Hoffnungsträger mRNA: Wie funktioniert die Strategie – und welche Vorteile hat sie wirklich?

Maren Schenk

Interessenkonflikte

14. Februar 2022

Zu den Strategien der Krebsbekämpfung gehört auch, dem Immunsystem „beizubringen“, den Körper gegen bösartige Tumoren zu verteidigen. Es gibt inzwischen zahlreiche Konzepte, das körpereigene Immunsystem in die Krebstherapie einzubeziehen, z.B. Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren, die bei einigen Krebsformen wirksam sind, oder Antikörper-basierte Therapien. Daneben könnten in Zukunft auch „Krebsimpfungen“ eine größere Rolle spielen: nicht nur bereits verfügbare präventive Impfungen wie die HPV-Impfung, die die Tumorentstehung verhindern können, sondern auch therapeutische Impfungen. Dazu gehören mRNA-Impfstoffe gegen Krebs.

PD Dr. Niels Halama

Welche Möglichkeiten personalisierte Impfungen mit mRNA bei Krebs bieten, aber auch vor welchen Herausforderungen die Forschung noch steht, erläuterte PD Dr. Niels Halama bei einer Veranstaltung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg [1]. Der Oberarzt am Universitätsklinikum Heidelberg leitet am DKFZ die Abteilung Translationale Immuntherapie und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) die Forschungsgruppe Adaptive Immuntherapie.

Als Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 sind mRNA-Vakzine seit Ende 2020 weltweit im Einsatz – als Impfstoffe zur Behandlung von Tumoren werden sie schon seit Jahren erforscht, haben es hier allerdings noch nicht zur Marktreife geschafft.

Wie kann man dem Immunsystem helfen, den Tumor zu erkennen?

Wie kann man das Immunsystem wieder sehend machen, damit es Tumorzellen als fremd erkennen und bekämpfen kann? Eine Möglichkeit: Personalisierte mRNA-Vakzine könnten den Körper im Kampf gegen den Krebs unterstützen, indem sie das Immunsystem des Patienten auf krebstypisch veränderte Proteine aufmerksam machten, erklärte Hamala. Auf Basis von mRNA-Molekülen, die den Bauplänen dieser tumorspezifischen Merkmale entsprechen, lassen sich individuell für den Patienten maßgeschneiderte Impfstoffe entwickeln.

„Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von mRNA-Vakzinen ist die schnelle Entschlüsselung des Erbguts – nämlich innerhalb von wenigen Wochen“, sagte Halama. Denn zuerst gelte es herauszufinden, wo die kleinen Erbgut-Unterschiede zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen der Patienten liegen. Finde man diese Unterschiede, die sogenannten Neoepitope, könne gezielt gegen den Tumor vorgegangen werden, ohne dem Rest des Körpers zu schaden, so Halama.

 
Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von mRNA-Vakzinen ist die schnelle Entschlüsselung des Erbguts. PD Dr. Niels Halama
 

Nach der DNA-Sequenzierung von Tumor- und gesunden Zellen können tumorspezifische Mutationen identifiziert werden. Diese Zielstrukturen – Proteine bzw. Proteinabschnitte – die nicht in gesunden Zellen vorkommen, seien die „Achillesferse“ des Tumors und würden als Vorlage für die Produktion von mRNA genutzt.

„Diese mRNA muss dann noch verpackt und haltbar gemacht werden, damit die Vakzine einige Zeit im Körper wirken kann“, erklärte Halama. Denn mRNA wird normalerweise in Zellen schnell wieder abgebaut. „Diese Kurzlebigkeit sorgte lange dafür, dass die mRNA für therapeutische Interventionen nicht geeignet war. Mit Tricks kann die mRNA nun nutzbar gemacht werden. Dabei wird die mRNA so designed und in Lipidkügelchen verpackt, dass sie optimal im Körper aufgenommen und verarbeitet werden kann.“

Trotzdem sei die Halbwertszeit von mRNA-Vakzinen immer noch kürzer als z.B. die von Chemotherapien: Deren Halbwertszeiten sind oft sehr lang, so dass unerwünschte Nebenwirkungen nicht so schnell beeinflusst werden können. „Die Kurzlebigkeit der mRNA bietet den Vorteil, dass man mRNA-Vakzine sehr fein nachjustieren kann“, sagte der Onkologe.

 
Die Kurzlebigkeit der mRNA bietet den Vorteil, dass man mRNA-Vakzine sehr fein nachjustieren kann. PD Dr. Niels Halama
 

Nachdem Patienten dann seine individuelle mRNA-Vakzine als Injektion in den Oberarm verabreicht wurde, wird die mRNA von Körperzellen aufgenommen, z.B. von dendritischen Zellen. Diese stellen die Zielproteine her und präsentieren sie auf ihrer Zelloberfläche. So wird eine Immunreaktion beim Patienten ausgelöst: Das Immunsystem bildet u.a. cytotoxische T-Zellen, die dann diejenigen Tumorzellen des Patienten, die diese spezifische Zielstruktur auf ihrer Oberfläche tragen, attackieren.

Der mRNA-Impfstoff aktiviert also das Immunsystem des Patienten gegen viele Zielstrukturen, die direkt von den Mutationen der Tumorzellen stammen.

mRNA-Impfungen in klinischen Studien

Soweit die Theorie – und die Praxis? Sehr oft wird Halama gefragt, wie denn der Stand der mRNA-Impfungen bei Tumorpatienten sei. Seine Antwort: „mRNA-Vakzine werden derzeit in vielen klinischen Studien überprüft. Wir haben aber noch keine definitiven Ergebnisse. Es sind noch sehr viele Fragen offen.“

So sei noch nicht klar, ob eine Impfung dann besonders wirksam sei, wenn noch wenig Tumormasse vorhanden sei. Oder ob sie auch wirke, wenn der Tumor groß sei. Genügt die mRNA-Impfung oder sind zusätzlich auch z.B. Checkpoint-Inhibitoren oder Chemotherapien notwendig? Welche Kombinationen sind möglicherweise sinnvoll? Es werden derzeit verschiedene Erkrankungssituationen parallel in Studien untersucht.

„Aber was wir sagen können ist: Man kann mit personalisierten mRNA-Impfungen bei verschiedenen Tumorerkrankungen eine Immunantwort auslösen – das ist gelungen, und das ist hervorragend“, betonte Halama.

 
Man kann mit personalisierten mRNA-Impfungen bei verschiedenen Tumorerkrankungen eine Immunantwort auslösen. PD Dr. Niels Halama
 

Es gebe aber Patienten, die man nicht mit einer solchen Krebsimpfung behandeln könne: Patienten, bei denen man zu wenig Tumormaterial habe, so dass keine Sequenzierung möglich sei, und Patienten mit bestimmten Begleiterkrankungen, die eine Impfung unmöglich machen, z.B. schwere Immundefekte.

„Ein Vorteil ist, dass der Umgang mit mRNA-Impfungen durch die COVID-19-Impfungen nicht mehr neu ist. Die Prozesse, um mRNA herzustellen, sind so vielfach verwendet worden, dass sie insgesamt profitiert haben.“

 

Kommentar

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