MEINUNG

„Das ist die Zukunft!“: Mit einer ePRO-App können Krebspatienten und ihre Ärzte besser die Nebenwirkungen einer Immuntherapie managen

PD Dr. Georgia Schilling

Interessenkonflikte

23. Mai 2022

Patient Reported Outcomes (PRO) können die Krebstherapie verbessern. PD Dr. Georgia Schilling stellt eine Studie aus China vor, die eine elektronische Variante erfolgreich getestet hat. 

Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Georgia Schilling, ich bin Chefärztin der internistisch-onkologischen Rehabilitation in der Asklepios-Nordsee-Klinik in Westerland auf Sylt und ich bin auch leitende Oberärztin im Asklepios-Tumorzentrum in Hamburg.

Ich stelle Ihnen wieder einen aktuellen Artikel aus einer meiner Lieblings-Kategorien, den Patient Reported Outcomes (PROs), vor. Der Beitrag wurde von Dr. Liyan Zhang und Mitarbeitern, Peking University School of Oncology, Beijing Cancer Hospital & Institute, im März 2022 in JAMA Network Open veröffentlicht [1]. Er befasst sich mit der Effizienz von elektronischem Gesundheits-Assessment im Sinne von PROs nach einer Immuntherapie. Es handelt sich um eine randomisierte klinische Studie.

Standardisierte Erhebung von Patient Reported Outcomes erhöht Lebensqualität

Wir wissen spätestens seit dem ASCO-Kongress 2017, bei dem Ethan Basch, Chapel Hill in der Plenary-Session berichtet hat, dass die standardisierte Erhebung von PROs in Bezug auf die Symptome bzw. Nebenwirkungen während der Therapie dazu führt, dass sich die Lebensqualität der Patienten und die Patientenzufriedenheit erhöhen [2]. Außerdem konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass es wohl auch einen signifikanten Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit hat.

Deshalb wissen wir, dass die Messung von Toxizitäten, die wir üblicherweise nach CTCAE (Common Terminology Criteria for Adverse Events) machen, der Erfassung von PROs unterlegen ist, weil sie nicht die Patientenerfahrung widerspiegelt. Es wird daher diskutiert, ob in Studien künftig auch standardisiert PROs erhoben werden. Das ist, so muss man sagen, die Zukunft.

Hintergrund der Studie

Wir wissen, dass die Immuntherapie eine Reihe von immunassoziierten Nebenwirkungen hat, die zum Teil zeitverzögert auftreten, oft übersehen werden und häufig außerhalb des Klinikbetriebs in einer Ambulanz auftreten.

Bei einer Immuntherapie treten in 90%, also sehr häufig, immunassoziierte Nebenwirkungen auf. In 20 bis 40% der Fälle sind sie vom Schweregrad 3 oder höher und 2% der Patienten versterben als Folge einer immunassoziierten Nebenwirkung. Das ist nicht wenig.

Deshalb erfordern immunassoziierte Nebenwirkungen eine engmaschige Kontrolle der Patienten, ein zeitgerechtes Follow-Up und ein zeitnahes Handeln. Wir wissen, dass eine Immunsuppression initial mit Steroiden und dann auch mit anderen Medikamenten bei diesen immunologischen Nebenwirkungen sehr gut hilft.

In der Studie ging es um einen Vergleich der Effizienz zwischen ePROs und einem konventionellen Follow-Up. Es war eine offene randomisierte Studie, die multizentrisch in China an Häusern der Maximalversorgung durchgeführt worden ist.

Design der Studie

Insgesamt wurden 300 Patienten nach einer Immuntherapie gescreent, davon wurden letztendlich 278 in die Studie eingeschlossen.

Die Kontrollgruppe erhielt alle 21 Tage klinische Visiten und Follow-Ups per Telefon alle 3 Monate. Die Interventionsgruppe mit den ePROs erhielt einen wöchentlichen Fragebogen (Anm. d. Red: über einen App auf ihr Smartphone oder ihren Computer) zu häufigen Nebenwirkungen und ein Bilderkennungssystem, um das Grading in Form von hoch geladenen Fotos zu ermitteln.

Bei einer Toxizität von Grad 1 oder 2 gab es standardisierte Empfehlungen. Bei einer Toxizität vom Grad 3 oder 4 gab es eine automatische Alarmierung des Behandler-Teams und eine sofortige Intervention.

Die Outcomes, die in der Studie untersucht wurden, waren das Auftreten von immunassoziierten Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 bis 4, die Aufnahme in eine Notaufnahme, die Lebensqualität, Tod, der Zeitaufwand für die Implementierung der ePROs und für die Gestaltung des Follow-Ups sowie die Zahl der Behandlungsabbrüche.

74% der Teilnehmer waren Männer, Altersdurchschnitt 58,8 Jahre.

Ergebnisse

In der Interventionsgruppe kam es mit 20,6% zu deutlich weniger schweren Nebenwirkungen als mit 33,6% in der Vergleichsgruppe. Auch waren deutlich weniger Einlieferungen in die Notaufnahme erforderlich: 16,3 vs. 29,9%. Es gab weniger Therapieabbrüche (3,6 vs. 11,0%), eine höhere Lebensqualität (74,2 vs. 64,7 Scorepunkte ermittelt mit dem EORTC-QLQ-C30) und einen geringeren Zeitbedarf für das Follow-Up (8,2 vs. 36,2 Minuten). Die Sterberaten unterschieden sich nicht zwischen den beiden Gruppen.

Fazit: ePROs sind effizient, sicher und zeitsparend, sie verbessern die Lebensqualität der Patienten und es traten weniger höhergradige immunassoziierte Nebenwirkungen auf.

Vermutlich sind die Nebenwirkungen früher im Verlauf aufgefallen, dann hat der Patient eine standardisierte Empfehlung erhalten.

Die Verbesserung der Lebensqualität führen die Autoren auch darauf zurück, dass die Angst bei den Patienten reduziert worden ist. Auch die Therapieadhärenz ist verbessert worden, wahrscheinlich auch deshalb, weil sich die Patienten gut angebunden fühlten.

Insgesamt, so die Zusammenfassung der Autoren, liefern die ePROs ein verlässliches Nebenwirkungs-Management, verlässliche Informationen an den Patienten dazu und verlässliche Empfehlungen, die dann höhergradige immunassoziierte Toxizitäten rechtzeitig verhindern konnten.

Letztendlich zeigt die Studie im Prinzip die gleichen Ergebnisse, die wir von der Arbeitsgruppe um Basch von 2017 kennen, jetzt übertragen auf die Immuntherapie. Auch hier zeigt sich also ein Gewinn in verschiedensten Richtungen. Es konnte jedoch keine Prognoseverbesserung für die Patienten erzielt werden oder das Ereignis Tod vermieden werden.

Insgesamt sind dies m.E. Ergebnisse, die uns dazu bringen müssten, PROs wirklich standardmäßig während einer Therapie zu erheben. Hierzu bietet sich natürlich ein elektronisches Verfahren an, das der Patient auf dem Smartphone hat oder sich auf den Computer herunterladen kann. Das ist für viele jetzt auch durch die Pandemie mehr als normal geworden. Wir sollten die Chance nutzen, uns mehr damit zu beschäftigen, weil es eine Win-Win-Situation für beide Seiten ist

Damit ganz herzlichen Dank fürs Zuhören und bis bald.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....