Für die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) war am 8. Februar 2022 ein besonderer Tag: Apotheker haben mit den Impfungen gegen Corona begonnen. Aber für viele Hausärzte ist diese kleine „Revolution“ eine völlig überflüssige Aktion.
Diese neuen Angebote in Apotheken sollen die Schwelle zu den Impfungen senken. Denn immer noch sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) erst 74,6% der Gesamtbevölkerung geimpft und erst 54,7% haben eine Auffrischungsimpfung erhalten. Die Ziel-Impfquote liege aber bei 85% der 12 bis 59-Jährigen und bei 90% aller ab 60 Jahren, so das BMG.
Die Impfungen in Apotheken seien laut ABDA eine Ergänzung zu den Impfangeboten in Arztpraxen und Impfzentren, aber kein Ersatz. Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA, erklärte: „Wir wollen diejenigen erreichen, die sich noch nicht impfen lassen konnten, z.B. weil ihnen die Organisation eines Impftermins bisher zu aufwändig war. Wir bringen das niedrigschwellige und flächendeckende Angebot der Apotheken ein, um die Impfkampagne der Bundesregierung zu unterstützen.“
Impfwillige können unter www.mein-apothekenmanager.de die nächste Apotheke mit Impfangebot finden.
526 Apotheken haben sich bisher registrieren lassen
Nach Angaben der ABDA, die rund 18.000 Apotheken in Deutschland vertritt, haben sich bereits im vergangenen Dezember laut einer Umfrage etwa 4.000 Apothekerinnen und Apotheker für die Impfung in ihren Räumen interessiert, rund 6.000 Apothekerinnen und Apotheker haben inzwischen die Impf-Schulung der Bundesapothekerkammer und der Bundesärztekammer durchlaufen, die sie zum Impfen befähigen soll, sagte der Sprecher der ABDA, Dr. Reiner Kern, zu Medscape. Und 526 Apotheken haben sich für die Impfung registrieren lassen (Stand 9.2.2022).
Ob sich eine Apotheke zur Impfung entschließ, bestimmt der Inhaber. Das Honorar ist genauso hoch wie bei den Corona-impfenden Ärzten: 28 Euro pro Impfung und 36 Euro pro Impfung an Wochenenden und Feiertagen.
Für Apotheken sei das Thema Impfung nicht neu. Sie hätten schon immer zu Schutzimpfungen oder zur Vorbereitung auf Reisen ihre Kunden beraten, argumentiert Berend Groeneveld, Vorstandsvorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen e.V. (LAV).
Seit dem letzten Jahr impfen viele niedersächsische Apotheker außerdem bereits im Rahmen des Modellprojekts „Grippeschutzimpfungen in Apotheken“ des LAV und der AOK Niedersachsen gegen Influenza. „Apothekerinnen und Apotheker, die jetzt mit den COVID-19-Impfungen in Niedersachsen starten, sind bereits durch ihre Teilnahme am Modellprojekt ‚Grippeschutzimpfung in Apotheken‘ oder den COVID-19-Schulungen sehr gut vorbereitet“, so Groeneveld. „Ich bin mir sicher, dass nach und nach immer mehr Kolleginnen und Kollegen, die alle Voraussetzungen erfüllen, Impfungen in ihren Betrieben möglich machen werden, um unser gemeinsames Ziel – das Coronavirus einzudämmen – zu unterstützen.“
Hausärzte kritisieren Impfungen durch Apotheker als überflüssig
Der deutsche Hausärzteverband kritisiert die Möglichkeit, sich durch Apotheker impfen zu lassen, als sinnlos. „Aktuell gibt es keinen Mangel an Impfmöglichkeiten, sondern vielmehr ein Überangebot. In den Praxen und Impfzentren gibt es derzeit viele freie Termine“, sagt der Sprecher des Verbandes, Vincent Jörres, zu Medscape. „Daher ergibt es wenig Sinn, jetzt noch mehr Impfstellen zum Beispiel in Apotheken zu eröffnen. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Maßnahme hilft, die Impfquote zu steigern.“
Weitere Impfstellen zu eröffnen, schieße am Ziel vorbei, argumentiert der Hausärzteverband. In der Vergangenheit sei „nicht die mangelnde Zahl an Impfstellen, sondern die unzureichende Verfügbarkeit des Impfstoffes“, das Problem gewesen.
„Ein ähnliches Problem werden wir haben, sobald ein an Omikron angepasster Impfstoff vorliegt. Dieser wird wahrscheinlich am Anfang nur in begrenzter Menge zur Verfügung stehen.“ Jede Impfdosis könne aber nur einmal verteilt werden. „Wenn sich die Arztpraxen und die Impfzentren die Dosen dann noch mit weiteren Impfstellen teilen müssen, dann wird das dazu führen, dass es immer unübersichtlicher wird, wohin ich mich als Patientin oder Patient wenden soll“, sagte Jörres.
Neben der ungelösten Verteilungsfrage mahnt der Hausärzteverband auch zur Vorsicht wegen möglicher Nebenwirkungen des Impfens. „Obwohl die Corona-Impfstoffe sehr sicher sind, kann es in seltenen Einzelfällen zu einer heftigen allergischen Reaktion kommen. Hier ist dann schnelle ärztliche Hilfe dringend notwendig. Darum ist es notwendig, das Impfen in ärztlichen Händen zu belassen“, hieß es.
Auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, kritisiert die Impfungen durch Apotheker und begründete dies standespolitisch. Jeder müsse an seinem Platz die Pandemie bekämpfen, sagte Gassen bereits Ende vergangenen Jahres. „Impfen ist und bleibt eine originär ärztliche Aufgabe!“ Dagegen sei es die Aufgabe der Apotheken, rund um die Uhr und 7 Tage die Woche die Bevölkerung mit Arzneimitteln und Impfstoffen zu versorgen.
Gassen verwies auf die Kompetenz der Ärzte. Sie umfasse ebenso die Impfanamnese, die Aufklärung zur Impfung, den Ausschluss von akuten Erkrankungen und Kontraindikationen sowie bei bestehenden Erkrankungen die Bewertung, ob eine Impfung durchgeführt werden kann, so Gassen. „All dies setzt eine entsprechende ärztliche Aus- und Weiterbildung voraus, über die Apotheker jedoch nicht verfügen.“
Credits:
Lead Image: © Cineberg Ug/Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2022 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Überflüssig oder Motivation für Impfmüde? Corona-Impfungen in Apotheken sind gestartet – Ärzte wettern gegen Dammbruch - Medscape - 9. Feb 2022.
Kommentar