EMA: Spikevax® für Kinder zwischen 6 und 11; Comirnaty®-Booster ab 12; neue Therapie bei Krebs und Migräne

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

25. Februar 2022

Bei seiner Februar-Sitzung hat sich der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erneut mit COVID-19-Vakzinen befasst. Außerdem wurden 13 Pharmaka zur Zulassung empfohlen, darunter 5 Medikamente mit neuen Wirkstoffen und 1 Orphan Drug [1,2,3]. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:

Spikevax® für Kinder zwischen 6 und 11 Jahren

Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA hat empfohlen, die Indikation für den COVID-19-Impfstoff Spikevax® auf Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren zu erweitern. Der von Moderna entwickelte Impfstoff ist bereits für Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren zugelassen.

Die Dosis von Spikevax für 6- bis 11-Jährige wird niedriger sein als für Personen ab 12 Jahren (50 µg im Vergleich zu 100 µg). Unabhängig von der Personengruppe werden 2 Injektionen in die Oberarmmuskulatur im Abstand von 4 Wochen verabreicht.

Eine Hauptstudie an Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren hat gezeigt, dass die Immunantwort auf die niedrigere Dosis Spikevax (50 µg) mit der höheren Dosis (100 µg) bei 18- bis 25-Jährigen vergleichbar ist, gemessen an der Menge der Antikörper gegen SARS-CoV-2.

Die häufigsten Nebenwirkungen bei Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren sind ähnlich wie bei Personen ab 12 Jahren. Dazu gehören Schmerzen, Rötungen und Schwellung an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Übelkeit, Erbrechen, geschwollene oder empfindliche Lymphknoten unter dem Arm, Fieber sowie Muskel- und Gelenkschmerzen. Unerwünschte Effekte sind in der Regel leicht oder mäßig ausgeprägt und bessern sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung.

Daten deuten darauf hin, dass die Wirksamkeit und Sicherheit von Spikevax® bei Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren mit der Wirksamkeit und Sicherheit bei Erwachsenen vergleichbar ist. Der CHMP kam daher zu dem Schluss, dass der Nutzen von Spikevax® in dieser Altersgruppe die Risiken überwiegt, insbesondere bei Kindern mit Risikofaktoren für schweres COVID-19.

Comirnaty als Booster schon ab 12 Jahren

Außerdem hat der CHMP empfohlen, dass eine Auffrischungsdosis des COVID-19-Impfstoffs Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) Jugendlichen ab 12 Jahren verabreicht werden kann. Comirnaty® ist in der EU bereits als Erstimpfung mit 2 Dosen für Jugendliche (sowie für Erwachsene und Kinder ab 5 Jahren) zugelassen; eine weitere Dosis als Booster ist derzeit ab 18 Jahren erlaubt.

Die Stellungnahme des EMA-Ausschusses stützt sich auf die Auswertung vorläufiger Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten aus einer klinischen Studie mit einer Auffrischungsdosis bei Personen ab 16 Jahren, auf Publikationen, auf Daten aus der Zeit nach der Zulassung sowie auf praktische Erfahrungen mit Auffrischungsdosen bei Jugendlichen aus Israel.

Der Ausschuss war der Ansicht, dass die vorliegenden Erkenntnisse ausreichen, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Immunreaktion auf eine Auffrischungsimpfung bei Jugendlichen mindestens genauso stark ist wie bei Erwachsenen. Aus den verfügbaren Daten ergaben sich keine neuen Sicherheitsbedenken.

„Bei der Entscheidung darüber, ob und wann Auffrischungsimpfungen in dieser Altersgruppe angeboten werden sollen, müssen jedoch Faktoren wie die Ausbreitung und der wahrscheinliche Schweregrad der Krankheit (insbesondere bei der Omikron-Variante) bei jüngeren Personen, das bekannte Risiko von Nebenwirkungen (insbesondere die sehr seltene, aber schwerwiegende Komplikation der Myokarditis) und das Vorhandensein anderer Schutzmaßnahmen und Einschränkungen berücksichtigt werden“, heißt es in der Pressemeldung.

„Wie bei früheren Entscheidungen über die Impfung wird es daher Sache der Experten sein, die Impfkampagne in den einzelnen Mitgliedstaaten leiten, die optimale Entscheidung und den optimalen Zeitpunkt für ihr Land zu empfehlen.“

Kimmtrak® (Tebentafusp) beim Aderhautmelanom

Der Ausschuss für Humanarzneimittel gab zudem eine positive Stellungnahme zu Kimmtrak® (Tebentafusp) für die Behandlung des Aderhautmelanoms, einer Form von Augenkrebs, ab. Kimmtrak® wurde im Rahmen des beschleunigten Beurteilungsprogramms der EMA geprüft.

