Inkubationszeit kürzer als gedacht; Priorisierung von PCR-Tests für Fachkräfte; RKI-Chef Wieler unter Beschuss

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

7. Februar 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 7. Februar 2022

Heute meldet das Robert Koch-Institut 95.267 weitere Infektionen mit SARS-CoV-2 innerhalb der letzten 24 Stunden. Am Montag vor einer Woche waren es 78.318 Fälle. Wegen des Wochenendes können jedoch Verzerrungen der Daten auftreten.

Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz steigt weiter auf 1.426,0 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vortag: von 1.400,8). 49 weitere Menschen starben in Zusammenhang mit COVID-19. Vor einer Woche waren es 61.

Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 5,45 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 4. Februar, verglichen mit 5,00 am 3. Februar.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 6. Februar 2.350 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 39 mehr als am Vortag. Aktuell sind 1.075 Betten im Low-Care- und 2.341 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 401 freie ECMO-Behandlungsplätze.

Angesichts der Zahlen warnt Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der München Klinik Schwabing, man könne zwar über Lockerungen nachdenken, „aber realisieren sollte man sie jetzt noch nicht“. Wendtner und Kollegen hatten vor rund 2 Jahren die ersten Corona-Patienten Deutschlands betreut. Der Infektiologe berichtet, immerhin erkrankten statistisch gesehen 0,5% aller Neuinfizierten schwer. Das seien täglich mehr als 1.000 Personen.

  • Impfpflicht: Eckpunktepapier der Ampelkoalition

  • RKI-Chef Wieler im Kreuzfeuer der Kritik

  • Priorisierung von medizinischen Fachkräften bei PCR-Tests: Vorstoß von Lauterbach

  • Ab Dienstag impfen auch Apotheker

  • Hohe COVID-19-Mortalität in Israel – das sind mögliche Gründe

  • US-Zahlen: Geboosterte sterben 97-mal seltener an COVID-19

  • Remdesivir: Neue Daten zum Einsatz bei Patienten mit Progressionsrisiko

  • Gezielte Infektion mit SARS-CoV-2: Inkubationszeit deutlich kürzer als vermutet

Impfpflicht: Eckpunktepapier der Ampelkoalition

Nachdem die AfD als 1. Partei im Bundestag – wenig überraschend – ein Papier gegen die allgemeine Impfpflicht vorgelegt hat, positionieren sich jetzt Abgeordnete der Ampelkoalition. Ihr Vorschlag umfasst folgende Eckpunkte:

  • Die Impfpflicht soll für alle Menschen ab 18 gelten.

  • 3 Dosen zugelassener Vakzine erfüllen die Voraussetzungen, um als geimpft zu gelten.

  • Geplant ist, dass Krankenkassen ihre Mitglieder über Impfungen und über das Gesetz informieren. Sie erfassen auch, wer geimpft worden ist – und wer nicht. Das geschieht perspektivisch über ein neues Datenportal.

  • Können Versicherte den Nachweis nicht erbringen, melden dies Krankenkasse einer noch zu benennenden staatlichen Stelle. Dann drohen Bußgelder, aber keine Zwangsmaßnahmen.

  • Die Autoren des Papiers wollen ihre Regelungen bis 31. Dezember 2022 befristen.

Eigentlich plant die Regierung, ein Gesetz noch im März zu beschließen. Ob weitere Vorschläge eingebracht werden, etwa Impfpflichten speziell für Personen ab 50 oder ab 60 Jahren, ist unklar.

RKI-Chef Wieler im Kreuzfeuer der Kritik

Weitere Kontroversen sorgen in Berlin für Unruhe. In der Ampelkoalition ist ein Streit um die Vorgehensweise von Prof. Dr. Lothar H. Wieler entbrannt. Der RKI-Präsident hatte selbst zur Überraschung von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) den Genesenenstatus kurzfristig von 6 Monaten auf 3 Monate verringert.

Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert jetzt Wielers Ablösung. Er habe zwar Respekt vor den Leistungen des RKI-Präsidenten, so Djir-Sarai. Allerdings könne er sich des Vertrauens der FDP aufgrund der neuerlichen Verfehlung nicht mehr sicher sein.

Rückendeckung für Wielers Vorgehen kommt von den Grünen-Politikern Katrin Göring-Eckardt und Janosch Dahmen. Auch Bundeskanzler Scholz (SPD) bestätigte, Vertrauen in den RKI-Chef zu haben. Der nächste Streit in Koalitionskreisen scheint vorprogrammiert zu sein.

