MEINUNG

Harte Zeiten? So schützen Sie Mitarbeiter vor Überlastung – ein ausgezeichnetes Antistress-Programm (nicht nur) für Chefs

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

9. Februar 2022

Prof. Dr. Florian Junne

COVID-19-Pandemie, Personalmangel, immer komplexere Arbeitsabläufe in den Krankenhäusern, Digitalisierung – „Stress, lass nach!“ Wie Führungskräfte sich selbst und ihre Teams besser vor Überlastung schützen können – dazu haben Tübinger Wissenschaftler um Prof. Dr. Florian Junne ein Schulungsprogramm für Führungskräfte entwickelt, das kürzlich mit dem „Award Arbeitsmedizin 2021“ des Arbeitgeberverbands Südwestmetall ausgezeichnet wurde.

Junne, Direktor der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Magdeburg, forscht im Bereich der Prävention aktuell in mehreren Forschungsverbünden (IMPROVEjob , KMU-GO!) an der Verbesserung der Stressprävention für Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in Unternehmen. Das prämierte Schulungsprogramm ist Teil des SEEGEN-Verbundes.

Was Führungskräfte tun können, um mit ihren Teams gut durch schwierige Zeiten zu kommen, wie wichtig es ist, die Perspektive des anderen einzunehmen, und warum Wertschätzung für jeden etwas anderes bedeuten kann – darüber sprach Medscape mit Junne.

Medscape: Das Schulungsprogramm stresspräventive Führung ist ein Teilprojekt des Forschungsverbunds SEEGEN. Was ist das und wie sah Ihr Projektanteil aus?

Junne: Das Kürzel SEEGEN steht für „Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz Krankenhaus“. Es handelt sich um ein Förderformat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), das sich über mehrere Standorte erstreckt hat.

Wir in Tübingen hatten das Teilprojekt stresspräventive Führung, die Kollegen in Düsseldorf entwickelten ein Konzept zur Sensibilisierung für Präventionsmaßnahmen bei obersten Führungskräften, in Ulm entstand ein Projekt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und in Heidelberg das Projekt „Gesund altern im Pflegeberuf“. SEEGEN wurde 4 Jahre lang vom BMBF gefördert; die Förderung ist gerade ausgelaufen.

Unsere Aufgabe war die Entwicklung einer Fortbildung, die die verhältnispräventive Führungskompetenz von mittleren Führungskräften verbessern sollte – mit dem Ziel, die psychische Belastung der Mitarbeiter zu verringern. Unsere Intervention setzt sich dabei aus 4 Modulen zusammen: „Selbstfürsorge als Führungskraft“, „stresspräventive Führungshaltung und stresspräventives Führungsverhalten“, „stresspräventive Kommunikation als Führungskraft“ und „Ressource Team“.

Medscape: Ihre stresspräventive Intervention lief als Pilotstudie, die mit einem 5. Modul zu „Reflexion und Austausch“ beendet wurde und in dessen Rahmen 87 Führungskräfte befragt wurden. Wie kamen die Interventionen bei den Teilnehmern an?

Junne: Die Führungskräfte wurden 3 Monate nach der Schulung befragt. Dabei zeigte sich, dass ein hoher Anteil mit der Intervention zufrieden ist, sie für praktisch relevant hält und weiterempfehlen würde. Die Befragten gaben auch an, dass die Schulung ihre Kommunikationsfähigkeiten und die Beziehung zu ihren Mitarbeitenden verbessert hat, den Umgang mit eigener psychischer Belastung positiv verändert sowie für das Thema der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz sensibilisiert hat.

Medscape: Die Wirksamkeit der stresspräventiven Interventionen wird auch in Modell-Krankenhäusern überprüft. In wie vielen Kliniken wurden die Modelle etabliert, und um welche Art Häuser handelt es sich dabei?

Junne: Umgesetzt wurden alle Interventionen zuletzt in Modell-Krankenhäusern. Unter den Häusern befinden sich z.B. auch ein kommunal geprägtes Krankenhaus und ein universitär geprägtes Haus. Die Auswertungen dazu sind abgeschlossen, unser Paper mit dem Titel „Feasibility, psychological outcomes and practical use of a stress-preventive leadership intervention in the workplace hospital: the results of a mixed method phase-II study“, Stuber F. et al. ist im letzten Proof Read und wird in den nächsten Wochen in BMJ Open publiziert.