Das Aderhautmelanom ist eine seltene und aggressive Krankheit, bei der sich Krebszellen im Gewebe des Auges bilden. Zu den Anzeichen eines Aderhautmelanoms gehören verschwommenes Sehen oder ein dunkler Fleck auf der Iris. Patienten mit Aderhaut- oder Augenmelanom haben oft eine schlechte Prognose, da die Krankheit behandlungsresistent ist und sich schnell im Körper ausbreitet, wobei die Leber der häufigste Ort der Metastasierung ist. Wenn sich das Aderhautmelanom ausgebreitet hat, überleben viele Patienten weniger als 1 Jahr.

Die derzeit am weitesten verbreiteten Erstlinientherapien für nicht metastasierte Erkrankungen sind Operationen, Strahlentherapien und Enukleationen (Entfernungen des gesamten Auges). Die Erkrankung tritt vor allem in der Bevölkerung mit heller Hautpigmentierung und hellen Augen auf. Es wird geschätzt, dass das Aderhautmelanom zwischen 5 und 11 Patienten pro Million betrifft.

Tebentafusp, der Wirkstoff von Kimmtrak®, ist ein so genanntes bi-spezifisches Fusionsprotein. Es hilft Immunzellen, nahe genug an die Krebszellen heranzukommen, um sie anzugreifen. Die Behandlung kann bei erwachsenen Patienten eingesetzt werden, welche für das humane Leukozyten-Antigen (HLA)-A*02:01-positiv sind und an einem inoperablen oder metastasierten Aderhautmelanom leiden.

Der CHMP stützte seine Empfehlung auf Daten aus einer randomisierten Phase-3-Zulassungsstudie und einer unterstützenden Studie. An der Zulassungsstudie nahmen 378 zuvor unbehandelte Patienten mit fortgeschrittenem Aderhautmelanom teil, von denen 252 nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, um Tebentafusp zu erhalten, während 126 zur Kontrollgruppe gehörten. Kontrollen erhielten 1 der 3 etablierten Therapien für diese Erkrankung (Dacarbazin, Ipilimumab oder Pembrolizumab). Tebentafusp wurde Patienten über eine intravenöse Infusion verabreicht.

Die Studie zeigte, dass Kimmtrak® das Gesamtüberleben der Patienten verlängerte: Die mediane Gesamtüberlebenszeit betrug 21,7 Monate bei Patienten, die Tebentafusp erhielten, und 16 Monate bei Patienten der Kontrollgruppe.

Die in den klinischen Studien am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Hautausschläge, Fieber und Juckreiz.

PreHevbri® zum Schutz vor Hepatitis-B-Virusinfektion

Außerdem erhielt PreHevbri®, ein rekombinanter, adsorbierter Hepatitis-B-Impfstoff, ein positives Gutachten für die aktive Immunisierung gegen die Hepatitis-B-Virusinfektion.

PreHevbri® induziert die Produktion von spezifischen humoralen Antikörpern gegen das das Hepatitis-B-Oberflächenantigen HBsAg. Es ist bekannt, dass eine Antikörperkonzentration von mindestens 10 mIU/ml Schutz gegen eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus bietet.

Die Vorteile von PreHevbri® liegen in seiner Fähigkeit, nach der 3. Impfdosis schützende Antikörperspiegel zu induzieren. PreHevbri® enthält ein Adjuvans, eine Substanz, die die körpereigene Produktion von Antikörpern verbessert und dafür sorgt, dass der Schutz länger anhält.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind starke Müdigkeit, Schmerzen oder Empfindlichkeit an der Injektionsstelle, Juckreiz an der Injektionsstelle, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen.

Kapruvia® (Difelikefalin) bei Juckreiz aufgrund renaler Erkrankungen

Eine positive Stellungnahme wurde zudem für Kapruvia® (Difelikefalin) zur Behandlung von mittelschwerem bis schwerem Juckreiz im Zusammenhang mit chronischen Nierenerkrankungen erteilt.

Difelikefalin wirkt als selektiver Agonist des Kappa-Opioid-Rezeptors, der bei Aktivierung den Juckreiz reduzieren und immunmodulatorische Wirkungen entfalten kann.

Die Vorteile von Kapruvia® sind eine Verringerung der Juckintensität und eine Verbesserung der Lebensqualität über 12 Wochen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Hyperkaliämie, Somnolenz, Parästhesie und Schwindelgefühl.

Orgovyx® (Relugolix) bei Prostatakrebs

Vom CHMP erhielt Orgovyx® (Relugolix) eine positive Stellungnahme für die Behandlung von Prostatakrebs.

Relugolix, ein Hormonantagonist, bindet kompetitiv an die Rezeptoren des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) im Hypophysenvorderlappen und verhindert so die Bindung des nativen GnRH. Dadurch wird die Ausschüttung von luteinisierendem Hormon (LH) und follikelstimulierendem Hormon (FSH) reduziert, was zu einer Verringerung der Testosteronproduktion in den Hoden führt.

