Ein tragbares Gerät zur Neuromodulation kann den Nutzer in einen meditativen Zustand versetzen, der chronische Schmerzen lindert. Es wurde „Fluxwear Shift“ getauft und sendet elektromagnetische Impulse an das Gehirn des Anwenders. Dadurch synchronisiert es die Neuronen in Mustern, die denen bei der Meditation ähneln, sagte Kamran Ansari. Ansari ist der 16-jährige Geschäftsführer des Unternehmens. Die Low-level-Stimulation wird in Mikrotesla bemessen.
Ansari und seine Schwester Nadia Ansari stellten das Produkt auf der jährlich stattfindenden Fachmesse der „Consumer Technology Association“ CES 2022 vor.
Ja, Sie haben richtig gelesen: Kamran Ansari ist 16 Jahre alt. Das Mathe-Wunderkind hat schon als 10-Jähriger Differenzial- und Integralrechnung betrieben. Mit der Arbeit an dem Gerät begann er, als seine 18-jährige Schwester Nadia im Juli 2017 mit starken Schmerzen im Rahmen eines Guillain-Barré-Syndroms zu kämpfen hatte. Wegen der Schmerzen hatte sie ihren High-School-Abschluss nicht machen können.
Nadia Ansari hatte zahlreiche Medikamente und verschiedene andere Schmerzbehandlungen ausprobiert und wandte sich schließlich der Neuromodulation zu – der Veränderung der Nervenaktivität durch elektrische Stimulation. Die großen Neuromodulationsgeräte, mit denen sie behandelt wurde, verschafften ihr zwar manchmal Erleichterung, aber sie waren umständlich in der Anwendung und der Effekt war kaum nachhaltig, sagte sie.
„Am besten funktionierte bei ihr noch die pulsierende Magnetfeldtherapie (PMF)“, sagte Kamran Ansari. „Aber viele Geräte, die wir für Nadia mit nach Hause brachten, waren so klobig oder derart umständlich in der Bedienung, dass man sie nicht wirklich irgendwohin mitnehmen konnte. Meine Idee war es dann, ein PMF-Gerät für Nadia zu entwickeln, mit dem sie bequem zur Schule gehen und all die Dinge tun konnte, die sie während der Therapie eben tun wollte.“
Erzeugter Zustand wie tiefe Meditation
Kamran Ansari entwarf schließlich das Gerät, das an eine Kadettenmütze geheftet werden kann und mit zahlreichen Emittern bestückt ist, die niedrige Energielevel aussenden und ein multidirektionales Felder erzeugen. Dadurch werde die „Synchronizität oder funktionelle Konnektivität verschiedener Hirnregionen“ erhöht. Dieser Zustand werde auch bei tiefer Meditation erreicht, sagt er. „Wir konnten feststellen, dass unser Gerät diesen Effekt innerhalb von 25 Minuten auszulösen vermag.“
Nadia Ansari begann mit der Nutzung des Gerätes im Oktober 2020. Im März 2021 ging es ihr bereits viel besser. „Ich konnte viele körperliche Aktivitäten wieder aufnehmen“, sagt sie rückblickend. „Vorher hatte ich schon beim einfachen Umhergehen Schwierigkeiten. Ich musste zur Schmerlinderung auch einige Umstellungen bei meiner Ernährung vornehmen. Aber jetzt esse ich wieder alles ganz wie früher. Und ich kann jetzt auch wieder ganztags zur Schule gehen.“
Ansari hat das Produkt an anderen Patienten getestet und dabei EEG-Veränderungen festgestellt. Es wurden inzwischen auch klinische Studien auf den Weg gebracht, um zu sehen, ob sich Effekte auf Schmerzen und Angstzustände dokumentieren lassen, doch bisher wurden noch keine Daten veröffentlicht.
FDA-Zulassung der Klasse I
Im Moment hat das Gerät eine Zulassung der Klasse I der US-amerikanischen FDA (Food and Drug Administration). Diese gilt für Geräte, die „ein minimales Schädigungspotenzial für den Nutzer aufweisen und oft einfach gestaltet sind“. Fluxwear bewirbt die Erfindung derzeit als Meditationshilfe und nicht als Mittel zur Behandlung von Schmerzen oder anderen Krankheiten.