Medscape: Die stresspräventive Schulung basiert auf dem Konzept der transformationalen Führung. Was ist darunter zu verstehen?

Junne: Bei der transformationalen Führung handelt es sich um eine entwicklungsorientierte Führung, die sich aus Teilbereichen zusammensetzt: positive Zukunftsperspektive, Innovation, Teamgeist, Leistungsanforderung, Vorleben und Fokus auf Individualität.

Als Führungskraft sollte ich meinen Mitarbeitern eine gute Zukunftsperspektive, eine Vision vermitteln.

Als Innovation sollte den Mitarbeitern eine Weiterentwicklung, eine Erneuerungsperspektive angeboten werden, um deren Wohlbefinden und Gesundheit zu fördern.

Der Teamgeist spielt eine wichtige Rolle; in unserer Schulung liegt deshalb ein Schwerpunkt darauf.

Der Aspekt Leistungsanforderung mag vielleicht überraschen. Eine Leistungsanforderung zu stellen, ist aber sinnvoll. Denn ich vermittle damit – vorausgesetzt die Erwartung ist adäquat – auch, dass ich meiner Mitarbeiterin, meinem Mitarbeiter etwas zutraue, dass ich eine Entwicklungsperspektive sehe.

Vorleben ist ganz wichtig. Transformationale Führung funktioniert über Vorbild-Geben, so schwer das auch ist. Gerade in der Überforderung kommt schnell der Gedanke auf: „Wie soll ich denn auch noch etwas Positives vorleben als Führungskraft?“

Gerade mittlere Führungskräfte sind in der Sandwich-Position – d.h. sie sind von gleich mehreren Seiten unter Druck. Ich erinnere dann daran, dass auch Vorleben eine Teamaufgabe ist, im Team kann man mit der Art, wie man zusammen agiert, auch gemeinsam ein gutes Beispiel geben.

Und – ganz wichtig – der Fokus auf die Individualität. Da kommt der Leader-Member-Exchange (LMX) ins Spiel. Diese Führungstheorie konzentriert sich auf die wechselseitige Beziehung zwischen der Führungskraft und dem Mitarbeiter. Denn es gibt in der Führung kein „One size fits all“ zur bestmöglichen Interaktion mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter. Sondern: Ich muss den einzelnen Mitarbeiter in den Blick nehmen und basierend auf dieser individuellen Beziehung sinnvoll entwickeln. Mit den Stärken, mit den Entwicklungspotenzialen, mit den Eigenheiten von beiden Beteiligten – Führungskraft und Mitarbeiter. Die daraus entstehende Beziehung ist eine ganz individuelle. Das anzuerkennen und auf dieser Basis miteinander zu arbeiten, beschreibt den Individualitätsfokus in der transformationalen Führung.

Medscape: Ist unter Führungskräften bekannt, wie wichtig dieser individuelle Ansatz ist?

Junne: Das Bewusstsein dafür, dass ich als Führungskraft von hoher Bedeutung bin für das Stresserleben und für die psychische Beanspruchung meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ist in Anbetracht der Bedeutung noch etwas gering ausgeprägt oder könnte höher ausgeprägt sein. Das zeigt sich in unseren Studien. Wobei unsere Studien nicht repräsentativ sind – dazu sind die Studienpopulationen nicht groß genug, wir haben ja nicht alle Führungskräfte in Deutschland befragt.

Wenn ich heute Vorträge halte, höre ich: „Ich habe selbst Stress, warum soll ich jetzt auch noch den Stress meiner Mitarbeiter im Blick haben?“ Weshalb man das machen sollte? Weil dann transformationale Führung gelingt, weil Mitarbeiter sich dann nicht nur wohler fühlen, sondern tatsächlich auch produktiver sind.

Und die Studienlage zeigt hier sehr klar: Die Zusammenhänge transformationaler Führung führen natürlich zu einer höheren Arbeitszufriedenheit und Motivation, zu höherem Wohlbefinden und geringerem Stresserleben. Sie führen aber auch z.B. im Krankenhaus zu weniger kritischen Ereignissen, zu weniger Arbeitsunfällen und weniger Krankheitstagen und zu einer positiveren Einstellung gegenüber Feedback insgesamt.

