Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 14. Februar 2022
Die Zahlen gehen langsam nach unten: Heute meldet das Robert Koch-Institut eine bundesweite 7-Tage-Inzidenz von 1.459,8 Fällen pro 100.000 Einwohner (Vortag: 1.466,5, Vorwoche: 1.426,0). Gesundheitsämter erfassten innerhalb der letzten 24 Stunden 76.465 Corona-Neuinfektionen (Vortag: 125.160 Fälle, Vorwoche: 95.267 Fälle).
Ob es sich wirklich um eine Wende im Infektionsgeschehen handelt, werde die nächsten Tage und Wochen zeigen. Zu einer Verzerrung könnte möglicherweise auch die neue Corona-Testverordnung führen. Nicht alle Patienten mit positivem Schnelltest nehmen einen PCR-Test in Anspruch.
49 weitere Menschen starben in Zusammenhang mit COVID-19. Vor einer Woche waren es ebenfalls 49.
Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nannte das RKI am 11. Februar 6,46 Fälle pro 100.000 Einwohner, verglichen mit 6,23 am 19. Februar.
Laut DIVI-Intensivregister waren am 13. Februar 2.428 COVID-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 31 mehr als am Vortag. Momentan sind 1.067 Betten im Low-Care- und 2.312 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 409 freie ECMO-Behandlungsplätze.
Vor Bund-Länder-Gipfel: Öffnungspläne der Bundesregierung
Genesenenzertifikate: RKI präzisiert Vorgaben
Stopp der institutionenbezogenen Impfpflicht: BVerfG lehnt Eilantrag ab
Allgemeine Impfpflicht: Die Positionen im Überblick
Omikron-Subtyp BA.2 breitet sich weiter aus
Omikron: Schnelltests mit Schwächen
Neue Daten: Schützen COVID-19-Vakzine auch vor Erkältungen?
US-Studie: Erst COVID-19, später weitere Krankheiten
Vor Bund-Länder-Gipfel: Öffnungspläne der Bundesregierung
Den RKI-Zahlen zufolge scheint sich das Krankheitsgeschehen verlangsamen. Politiker sehen das als Signal, Öffnungsszenarien vorzubereiten. „Nach Einschätzung der Experten ist der Scheitelpunkt der Infektionswelle Mitte Februar zu erwarten“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) der DPA. „Wir müssen klären, was kommt zuerst, wie können die einzelnen Stufen für eine Öffnung aussehen und was sind die bundeseinheitlichen Kriterien.“
Jetzt sind Entwürfe zur Vorbereitung des Bund-Länder-Treffens am Mittwoch durchgesickert. „Bis zum kalendarischen Frühjahrsbeginn am 20. März 2022 sollen die weitreichenden Einschränkungen des gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens schrittweise zurückgenommen werden“, heißt es im Papier. Der Vorschlag sieht 3 Stufen auf dem Weg zur Lockerung vor.
Stufe 1: Relativ bald soll der Zugang zum Einzelhandel ohne Kontrollen möglich werden; FFP2-Masken sind zu tragen. Und private Treffen mit mehr als 10 Personen sollen wieder möglich werden.
Stufe 2: Ab dem 4. März schlagen die Politiker Lockerungen für die Gastronomie, für Hotels, Diskotheken und Clubs vor. Hier soll künftig die 3G-Regel gelten, sprich auch Ungeimpfte hätten wieder Zutritt. Derzeit gilt 2G oder 2G plus. Und Großveranstaltungen sollen wieder mit mehr Teilnehmern durchgeführt werden.
Stufe 3: Ab 20. März sollen dem Vorschlag zufolge „aller tiefgreifenden Maßnahmen“ zu Ende gehen, beispielsweise die Homeoffice-Pflichten.
