Affenpocken weiter auf dem Vormarsch: PD Dr. Hartmann fasst alles Wichtige zu Ursprung, Therapie und Schutz zusammen
Transkript des Videos von PD Dr. Martin Hartmann, Heidelberg
Schönen guten Tag,
hier ist Martin Hartmann aus der Hautklinik der Universität Heidelberg.
Es geht heute um Pockenerkrankungen. Wir unterscheiden Tierpocken von den klassischen Pocken, die von Mensch zu Mensch übertragen werden und die uns über Jahrhunderte begleitet haben. In Heidelberg sind sie zuletzt 1958 aufgetreten als ein junger Arzt aus Indien die Erkrankung in die Innere Klinik eingeschleppt hat. Er hat dort einige Patienten angesteckt, von denen 2 verstorben sind. Diese Infektionskette hatte damals ein breites Echo in der Presse ausgelöst.
Den letzten Pockenfall in Deutschland gab es 1972. Die WHO erklärte 1980 die Pocken für ausgerottet.
Schon 1959 wurde in einem Labor in Kopenhagen ein Affenpocken-Virus bei einem Affen festgestellt, deshalb auch der Name – auch wenn der Affe nicht der klassische Wirt war.
In den 1970er Jahren, als auch nicht mehr konsequent gegen Pocken geimpft worden ist, traten erstmals in Westafrika und im Kongogebiet Affenpocken beim Menschen auf.
In der Folge kam es immer wieder zu kleinen Ausbrüchen in diesen Bereichen, wobei die Erkrankungen eher leicht verliefen. Der Subtyp Westafrika hatte eine niedrigere Letalität als der im Kongogebiet.
Es gab auch kleinere Ausbrüche außerhalb von Afrika, so in den USA, als über Nagetiere, die als Haustiere verkauft wurden, Affenpocken eingeschleppt worden sind.
Im Mai 2022 traten erstmals in Europa mehrere Fälle von Affenpocken auf. Hier fiel auf, dass nicht nur die klassischen Übertragungswege, also enger Kontakt, sondern durchaus auch Austausch über Sex zur Übertragung geführt haben muss. Es waren verstärkt MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) von dieser Infektion betroffen.
Aktuell haben wir Stand 31.5.2022 über 300 Fälle in der EU mit einem Hotspot in Portugal. Außerhalb der EU sind es über 200 Fälle, hier ist UK der Hotspot. Hier ist aufgefallen, dass zahlreiche Übertragungen durch Sex bei MSM aufgetreten sind. Es waren also keine engen Haushaltskontakte, sondern häufig wechselnde Partner.
Wie unterscheiden sich die Affenpocken von den menschlichen Pocken?
Es kommt auch zu Symptomen einer viralen Infektion mit Müdigkeit und Fieber, meist über 38,5 °C, dann treten relativ charakteristische Hautsymptome auf. Es treten monomorphe Bläschen auf, die einen gewissen Zyklus haben. Sie beginnen als Flecken, dann werden sie zu Papeln, Bläschen und dann krustet das Ganze ab, ähnlich wie die Varizellen, die aber ein polymorphes Aussehen haben.
Zur Diagnostik gibt es eine spezifische PCR-Diagnostik, die am Anfang in den ersten 4 Tagen über einen Rachenabstrich, später mit einem Hautabstrich erfolgt.
Der Verlauf ist im Moment relativ leicht. Bei Immunsuppression muss allerdings mit schwereren Verläufen gerechnet werden.
Wie therapieren?
Meist reicht eine symptomatische Therapie aus. Es gibt zwei spezifische Virostatika, eines davon – Tecovirimat - ist für die Behandlung der Affenpocken zugelassen, die aber momentan schlecht erhältlich und schweren Fällen vorbehalten sind.
Es gibt auch einen Dritt-Generations-Impfstoff, der nicht mehr die Komplikationen der älteren Impfstoffe hat. Er ist für die Pockenprophylaxe zugelassen, schützt aber auch vor Affenpocken mit einer Kreuzprotektivität von etwa 85%.
Am 2.6.22 wurden in Deutschland bereits über 50 Fälle bei MSM festgestellt. (Anm. d. Red: Stand 13.6. laut RKI: 189 Fälle). Die Entwicklung ist rasant, aber es ist nicht zu befürchten, dass es zu einer weiteren Pandemie kommt.
Vielen Dank fürs Zuhören.
Medscape © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Affenpocken weiter auf dem Vormarsch: PD Dr. Hartmann fasst alles Wichtige zu Ursprung, Therapie und Schutz zusammen - Medscape - 13. Jun 2022.
Kommentar