Die Wechselabsicht von Mitarbeitern macht im Moment ja vielen Krankenhäusern zu schaffen – eine transformationale Führung schafft es, den Zusammenhang zwischen emotionaler Erschöpfung und Wechselabsicht zu reduzieren. Ich kann erschöpft sein als Mitarbeiter, aber wenn transformational geführt wird, bleibe ich trotzdem eher, weil ich z.B. ein positives Bild meiner Zukunft habe. Weil ich trotz der aktuellen Belastungssituation das Vertrauen habe, dass die Führungskraft sich darum bemüht, die Situation zu verbessern. D.h. die Wechselabsicht und die innere und äußere Kündigungsfrequenz sind dann auch reduziert.

Grundsätzlich muss man aber sagen, dass die aktuellen Strukturen im Gesundheitswesen, insbesondere im Krankenhaus teilweise nicht mehr tragbar sind. Arbeitskontexte, in denen unmenschliche Überlast und fehlende Ressourcen zu Abwanderung führen – dagegen kann die beste Führungskultur nichts ausrichten. Da gehen die Mitarbeiter, die Bereiche und Kliniken vor die Hunde.

Prof. Dr. Florian Junne

Hier sind Politik und Gesellschaft gefragt, die Prioritäten im Gesundheitswesen besser zu justieren. Wir investieren viel in Technologie und Industrieprodukte, die im Gesundheitsmarkt gehandelt werden. In die Menschen im Gesundheitswesen, ihre Arbeitssituation und ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu investieren, das wäre der Schritt, der auch die Medizin wieder mehr mit den Menschen versöhnen könnte, die Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen.

 
Hier sind Politik und Gesellschaft gefragt, die Prioritäten im Gesundheitswesen besser zu justieren. Prof. Dr. Florian Junne
 

Medscape: An Ihrer Schulung konnten Oberärzte, Stationsleitungen der Pflege und Verwaltungsmitarbeiter teilnehmen. Welchen Vorteil hat diese interprofessionelle Zusammensetzung?

Junne: In der Tradition der Tübinger Personalentwicklung hatten wir eine interprofessionelle Zusammensetzung im Führungskräftetraining. Der Einladungskreis war an alle mittleren Führungskräfte gerichtet, schon dadurch hat sich die Möglichkeit ergeben, die Perspektive des anderen besser kennenzulernen.

Der Wechsel der Perspektive, der Versuch, die Gedanken- und Erlebenswelt meines Gegenübers zu verstehen, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ich Stress-sensibel und Mitarbeiter-orientiert führen kann. Da hilft es schon, wenn sich z.B. die Führungskräfte von Apotheke und Intensivstation austauschen können. Das ist ungemein wertvoll, weil am Ende klar wird, dass jeder in einem sehr komplexen Umfeld versucht, die Dinge bestmöglich zu machen.

Medscape: Ressource Team: Welche Rolle kommt dabei dem Perspektiv-Wechsel zu?

Junne: Eine wichtige. Wenn ich keine Vorstellung davon habe, wie es sich eigentlich so in meinem Team anfühlt, zusammen zu arbeiten – mit mir als Führungskraft – dann wird es schwer, sich auch gemeinsam auf den Weg zu machen, wenn es bestimmte Entwicklungs-Notwendigkeiten gibt.

Ein Zitat, das ich in diesem Zusammenhang gerne verwende, ist das des Management-Denkers Peter Drucker: „Culture eats strategy for breakfast!“ Wir machen immer so tolle Pläne und legen Milestones fest, vergessen aber viel zu oft, was wir (zuvor) an kultureller Team-Zusammenarbeit leisten müssen, damit diese Pläne überhaupt funktionieren können. Die Team-Kultur ist die Basis für das, was wir gemeinsam erreichen können – und sie ist einer der limitierenden Faktoren, wenn es nicht gut gelingt.

 
Die Team-Kultur ist die Basis für das, was wir gemeinsam erreichen können. Prof. Dr. Florian Junne
 

Der Stress in der Zusammenarbeit ergibt sich selten aus inhaltlichen Fragen wie z.B. „Die Kompetenz reicht nicht aus“. Es gibt Situationen, in denen die Qualifikation von Prozessbeteiligten nicht ausreicht, aber so was ist meistens ziemlich schnell geklärt, z.B. durch die Veränderung von Aufgabenbereichen. Der anhaltende Stressor hingegen sind die interaktionalen, sozialen Bezüge am Arbeitsplatz. Darauf wird aus meiner Sicht insgesamt zu wenig eingegangen.

