Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 7. März 2022
Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet 78.428 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 innerhalb der letzten 24 Stunden. Am Montag vor einer Woche waren es 62.349 positive Tests. Die 7-Tage-Inzidenz stieg erneut leicht an, und zwar von 1.231,1 am Vortag auf 1.259,2 Infektionen pro 100.000 Einwohner. Weitere 24 Patienten sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der Todesfälle auf 124.126.
Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 6,35 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 4. März, verglichen mit 6,36 am 3. März.
Laut DIVI-Intensivregister waren am 6. März genau 2.102 COVID-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 2 mehr als am Vortag. Aktuell sind 1.109 Betten im Low-Care- und 2.409 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 430 freie ECMO-Behandlungsplätze.
Städtetag: Weiter kaum Interesse an Novavax
BKK findet mehr Impf-Nebenwirkungen in Daten – war ein „Querdenker“ beteiligt?
Experte: Juristische Zweifel an einer Impfpflicht
Weiteres Urteil zu Immunitätsnachweisen – keine Aufgabe von PEI und RKI
Regierungsentwurf: Wie könnte eine optimierte COVID-19-Triage aussehen?
COVID-19: Schlechte Prognosen nach einem Herzstillstand
RECOVERY-Studie: Baricitinib verringert die Mortalität
Städtetag: Weiter kaum Interesse an Novavax
Seit Montag letzter Woche können sich Patienten mit Nuvaxovid® von Novavax impfen lassen. Die Hoffnungen waren – und sind – groß, dass das 1. zugelassene Vakzin auf Proteinbasis so manchen Skeptiker überzeugen könnte.
„In den Impfzentren haben wir noch keinen Run auf den neuen Novavax-Impfstoff beobachtet“, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. „Noch ist es aber zu früh, aus der Zurückhaltung der ersten Tage Schlüsse zu ziehen.“ Dedy betont, Novavax habe „das Potenzial, jene Menschen zu erreichen, die skeptisch gegenüber den bisherigen Corona-Impfstoffen sind“.
BKK findet mehr Impf-Nebenwirkungen in Daten – war ein „Querdenker“ beteiligt?
Ein offener Brief der BKK ProVita sorgt für Schlagzeilen. Bereits Ende Februar hatte die Krankenversicherung dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) geschrieben: „Die unserem Haus vorliegenden Daten geben uns Grund zu der Annahme, dass es eine sehr erhebliche Untererfassung von Verdachtsfällen für Impfnebenwirkungen nach Corona Impfung gibt.“
Das PEI hatte bundesweit zwischen dem 27.12.2020 und dem 31.12.2021 insgesamt 244.576 Verdachtsfälle erfasst. Analysen der BKK ProVita auf Grundlage der Abrechnungsdaten von 10.937.716 Versicherten zeigen 216.695 ärztlich behandelte Fälle von Impfnebenwirkungen nach Corona-Impfungen. Daten umfassen das 1., 2. und die Hälfte des 3. Quartals 2021. „Hochgerechnet auf die Anzahl der geimpften Menschen in Deutschland bedeutet dies, dass circa 4-5% der geimpften Menschen wegen Impfnebenwirkungen in ärztlicher Behandlung waren“, heißt es im Brief. Dies sei ein „erhebliches Alarmsignal“ und spreche für eine „erhebliche Untererfassung der Nebenwirkungen“.
Kritik ließ nicht lange auf sich warten. „Peinliches Unwissen oder hinterlistige Täuschungsabsicht – was davon den Vorstand der BKK ProVita bewogen hat, vor angeblichen Alarmzahlen bei Impfkomplikationen zu warnen, weiß ich nicht“, kommentierte Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Verbandes der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte (Virchowbund), die Zahlen. Heinrich spekuliert bestenfalls über methodische Schwächen. Der ICD-Code U12.9 umfasst auch leichte Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder Fieber. Nur schwere oder bislang unbekannte Nebenwirkungen werden dem PEI gemeldet.
Damit war die Causa nicht zu Ende. „Auf seiner heutigen Sitzung hat der Verwaltungsrat der BKK ProVita beschlossen, sich mit sofortiger Wirkung vom bisherigen Vorstand Andreas Schöfbeck zu trennen“, schreibt die Versicherung. Schöfbeck hatte den offenen Brief unterzeichnet. An den Arbeiten selbst soll laut SWR aber auch ein bekennender „Querdenker“ beteiligt gewesen sein.
Experte: Juristische Zweifel an einer Impfpflicht
Impfungen bleiben ein Thema in Deutschland. Laut offiziellen Zahlen sind 19,7 Millionen Einwohner, sprich 23,6 % der Bevölkerung, nach wie vor ungeimpft. Für 4,0 Millionen im Alter von 0 bis 4 Jahren (4,8 %) gibt es bislang kein zugelassenes Vakzin.