Doch was sagt die Wissenschaft? Studien zeigen, dass 3 Kontakte zum viralen Antigen einen vergleichbar starken Schutz induzieren, unabhängig davon, ob es sich um Impfungen oder Infektionen respektive Durchbruchsinfektionen handelt. Darüber hatte Medscape im Blog berichtet. Am Zeitraum scheiden sich die Geister.

Die Verkürzung des Genesenenstatus sei aus immunologischer Sichtweise der Entwicklung und Abnahme der Immunantwort nachvollziehbar, sagt Prof. Dr. Martina Prelog von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Wissenschaftliche Gewissheit dazu werde aber erst noch aufgebaut. Und die Frankfurter Virologin Prof. Dr. Sandra Ciesek gibt zu bedenken, es sei schwierig, den Genesenenstatus einheitlich zu definieren. Dies sei von mehreren Faktoren abhängig wie dem Alter, der Virusvariante und dem Zeitpunkt der letzten Impfung.

„Eine klar dokumentierte Infektion sollte für jeden Betroffenen mit einer einzelnen Impfdosis gleichgestellt werden“, fordert Prof. Dr. Carsten Watzl, Immunologe aus Dortmund. Dass Geimpfte nach einer Infektion nicht als geboostert eingestuft würden, sei wissenschaftlich nicht haltbar.

Priorisierung von medizinischen Fachkräften bei PCR-Tests: Vorstoß von Lauterbach

Seitdem Omikron das Infektionsgeschehen beherrscht und die Fallzahlen rapide ansteigen, werden Laborkapazitäten knapp. Am 1. Februar hatten die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) berichtet, die Auslastung liege im bundesweiten Durchschnitt mit 95% „am Limit“.

Darauf reagiert Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) jetzt mit einem Referentenentwurf zur Änderung der Corona-Testverordnung; das Papier lag der AFP vor. Demnach würden Labore verpflichtet, Proben „von Beschäftigten in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen, mobilen Pflegediensten und Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe vorrangig zu untersuchen“, heißt es in dem Entwurf. Dies gelte auch für „vulnerable Personengruppen“ wie Risikopatienten. Nachweise sollten über Atteste oder über Bescheinigungen des Arbeitgebers erfolgen. Eine regelhafte bestätigende PCR-Testung bei positivem Schnelltest werde „zunächst ausgesetzt“, heißt es weiter.

Ab Dienstag impfen auch Apotheker

Neben Tests sind vor allem Impfungen die tragende Säule zur Pandemie-Kontrolle. Am 8. Februar werden die ersten Apotheken bundesweit COVID-19-Schutzimpfungen anbieten. Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, rechnet zu Beginn mit „mehreren hundert Apotheken“, die daran teilnehmen.

„Insgesamt haben mittlerweile gut 6.000 Apothekerinnen und Apotheker die notwendige Schulung absolviert“, sagt die Standesvertreterin. Ihre Vermutung: „Wenn die STIKO eine weitere Booster-Impfung empfehlen sollte, wird der Bedarf sicher nochmal deutlich steigen.“

Hohe COVID-19-Mortalität in Israel – das sind mögliche Gründe

Während der Pandemie hat Israel als erstes Land eine flächendeckende Impfkampagne gestartet und später Dritt- bzw. Viertimpfungen angeboten. Dennoch steigt die Mortalität rapide an. Das liegt nicht nur an einem Datenfehler in offiziellen Statistiken; mittlerweile wurde das Problem behoben.

Daten des Gesundheitsministeriums zeigen eine Rate von etwa 5 COVID-19-Toten pro Tag gegenüber nahezu 0 Anfang Januar. Die Werte nähern sich dem Rekord von 6,98 pro Million während der Alpha-Welle an.

Während im Vereinigten Königreich fast alle vulnerablen Personen vollständig geimpft sind, bleiben in Israel mindestens 10% oder mehr der über 60-Jährigen ungeschützt. Und die Viertimpfung wurde aufgrund früher Berichte über schwache Effekte kaum angenommen. Tatsächlich erweist sich die 4. Dosis als unglaublich wirksam. Jüngste Real-World-Daten zeigen, dass sie bei Einwohnern über 60 zum 4,3-fachen Rückgang schwerer Erkrankungen führt, verglichen mit einer 3. Dosis.