Geschichten über einen jugendlichen CEO, der ein cooles neues Produkt erfindet, machen sich immer gut, aber Ansari meint es ernst mit Fluxwear und der Wirksamkeit des ersten Produkts des Unternehmens.
Bei der Entwicklung des Gerätes ließ sich das Geschwisterpaar von einer Expertengruppe beraten. Zu dieser gehörten Dr. Christine Kraus, klinische Neuropsychologin und Privatdozentin an der University of California in Irvine (UCI), Dr. Ali Elahi, Neurologe aus Newport Beach mit Expertise auf dem Gebiet der repetitiven transkraniellen Magnetstimulation, sowie Prof. Dr. Shaista Malik, Professorin an der UCI und Geschäftsführerin des Susan Samueli Integrative Health Institute.
Neuromodulation zur Schmerzbekämpfung
Der Ansatz der Neuromodulation ist nicht neu und der genaue Wirkmechanismus nach wie vor ungeklärt. Es gibt viele Anwendungsformen, die sich durch die Art der Energie und den Zielbereich im Gehirn unterscheiden. Manche haben sich in klinischen Studien bei Schmerzen als wirksam erwiesen, so Prof. Dr. Sarah Prinsloo von der Palliativ-, Rehabilitations- und integrativen Medizin in der Neurochirurgie des MD Anderson Cancer Center der University of Texas in Houston.
In einer spanischen Studie der TU Madrid von 2013 erhöhte sich etwa die mit einem Algometer gemessene Schmerzschwelle von Fibromyalgie-Patienten, die mit gepulsten 8-Hz-Magnetfeldern von sehr geringer Intensität stimuliert worden waren. Bei Patienten, die eine Placebo-Anwendung erhalten hatten, blieb die Schmerzschwelle unverändert.
„Die Neuromodulation ist ein Instrument, das Schmerzpatienten in ihrem Werkzeugkasten haben können, um ihre Symptome zu bekämpfen, ohne dazu ein weiteres Medikament einnehmen zu müssen. Dies empfiehlt sich vor allem bei Patienten, die bereits stark medikamentös behandelt werden, wie z.B. bei Schmerzen“, sagte Prinsloo. „Ich erhalte ärztlicherseits dazu durchweg positive Rückmeldungen.“
Prinsloo räumte ein, dass es „möglicherweise auch einen gewissen Hype gibt“. Sie selbst habe keinen Kontakt zu den Ansaris und kenne auch das Gerät nur aufgrund der Angaben auf der Website der Firma.
Ein Gerät, das bei einer bestimmten Schmerzart funktioniert, hilft eventuell nicht bei anderen Schmerzen. Das optimale Energieniveau, die Art der Energie, die Häufigkeit der Anwendung, die Frequenz der Pulsabgabe und der Zielbereich könnten u.a. von der Ursache der Schmerzen, den Bewältigungsmechanismen des Patienten und der Medikation abhängen. „Das Ganze ist ziemlich komplex, und daher ist es auch so schwierig, den Mechanismus zu bestimmen“, sagte sie.
Die transkranielle Magnetstimulation kann Nebenwirkungen verursachen, darunter auch Krampfanfälle. Diese ereignen sich jedoch meist nur bei großen, leistungsstarken Geräten, die in medizinischen Kliniken verwendet werden, so Prinsloo. Fluxwear berichtet bisher von keinen Nebenwirkungen durch die Anwendung.
Wearable im Frühjahr auf dem Markt?
Derzeit sammele das Unternehmen Vorbestellungen für das Gerät. Außerdem biete es wöchentlich offene Vorführungen in seinen Räumen im kalifornischen Irvine an, sagte Nadia Ansari, die ebenfalls als Geschäftsführerin des Unternehmens auftritt. „Wir wünschen uns, dass die Menschen es selbst ausprobieren und sehen, wie es funktioniert, bevor sie es kaufen“, sagt sie.
Die Ansaris möchten das Wearable in diesem Frühjahr auf den Markt bringen. In der Zwischenzeit werden sie weiter ihren schulischen Verpflichtungen in Newport Beach, Kalifornien, nachkommen.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Junges US-Geschwisterpaar entwirft Wearable zur Neuromodulation – zur Therapie chronischer Schmerzen und als Meditationshilfe - Medscape - 1. Mär 2022.
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