Der Nutzen von Orgovyx liegt in einer chemischen Kastrationsrate von 96,7% im Vergleich zu 88,8% in der Kontrollgruppe. Daten stammen aus einer randomisierten, offenen Studie bei erwachsenen Männern mit androgenempfindlichem fortgeschrittenem Prostatakrebs.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Hitzewallungen, Schmerzen des Bewegungsapparats, Müdigkeit, Durchfall und Verstopfung.

Quviviq® (Daridorexant) bei Schlaflosigkeit

Der Ausschuss gab eine positive Stellungnahme zu Quviviq® (Daridorexant) für die Behandlung von Schlaflosigkeit ab.

Daridorexant wirkt als dualer Orexinrezeptor-Antagonist. Er beeinflusst die Schlafinduktion sowie die Aufrechterhaltung des Schlafs – und verbessert so die Tagesform von Menschen mit Schlafstörungen. Als häufigste Nebenwirkungen wurden Kopfschmerzen und Schläfrigkeit beobachtet.

Vydura® (Rimegepant) bei Migräne

Eine positive Stellungnahme wurde auch für Vydura® (Rimegepant) zur Prophylaxe und Akutbehandlung von Migräne ausgesprochen.

Der Wirkstoff von Vydura® ist Rimegepant, ein Analgetikum, das als Antagonist des Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) wirkt.

Als Vorteile nennt der CHMP die Schmerzlinderung bei akuter Migräne und die Verringerung der monatlichen Migränetage laut Präventionsstudien. Die häufigste Nebenwirkung ist Übelkeit.

Biosimilars und Generika

Außerdem hat der CHMP 2 biosimilare Arzneimittel zur Zulassung empfohlen: Inpremzia® (Humaninsulin [rDNA]) und Truvelog® Mix 30 (Insulin Aspart), beide für die Behandlung von Diabetes mellitus.

5 Generika erhielten ebenfalls eine positive Stellungnahme: Dimethylfumarat Mylan® (Dimethylfumarat), Dimethylfumarat Neuraxpharm® (Dimethylfumarat) und Dimethylfumarat Polpharma® (Dimethylfumarat), alle für die Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose; Amversio® (Betain wasserfrei) für die Behandlung von Homocystinurie, und Sitagliptin Accord® (Sitagliptin) für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2.

Zulassungserweiterungen

Der Ausschuss empfahl Indikationserweiterungen für Arzneimittel, die in der Europäischen Union (EU) bereits zugelassen sind. Dazu gehören Beovu® (Brolucizumab) bei neovaskulärer (feuchter) altersabhängige Makuladegeneration (AMD), Delstrigo® (Doravirin, Tenofovirdisoproxil, Lamivudin) bei HIV-Infektionen, Pifeltro® (Doravirin) bei HIV-Infektionen, Verzenios® (Abemaciclib) bei bestimmten Brustkrebsformen, Yervoy® (Ipilimumab) beim nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom sowie Opdivo® (Nivolumab), ein Wirkstoff, der sich gegen unterschiedliche Tumoren richtet.

Erneute Bewertungen

Nach einer erneuten Prüfung bestätigte der CHMP seine ursprüngliche Empfehlung, die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Ipique® (Bevacizumab) abzulehnen. Dieses Arzneimittel war für die Behandlung der neovaskulären (feuchten) altersbedingten Makuladegeneration bestimmt.

Zum Zeitpunkt der Erstbewertung kritisierte die EMA, dass die Literaturauswertung nur auf Daten beruhe, die mit anderen Bevacizumab-haltigen Arzneimitteln gewonnen worden seien und dass keine Belege für einen Vergleich von Ipique® mit einem anderen Bevacizumab-Arzneimittel bei intravitrealer Anwendung vorgelegt worden wären. Daher war die EMA nicht in der Lage, Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, ob bekannte oder unbekannte Unterschiede zwischen Ipique® und anderen Pharmaka die Wirksamkeit und Sicherheit bei der Behandlung von AMD beeinflussen könnten.

Diese Bedenken änderten sich auch nach einer erneuten Prüfung der vorgelegten Daten nicht, und der CHMP blieb bei seiner Auffassung, dass die Sicherheit und Wirksamkeit von Ipique® nicht ordnungsgemäß nachgewiesen worden sei. Er war deshalb der Ansicht, dass die Risiken von Ipique® den Nutzen überwiegen würden. Sie empfahl, die Genehmigung für das Inverkehrbringen zu verweigern.

Der Antragsteller für Aduhelm® (Aducanumab), einem Pharmakon zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit, beantragte eine Überprüfung des Gutachtens des Ausschusses vom Dezember 2021. Damals wurde die Erteilung einer Genehmigung abgelehnt. Und der Zulassungsinhaber von Tecfidera® (Dimethylfumarat) beantragte eine Überprüfung des EMA-Gutachtens vom Januar 2022. Die Überprüfungsverfahren für beide Anträge werden nach Erhalt der Begründung eingeleitet.

 

Kommentar

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