.

Die Benutzerfreundlichkeit sowie die konkreten Anforderungen der App an den Patienten sind wichtige Informationen für den Arzt, um beurteilen zu können, ob diese App für den individuellen Patienten hinsichtlich der motorischen und kognitiven Anforderungen geeignet ist und in seinen Tagesablauf passt.

Zur Evidenz von zanadio können bislang noch keine Angaben gemacht werden, da die App für ein Jahr vorläufig zugelassen ist und gegenwärtig noch eine Studie durchgeführt wird.

Resümee

Für die Einschätzung, ob eine App für einen Patienten geeignet sein könnte, sowie für ein Aufklärungsgespräch ist Informationsmaterial mit Screenshots aus der App sehr hilfreich. Wenn sich der Verordner umfassend informieren möchte und auch verstehen will, was den Patienten in der App konkret erwartet, müssen die Informationen derzeit aus mehreren Quellen zusammengesucht werden: DiGA-Verzeichnis, Gebrauchsanweisung, Website, Flyer, Kontaktaufnahme mit dem Supportteam und Anforderung eines Testzugangs.

Diese Herausforderung ist ausdrücklich nicht spezifisch für zanadio. Reine Fließtexte, wie bisher in Fachinformationen üblich, verdeutlichen sicherlich nicht ausreichend die Funktionsweise einer DiGA. Wie auch bei neu zugelassenen Medikamenten müssen sich Ärzte vor Verordnung umfassend informieren. Übersichtliches und aussagekräftiges Informationsmaterial vereinfacht diesen Prozess.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
 

Kommentar

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