Im politischen Berlin diskutieren Koalition und Opposition weiter über eine Impfpflicht – und über deren rechtliche Bewertung. Jetzt hat sich Hans-Jürgen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zu Wort gemeldet.
Man solle zum jetzigen Zeitpunkt auf die geplante Einführung „verzichten und stattdessen effektivere Impfkampagnen vorbereiten“, sagt Papier. Planungen der Regierung seien „in jedem Fall ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Integrität und Selbstbestimmung“. Dies sei nur zu rechtfertigen, wenn ohne Eingriff wichtigen Gemeinschaftsgütern schwere Gefahren drohten – was angesichts der aktuellen Entwicklung schwer vorherzusehen sei.
Die Abstimmung im Bundestag zur Impfpflicht ist Anfang April vorgesehen. Bereits jetzt positionieren sich weite Teile der CDU/CSU gegen entsprechende Gesetze.
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) hält daran fest. „Die Idee, dass das jetzt immer harmloser und am Ende eine Erkältungskrankheit wird, ist eine ganz gefährliche Legende“, sagte er zuletzt bei Anne Will. Denn der Immunschutz, der sich bei Personen bilde, die sich ungeimpft mit Omikron anstecken würden, sei erheblich geringer als bei der Delta-Variante.
Weiteres Urteil zu Immunitätsnachweisen – keine Aufgabe von PEI und RKI
Längst sind Impfungen auch Thema der Judikative geworden. Im Februar hatte eine Frau aus Berlin mit Erfolg gegen Regeln zur Ausstellung von Immunitätsnachweisen geklagt, wie Medscape berichtet hat. Laut Eilantrag gilt sie mit 1 Dosis Johnson & Johnson als grundimmunisiert.
Ein gegenteiliges Urteil kommt aus Hessen (Az.: 4 L 210/22.DA). Der Kläger, ebenfalls mit 1 Dosis Johnson & Johnson geimpft, monierte, aufgrund neuer Regelungen des Pauls-Ehrlich-Instituts zur Grundimmunisierung sein digitales Impfzertifikat verloren zu haben. Nach entsprechenden Änderungen wurden 2 Dosen statt 1 Dosis erforderlich. Sein Antrag wurde abgelehnt. In ihrer Begründung verwiesen die Richter auf Schwächen bei der Festlegung der Zuständigkeiten.
Wie sie darlegen, sei § 2 Nr. 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung wohl unwirksam, denn das PEI würde in Absprache mit dem RKI bestimmen, welche Regelungen Immunitätsnachweisen zugrunde lägen. Dies widerspreche dem Rechtsstaats- bzw. Demokratieprinzip, heißt es weiter. Sprich: Die Regierung hätte solche Aufgaben selbst übernehmen müssen. Damit ist schon die 1. Regelung, auf welche sich der Kläger berufen hat, Makulatur.
Regierungsentwurf: Wie könnte eine optimierte COVID-19-Triage aussehen?
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zeigte Ende 2021 mögliche Benachteiligungen schwerbehinderter Menschen bei einer Pandemie-bedingten Triage auf, wie Medscape berichtet hat. Vom Bundestag forderten Richter damals nachzubessern.
Jetzt liegt ein Gesetzesentwurf vor – mit dem Ziel, Behinderte, aber auch Hochbetagte in solchen Situationen zu schützen. Entscheidend bei der Triage seien die „Dringlichkeit der intensivmedizinischen Behandlung“, aber auch die „aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit“, heißt es im Entwurf. Komorbiditäten oder die Gebrechlichkeit seien nur zu berücksichtigen, wenn dadurch die COVID-19-Morbidität oder Mortalität beeinflusst werde.
Entscheidungen sollten 2 „mehrjährig intensivmedizinisch erfahrene praktizierende Fachärztinnen oder Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin einvernehmlich“ treffen, wobei sie Patienten „unabhängig voneinander“ zu begutachten hätten. Gebe es kein Einvernehmen, sei eine „weitere, gleichwertig qualifizierte ärztliche Person“ einzubinden. Dabei seien, wie es heißt, „behinderungsspezifische Besonderheiten“ zu berücksichtigen.
COVID-19: Schlechte Prognosen nach einem Herzstillstand
Schon zu Beginn der Pandemie haben Forscher über schlechte Überlebensraten von unter 3% bei stationären COVID-19-Patienten nach einem Herzstillstand berichtet. Unklar blieb, ob es sich wirklich um eine krankheitsbedingte Assoziation oder vielmehr um eine Folge überlasteter Kliniken gehandelt hat. Eine neue Kohortenstudie sollte mehr Evidenz zur Fragestellung generieren.