Medscape: Woran liegt das?

Junne: Das beginnt schon im Bildungssystem. Bereits in der Schule müsste man soziale Interaktion viel mehr thematisieren. Manchmal passiert das in Projektgruppen. Oft aber sind auch die sehr zentriert auf die Präsentationstechnik selbst, auf den Umgang mit dem Tablet u.ä.. Aber ich höre wenig darüber, wie die Zusammenarbeit zwischen Menschen grundsätzlich gestaltet werden soll.

Und an der Universität ist es häufig dasselbe: Problemorientiertes Lernen mit Feedback-Runden, in denen besprochen wird, wie das Problem zusammen bearbeitet wurde, was gelungen, was weniger gelungen ist, welches Teammitglied sich wie darin wieder gefunden hat – all diese Aspekte sollten viel expliziter in die Ausbildung und ins Studium integriert werden.

Medscape: Inwiefern erleichtert die Digitalisierung die Zusammenarbeit und Kommunikation und kann zur Stressreduktion beitragen?

Junne: Die Digitalisierung ist derzeit sehr ambivalent – weil wir noch mitten in der Revolution sind. Wenn das mal richtig angelaufen ist, wenn die Systeme harmonisiert und diese frühen Prozesse der Etablierung überwunden sind, dann mag das irgendwann so sein.

 
Die Digitalisierung ist derzeit sehr ambivalent – weil wir noch mitten in der Revolution sind. Prof. Dr. Florian Junne
 

Im Moment allerdings leidet das Gesundheitssystem überwiegend massiv unter diesen Digitalisierungsprozessen, weil wir in den Kliniken meistens extrem viele unterschiedliche Softwares haben, die nicht gut miteinander operabel sind. Die quasi KI-gesteuerte Klinikwelt – wir sind erst auf dem Weg dorthin. Es ist noch nicht so, dass viele schon eine deutliche Entlastung durch die Digitalisierung spüren.

Die Zunahme von digitalen Medien ist momentan auch eher ein Stressor: Sie haben Leute, die sitzen in 3 Videokonferenzen gleichzeitig – die Gleichzeitigkeit wird erhöht, die Unterbrechungen nehmen zu und die Verdichtung von Informationen nimmt enorm zu. Hinzu kommt: Mit E-Mails geht viel häufiger etwas schief auf der interaktionell-emotionalen Ebene, als wenn man telefoniert oder als wenn man sich trifft. Die Eskalationsneigung in Konflikten in E-Mails ist höher, das berichten viele.

Medscape: Die Situation in den Krankenhäusern war in den vergangenen Jahren ja schon sehr angespannt. Was setzt die Pandemie da noch drauf?

Junne: Die Pandemie hat zu Über-, Unter- und Fehlbelastung geführt. Oder sie noch verstärkt. Es gibt in den Pandemie-betroffenen Bereichen, COVID-19-Stationen, Notaufnahmen, Intensivstationen und in den assoziierten Bereichen eine massive Überlast, die sich ständig verstärkt, weil die Menschen diesen Arbeitsplatz verlassen – nachvollziehbarerweise.

Ein Stressor ist auch die Impfpflicht im Gesundheitsbereich. Es gibt Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen. Da werbe ich immer sehr dafür, das als Fähigkeitsproblem zu beschreiben und nicht als Dummheit. Klar gibt es gute Argumente, sich impfen zu lassen, aber man muss es eben für sich als eine Möglichkeit sehen, um das Impfen in Anspruch zu nehmen.

 
Ein Stressor ist auch die Impfpflicht im Gesundheitsbereich. Prof. Dr. Florian Junne
 

Man sollte im Gespräch bleiben. Die Impfpflicht ist jetzt ein zusätzlicher, doppelter Stress, weil die einen durch die Impfpflicht ihre Existenzgrundlage verlieren und sich neue Arbeit suchen müssen, und die anderen verlieren Mitarbeiter, die sie dringend brauchen, um die Pandemie zu bewältigen. Das ist die große Sorge jetzt, die wir alle haben.