Genesenenzertifikate: RKI präzisiert Vorgaben
Mitte Januar hatte das Bundesgesundheitsministerium nach Vorgaben des RKI den Genesenenstatus von 6 auf 3 Monate verkürzt. Selbst Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach war überrascht, sprach kurz darauf aber nur noch von „Kommunikationsproblemen“. Offenbar waren die RKI-Empfehlungen nicht präzise genug, denn das Institut besserte jetzt nach:
Der neue Genesenenstatus von 90 Tagen gilt nur für Ungeimpfte.
Bei geimpften Genesenen sind es – wie zuvor – 180 Tage.
Apotheken stellen einen Großteil aller Zertifikate aus. Laut Deutschem Apothekerverband sei dies im standeseigenen Portal zur Ausstellung von Impfzertifikaten korrigiert worden. Die Option von 90 Tagen sei „vorerst wieder zurückgenommen“ worden. Das bedeutet, alle Genesenen erhalten ein Zertifikat. Der Impfstatus selbst wird allenfalls bei Kontrollen erfasst.
Stopp der institutionenbezogenen Impfpflicht: BVerfG lehnt Eilantrag ab
Am 10. Februar hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgelehnt. Die abschließende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bleibe jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, heißt es in einer Mitteilung. Die Regelungen treten zum 15. März aber wie geplant in Kraft, könnten aber später revidiert werden.
Die Richter hatten geprüft, welche Folgen ein sofortiger Stopp der Impfpflicht oder eine spätere Erörterung im Hauptsacheverfahren nach sich ziehen. „Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber“, heißt es in einer Meldung. Damit habe der Senat „zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“. Gleichzeitig wiesen die Richter auf bekannte Risiken für vulnerable Personen durch SARS-CoV-2 hin.
Dennoch äußerte das Gericht Kritik an Details. „Es bestehen … Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik“, schreiben sie. Das bedeutet: Der Gesetzgeber muss Impf- und Genesenennachweise inhaltlich präzisieren; die Praxis, nur auf Internetseiten des RKI oder des PEI zu verweisen, wurde infrage gestellt.
Politische Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) begrüßt die Entscheidung. Auf Twitter schreibt der Bundesgesundheitsminister: „Das Bundesverfassungsgericht setzt richtige Priorität. Der Geimpfte trägt ein minimales Risiko der Nebenwirkung. Damit schützt er Ältere und Kranke, die ihm anvertraut sind, vor Tod und schwerer Krankheit. Auch Omikron ist eine Gefahr für diese Menschen.“
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wie auf offene Fragen im Gesetz hin. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bleibt seiner Linie treu, den Vollzug der Impfpflicht auszusetzen.
Allgemeine Impfpflicht: Die Positionen im Überblick
Während die einrichtungsbezogene Impfpflicht trotz offener Fragen eingeführt werden kann, steht die allgemeine Impfpflicht noch ganz im Zeichen politischer Kontroversen. Mittlerweile haben sich viele Abgeordnete positioniert und Anträge verfasst. Die Bundesregierung will keinen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.
7 Abgeordnete der Ampelkoalition plädieren für die allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren. Dazu sollen Krankenkassen ihre Mitglieder informieren. Impfnachweise sind ab Oktober erforderlich, ansonsten drohen Sanktionen.
Abgeordnete um Andrew Ullmann (FDP) machen sich nach italienischem Vorbild für eine Impfpflicht ab 50 Jahren stark. Sie argumentieren mit dem höheren Risiko für schweres COVID-19 mit zunehmendem Alter.
Weite Teile der Union bringen ein dreistufiges Modell in das Gespräch. Es soll generell zum Zuge kommen, falls sich die Lage weiter zuspitzt, aber nicht sofort. Stufe 1 umfasst eine Impfpflicht für alle Einwohner ab 60, während Stufe 2 Menschen ab 50 einschließt. In Stufe 3 gilt die Impfpflicht für alle Mitarbeiter in Bereichen der kritischen Infrastruktur. Ein zentrales Impfregister wäre ebenfalls zu implementieren.