Diese Studie umfasste 24.915 Patienten mit einem Herzstillstand während der stationären Behandlung mit einem Durchschnittsalter von 64,7 Jahren (39,5% Frauen). Daten kamen aus 286 Krankenhäusern.
Eine klinisch vermutete oder labordiagnostisch bestätigte COVID-19-Infektion lag bei 5.916 Patienten (23,7%) vor. Patienten mit COVID-19 und Herzstillstand waren – verglichen mit Kontrollen – jünger, häufiger männlich und hatten zu Beginn häufiger einen nicht schockfähigen Rhythmus, eine Lungenentzündung, respiratorische Insuffizienz oder eine Sepsis. Sie wurden zum Zeitpunkt des Herzstillstands oft mechanisch beatmet und erhielten Vasopressoren.
Patienten mit COVID-19 und Herzstillstand hatten niedrigere Überlebensraten als Kontrollen (11,9% gegenüber 23,5 %; bereinigtes relatives Risiko 0,65; 95%-KI 0,60-0,71; p < 0,001). Eine Rückkehr des Spontankreislaufs nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand war bei ihnen seltener (53,7% gegenüber 63,6 %; bereinigtes RR, 0,86; 95%-KI 0,83-0,90]; p < 0,001). In der COVID-19-Gruppe wurden Defibrillationen öfter zeitlich verzögert als in der Kontrollgruppe (27,7% gegenüber 36,6 %; RR 1,30; 95%-KI 1,09-1,55]; p = 0,003).
„Selbst nach Berücksichtigung erheblicher Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne COVID-19-Infektion war die Krankheit mit einer um ein Drittel niedrigeren Gesamtüberlebensrate verbunden und ging mit einer um 30% erhöhten Rate verzögerter Defibrillation bei schockbarer IHCA einher“, resümieren die Autoren.
„Obwohl Verzögerungen bei der Wiederbelebung, insbesondere Defibrillation, möglicherweise zu einem geringeren Überleben beigetragen haben, war der negative Zusammenhang von COVID-19 mit dem Überleben in dieser Studie in allen Untergruppen konsistent, einschließlich Patienten, die rechtzeitig mit Defibrillation und Adrenalin behandelt wurden.“
RECOVERY-Studie: Baricitinib verringert die Mortalität
Im Rahmen der RECOVERY-Studie untersuchten Forscher der Universität Oxford und Kollegen zahlreiche COVID-19-Therapien. Ergebnisse zu Baricitinib wurden jetzt als Preprint veröffentlicht.
Zwischen Februar und Dezember 2021 wurden Daten von 4.008 Patienten, sie erhielten als Kontrollen die bestmögliche Therapie, mit denen von 4.148 Patienten unter zusätzlicher Baricitinib-Gabe verglichen. Baricitinib ist ein immunsuppressiver und entzündungshemmender Arzneistoff aus der Gruppe der Januskinase-Inhibitoren.
Zum Zeitpunkt der Randomisierung erhielten 95% der Patienten ein Kortikosteroid wie Dexamethason, 23% Tocilizumab und 20% Remdesivir. 2 Drittel (68%) der Patienten bekamen Sauerstoff und ein Viertel (27%) wurde beatmet.
Die Behandlung mit Baricitinib führte zu einer signifikanten Verringerung der Zahl an Todesfällen. 513 (12%) der Patienten in der Baricitinib-Gruppe starben innerhalb von 28 Tagen im Vergleich zu 546 (14%) in der Gruppe mit Standardtherapie, was einer relativen Verringerung um 13% entspricht (altersbereinigte Rate: 0,87; 95%-KI 0,77-0,98; p = 0,026). Der Nutzen von Baricitinib war unabhängig davon, welche anderen COVID-19-Therapien die Patienten ebenfalls erhielten.
Unter Baricitinib war es auch wahrscheinlicher, dass Patienten innerhalb von 28 Tagen das Krankenhaus verlassen konnten (80% gegenüber 78 %; altersbereinigtes Ratenverhältnis 1,10; 95%-KI 1,04-1,15; p < 0,001).
Bei den Patienten, die zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Studie noch nicht invasiv beatmet wurden, verringerte Baricitinib die Wahrscheinlichkeit einer invasiven Beatmung oder des Todes von 17% auf 16% (Risikoverhältnis 0,90; 95%-KI 0,81-0,99; p = 0,026).
Es gab keine Hinweise darauf, dass die in RECOVERY verwendete Kurzzeitbehandlung mit Baricitinib das Risiko für andere Infektionen oder Thrombosen erhöht.
Credits:
© Björn Wylezich
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Diesen Artikel so zitieren: Aufregung um BKK-Daten zu Impf-Nebenwirkungen; Impfpflicht: Juristische Zweifel; Gesetzentwurf zur COVID-19-Triage - Medscape - 7. Mär 2022.
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