Die Fehlbelastung: Mitarbeiter können pandemiebedingt nicht mehr ihrer üblichen Arbeit nachkommen oder fürchten, z.B. in Intensivbereiche versetzt zu werden, obwohl sie die Fertigkeiten und Erfahrungen dafür nicht in gleicher Weise mitbringen. All das läuft stetig ab; hinzu kommt, dass wir alle in dieser pandemischen Ausnahmesituation eher hochreguliert sind im Stresserleben.

Denn das Virus selbst ist eine Bedrohung, die Pandemie-Maßnahmen, die Existenzgrundlagen bedrohen, z.B. in der Gastronomie, Hotellerie, Kulturbereich u.ä.. Gleichzeitig werden uns die Ressourcen genommen: sozialer Austausch, die Teilnahme in einem Verein und ähnliches. Die Ressourcen sind uns weggebrochen, gleichzeitig nehmen die Bedrohungen zu.

All das führt zu Stress, dazu, dass ich mich in den anderen, der jetzt z.B. Impfgegner ist, nicht so gut einfühlen kann. Das verunsichert beide Seiten: Wie kann es sein, sagt der eine, dass der andere sich nicht impfen lässt? Und der andere fragt: Wie kann es sein, dass es der andere nicht versteht, dass ich mich nicht impfen lassen will?

Ich würde nicht von Spaltung reden, aber es ist schon eine Entfremdung, die da stattfindet. Und das stresst. Als Menschen wollen wir uns in einem sozialen Kontext integriert fühlen. Und der Zerfall in verschiedene, sehr oppositionelle Lager, der stresst, der macht uns Sorge. Denn daraus, das wissen wir instinktiv, können Konflikte entstehen, die potenziell bedrohlich werden.

 
Ich würde nicht von Spaltung reden, aber es ist schon eine Entfremdung, die da stattfindet. Prof. Dr. Florian Junne
 

Medscape: Welchen Stellenwert nimmt eine wertschätzende Kommunikation ein?

Junne: Eine wertschätzende Grundhaltung als Führungskraft gegenüber meinen Mitarbeitern ist die Voraussetzung, um eine gute Teamkultur bilden zu können. Und ja, bei der wertschätzenden Kommunikation gibt es Nachholbedarf, die darf gerne mehr werden.

 
Eine wertschätzende Grundhaltung als Führungskraft gegenüber meinen Mitarbeitern ist die Voraussetzung, um eine gute Teamkultur bilden zu können. Prof. Dr. Florian Junne
 

Es ist allerdings so, dass für verschiedene Mitarbeiter „wertschätzend“ und „Wertschätzung“ durchaus Unterschiedliches bedeuten kann. Da gehört es im Sinne der LMX zur Aufgabe einer Führungskraft, herauszufinden: Was sollte ich beim jeweiligen Mitarbeiter vermeiden, um nicht das Gegenteil von Wertschätzung auszudrücken, und wie sollte ich handeln, damit dieser Mitarbeiter das auch als wertschätzend erlebt?

Da will der eine anerkannt wissen, dass er gerne maximale Leistung bringt, weil er viel erreichen will und sich deswegen besonders reinhängt. Der möchte, dass das gesehen und anerkannt wird. Der andere wiederum erlebt es als sehr wertschätzend, wenn man Bedingungen schafft, die eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie in besonderer Weise ermöglichen.

Lob ist wichtig, aber man sollte für Mitarbeiter auch Entwicklungschancen kreieren. Zumal das Angebot von Entwicklungschancen auch viel weiter trägt, denn Lob kann auch inflationär werden, vor allem wenn es nicht authentisch ist, sondern als „Technik der Wertschätzung“ eingesetzt wird.

Im Sinne der Leistungsentwicklungs-Perspektive in der transformationalen Führung ist immer beides wichtig: Wertschätzung zeigen auf der einen Seite und ein gemeinsames Verständnis, wo die Entwicklungschancen und Potenziale des Mitarbeiters in der Zukunft liegen.

Medscape: Haben Sie einen Tipp, wie man leichter Zugang zur wertschätzenden Kommunikation findet?

Junne: Ich empfehle den Selbsttest zu machen – also sich als Führungskraft mal selbst zu fragen: „Was erlebe ich an wertschätzender Kommunikation, und was tut mir selbst gut (zu hören)?“ Das könnte ein Ausgangspunkt sein, sich Gedanken zu machen, was hilfreich ist.

Medscape: Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch.

 

Kommentar

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