Abgeordnete um Wolfgang Kubicki (FDP) sprechen sich für die Impfung, aber gegen die Impfpflicht aus.
Die AfD ist generell gegen die Impfpflicht.
Wie die Gesetzesinitiative ausgehen wird, ist derzeit offen. „Die Idee von Scholz, eine Impfpflicht für alle, wird im Bundestag ganz sicher keine Mehrheit finden“, so die Einschätzung von Thorsten Frei. Er ist parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag.
Omikron-Subtyp BA.2 breitet sich weiter aus
Im regelmäßig veröffentlichten Wochenbericht informiert das RKI auch zu neuen Varianten von SARS-CoV-2.
Die Sublinien von Omikron haben unterschiedliche Aminosäuresequenzen innerhalb des Spikeproteins. Beispielsweise sind die Aminosäuren 69 und 70 im Spikeprotein von BA.1 und BA.3 deletiert, in BA.2 aber nicht.
In vielen Ländern haben Epidemiologen beobachtet, dass der Anteil von BA.2 gegenüber BA.1 kontinuierlich wächst, etwa in Dänemark, wo die Sublinie BA.2 den größten Anteil an allen sequenzierten SARS-CoV-2-Proben ausmacht. „Haushaltsstudien aus Dänemark und aus dem Vereinigten Königreich deuten darauf hin, dass die Sublinie BA.2 leichter übertragbar ist als BA.1“, schreibt das RKI. „Hinsichtlich der klinischen Charakteristik gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass sich Infektionen mit BA.2 von Infektionen mit BA.1 unterscheiden.“
In Deutschland ist der Anteil von BA.2 laut RKI nach wie vor gering (8,1% in Woche 4, 5,3% in Woche 3, 2,9% in Woche 2).
Omikron: Schnelltests mit Schwächen
Seit 12. Februar gilt die neue Teststrategie der Bundesregierung. Zwar haben alle Bürger weiter Anspruch auf einen PCR-Test – allerdings erst, nachdem sie einen Schnelltest an einer Teststelle gemacht haben. Ein rotes Signal der Corona-Warnapp reicht nicht mehr aus.
Doch Antigen-basierte Schnelltests scheinen einer bislang unveröffentlichten Studie zufolge bei Omikron Schwächen zu zeigen. Prof. Dr. Oliver Keppler von der LMU München hat kommerziell erhältliche Laientests untersucht. 8 von 9 Tests schnitten bei Omikron-haltigen Proben deutlich schlechter ab als bei anderen Varianten. Sie erkannten die Variante trotz einer hohen Viruslast teilweise nicht. Nur 1 Schnelltest erreichte die geforderte Sensitivität von 75%.
Zu deutlich anderen Ergebnissen kam das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB). Hier gab es bei Omikron zwar Abweichungen, die Mindestanforderung von 75% wurde bei allen 28 untersuchten Tests jedoch erreicht.
Eine offizielle Liste der Leistungsfähigkeit von Tests soll vom Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht werden.
Neue Daten: Schützen COVID-19-Vakzine auch vor Erkältungen?
SARS-CoV-2 ist nicht das einzig bekannte Coronavirus. SARS (SARS-CoV-1) und MERS (MERS-CoV) sind Ärzten von früheren Ausbrüchen hinlänglich bekannt. Und harmlosere Vertreter (hCoV-OC43, hCoV-NL63, hCoV-229E) lösen Jahr für Jahr Erkältungen aus. Bestimmte Strukturelemente wie das Spike-Protein sind in diesen Viren ähnlich. Das brachte Forscher an der Universität Ulm auf eine Idee. Sie wollten wissen, ob Vakzine gegen COVID-19 vielleicht auch gegen Erkältungen schützen.
