Ist Wladimir Putin schwer krank und nicht mehr Herr seiner Sinne? Oder ist er ein skrupelloser, aber rationaler Machtpolitiker? Da der Kreml und die Ereignisse dort nicht gerade transparent sind, wird über diese Frage viel diskutiert, vor allem in den sozialen Medien und insbesondere seit dem Angriff auf die Ukraine und der Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen.
Fast wahnhaft, ohne Bezug zur Realität
Spekulationen über den Gesundheitszustand des Kreml-Chefs gibt es allerdings schon seit Jahren: „Wenn Wladimir Putin schwer krank ist, ist das für die Welt von Bedeutung“, schrieb etwa das britische Nachrichtenmagazin The Week.
„Der russische Staatschef wirkte fast wahnhaft, als er vor der Morgendämmerung im Kreml eine ‚spezielle Militäroperation‘ zum ‚Schutz' des Donbass ankündigte“, schreibt Robin Wright, Kolumnistin des New Yorker. Putin scheine „jeglichen Bezug zur Realität verloren zu haben“, zitiert sie Nina Chruschtschewa, Professorin für internationale Beziehungen an der New School in New York.
Sie hätte nicht gedacht, „dass er selbstmordgefährdet ist, aber er ist es eindeutig, und er reißt die Welt und uns mit“, so die Urenkelin des ehemaligen sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow. Putin sei ein „rücksichtsloser Größenwahnsinniger mit einer gigantischen imperialistischen Agenda“, ähnlich wie Stalin und Mao.
Nimmt Putin Steroide ein?
Putin sei möglicherweise schwerkrank, sagte vor wenigen Tagen der Kreml-Kenner und frühere Leiter des Moskauer ARD-Büros Udo Lielischkies in der ARD-Sendung hart aber fair. Putin „wirkt nicht ganz so wie noch vor einigen Monaten“, sagte Lielischkies und verwies auf eine Spekulation der langjährigen US-Präsidentenberaterin in Russland-Fragen Fiona Hill. Sie habe in einem Interview die Vermutung geäußert, dass Putin Steroide nehme; diese Medikation könnte zum einen eine Erklärung für sein auffällige Verhalten sein – aber auch für sein aufgeschwemmtes Gesicht.
Dass eine Steroid-Therapie mit kognitiven Störungen und mit Symptomen einer Psychose einhergeht, ist bekannt. Eine umfangreiche Darstellung der unerwünschten Wirkungen von Steroiden auf Verhalten, Kognition und Psyche haben vor wenigen Jahren italienische Wissenschaftler veröffentlicht. Unter dem Begriff „Psychose“ in Zusammenhang mit Steroiden sind dem Beitrag zufolge sowohl akute affektive als auch schizophreniforme Erscheinungen beschrieben worden, welche das tägliche Funktionieren so sehr beeinträchtigen könnten, dass häufig eine Intervention erforderlich sei, so die Autoren.
Affektive Störungen in Form von Manien oder Hypomanien seien die häufigsten psychischen Nebenwirkungen nach dem Beginn einer Behandlung mit Glukokortikoiden. Paranoide Psychosen könnten ebenfalls auftreten.
Demenz oder Krebs
Gerüchte über den Gesundheitszustand von Putin gibt es in regelmäßigen Abständen seit mehreren Jahren. Zu den Erkrankungen, an denen er angeblich leidet, zählen etwa Krebs und Parkinson. Vermutet wird auch Brain Fog, also eine zerebrale Störung infolge einer SARS-CoV-2-Infektion.
Ähnliche Vermutungen gab es auch zum Gesundheitszustand von Donald Trump aifgrund seiner Verhaltensauffälligkeiten. Auch bei Trump wurde – außer einem pathologischen Narzissmus – eine Steroid-induzierte Psychose mit Symptomen wie Euphorie, Antriebssteigerung und Manie vermutet (#SteroidInducedMania). Seine irritierende Verhaltensweisen und seine verbale Zumutungen führten sogar zu der Spekulation, dass er an einer Demenz-Erkrankung leiden, etwa an einer frontotemporalen Demenz. „Is Something Neurologically Wrong With Donald Trump?“, schrieb der US-Journalist James Hamblin in The Atlantic.
Viele Gerüchte, wenig Wissen
Was von all diesen Spekulationen über Putin zutrifft, kann niemand außerhalb des engsten Personenkreises sagen. Möglicherweise trifft auf diese Gerüchte zu, was vor mehr als 2.000 Jahren schon Aischylos (525-456), Schöpfer der griechischen Tragödie, gesagt haben soll: „Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer.“
Dieser Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Vermutungen aus der Ferne: Wladimir Putin – ein rationaler Machtmensch oder ein psychiatrischer Patient? - Medscape - 3. Mär 2022.
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