Für ihre Studie rekrutierten sie 24 Probanden und nahmen ihnen 2-malig Blut ab: vor einer Kreuzimpfung mit den Vakzinen von AstraZeneca und BioNTech und 2 Wochen nach der vollständigen Impfung. Im Labor untersuchten sie, wie effektiv die Seren die Infektion von Zellen durch verschiedene Coronaviren hemmen. Für ihre Experimente stellten sie nicht vermehrungsfähige Viruspartikel mit dem Spike-Protein von MERS, SARS, SARS-CoV-2 oder von Erkältungsviren her.
Bereits vor der 1. Impfung hatten die Teilnehmer deutlich neutralisierende Aktivitäten gegen Pseudoviren mit Strukturelementen von hCoV-OC43 und hCoV-NL63 sowie eine schwächere Aktivität gegen das hCoV-229E-Pseudovirus. Nach der Kreuzimpfung steigerte sich die neutralisierende Wirkung gegen Erkältungsviren um das 1,5- bis 4-Fache. Antikörper hemmten auch Virus-ähnliche Partikel mit Strukturelementen von SARS-CoV-1.
Ob der Effekt klinische Bedeutung hat, lässt sich aus In-vitro-Experimenten allein nicht ableiten. Das müssen weitere Studien zeigen.
US-Studie: Erst COVID-19, später weitere Krankheiten
Fast ein Drittel aller älteren Erwachsenen, die im Jahr 2020 an COVID-19 erkrankt waren, entwickelten in den folgenden Monaten mindestens ein weiteres Leiden, das eine ärztliche Behandlung erforderte. Das berichten Forscher im BMJ .
Grundlage ihrer Studie waren digitale Patientenakten von US-Versicherungen. Dir Forscher identifizierten 133.366 Personen im Alter von 65 Jahren oder älter, bei denen vor dem 1. April 2020 COVID-19 diagnostiziert worden war.
Hinzu kamen Aufzeichnungen mehrerer Vergleichsgruppen, teils vor Beginn der Pandemie. Manche Patienten waren gesund, andere litten an einer viralen Erkrankung der unteren Atemwege, aber nicht aufgrund von SARS-CoV-2.
Die Forscher zeichneten ab 21 Tagen nach der COVID-19-Diagnose alle anhaltenden oder neuen Erkrankungen auf und berechneten das zusätzliche Risiko für durch Covid-19 ausgelöste Erkrankungen über mehrere Monate.
Von allen Patienten mussten 32% in der postakuten Phase wegen einer oder mehrerer neuer oder anhaltender Erkrankungen einen Arzt aufsuchten: 11 Prozentpunkte mehr als in der Vergleichsgruppe ohne virale Infekte aller Art. Zu den Erkrankungen in der Post-COVID-Gruppe gehörten u.a. Atemversagen (zusätzlich 7,55 Fälle pro 100 Personen), Müdigkeit (zusätzlich 5,66 Fälle pro 100 Personen), Bluthochdruck (zusätzlich 4,43 Fälle pro 100 Personen) und psychische Gesundheitsdiagnosen (zusätzlich 2,5 Fälle pro 100 Personen).
Im Vergleich zu Genesenen mit anderen viral bedingten unteren Atemwegserkrankungen kam es bei den COVID-19-Genesenen nur häufiger zu Atemstillstand, Demenz und Müdigkeit (plus 2,39, 0,71 beziehungsweise 0,18 Fälle pro 100 Personen).
„Diese Ergebnisse unterstreichen das breite Spektrum wichtiger Folgeerscheinungen nach einer akuten Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus“, schreiben die Autoren. „Das Verständnis des Ausmaßes des Risikos für die wichtigsten klinischen Folgeerscheinungen könnte ihre Diagnose und das Management von Personen mit Folgeerscheinungen nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion verbessern.“
Credits:
Lead Image: Zerbor/Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Endlich Öffnung: Die Pläne der Regierung; Schnelltests mit Schwächen; COVID-19-Vakzine gegen Erkältungen? - Medscape - 14. Feb 2022.
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