„Bisher konnten wir in Deutschland solche Sterberaten verhindern, weil ältere Ungeimpfte durch unsere Maßnahmen geschützt wurden“, kommentiert Lauterbach auf Twitter.

US-Zahlen: Geboosterte sterben 97-mal seltener an COVID-19

Apropos Auffrischungsimpfung: Bei einer Präsentation im Weißen Haus hat CDC-Direktorin Dr. Rochelle Walensky neue Zahlen vorgestellt. Bis Ende Januar 2022 erfasste die Behörde insgesamt 884.853 bestätigte Todesfälle durch COVID-29. Walenskys Analyse der COVID-19-Todesfälle hat folgende Verteilung ergeben:

  • Ungeimpfte: 9,7 Todesfälle pro 100.000 Personen pro Woche

  • Geimpfte mit Grundimmunisierung: 0,7 Todesfälle pro 100.000 Personen pro Woche (14-mal weniger als bei Ungeimpften)

  • Geimpfte mit zusätzlichem Booster Shot: 0,1 Todesfälle pro 100.000 Personen pro Woche (97-mal weniger als bei Ungeimpften)

Auch Walensky macht sich für Impfungen stark. Sie erwartet, dass die US-weite Zahl an Todesfällen bald die Marke von 1 Million erreichen wird.

Remdesivir: Neue Daten zum Einsatz bei Patienten mit Progressionsrisiko

Von der Prävention zur Therapie. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat Remdesivir bei Erwachsenen und Jugendlichen (ab 12 Jahren und mit einem Körpergewicht von mindestens 40 kg) mit Lungenentzündung zugelassen, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Das Arzneimittel kann auch bei Erwachsenen angewendet werden, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen, jedoch ein erhöhtes Risiko haben, an schwerem COVID-19 zu erkranken. Neue Daten zeigen den möglichen Nutzen, um eine Progression bei Risikopatienten zu verhindern.

Insgesamt 562 Patienten, die randomisiert wurden und mindestens eine Dosis Remdesivir oder Placebo erhielten, wurden in die Analysen einbezogen: 279 Patienten in der Remdesivir-Gruppe und 283 in der Placebo-Gruppe. Das Durchschnittsalter lag bei 50 Jahren. 47,9% der Patienten waren Frauen. Die häufigsten Begleiterkrankungen waren Diabetes mellitus (61,6%), Adipositas (55,2%) oder Hypertonie (47,7%).

COVID-19-bedingte Krankenhausaufenthalte oder Todesfälle jeglicher Ursache traten bei 2 Patienten (0,7%) in der Remdesivir-Gruppe und bei 15 (5,3%) in der Placebo-Gruppe auf (Hazard Ratio: 0,13; 95 %-Konfidenzintervall:, 0,03 bis 0,59; p = 0,008). Insgesamt 4 von 246 Patienten (1,6%) in der Remdesivir-Gruppe und 21 von 252 (8,3%) in der Placebo-Gruppe stellten sich bis Tag 28 aufgrund von COVID-19 einem Arzt vor (HR: 0,19; 95%-KI 0,07 bis 0,56). Bis zum 28. Tag war kein Patient gestorben. Unerwünschte Ereignisse traten bei 42,3% der Patienten in der Remdesivir-Gruppe und bei 46,3% der Patienten in der Placebo-Gruppe auf.

„Bei nicht hospitalisierten Patienten, die ein hohes Risiko für ein Fortschreiten der COVID-19-Erkrankung hatten, wies eine 3-tägige Behandlung mit Remdesivir ein akzeptables Sicherheitsprofil auf und führte zu einem um 87% geringeren Risiko einer Hospitalisierung oder eines Todes als Placebo“, fassen die Autoren zusammen.

Gezielte Infektion mit SARS-CoV-2: Inkubationszeit deutlich kürzer als vermutet

Um mehr über SARS-CoV-2-Infektionen zu erfahren, haben britische Forscher 36 gesunden Freiwilligen im Alter von 18 bis 30 Jahren eine niedrige Dosis des Virus per Nasentropfen verabreicht. Alle Teilnehmer hatten keine COVID-19-Impfung und keine Infektion in der Vorgeschichte. Sie wurden 2 Wochen in einer kontrollierten klinischen Umgebung überwacht. Solche Provokationsstudien (Human Challenge-Studien) sind ethisch umstritten, liefern jedoch präzise Erkenntnisse zum Krankheitsgeschehen.

In der Studie wurden Viren aus einem sehr frühen Stadium der Pandemie verwendet, die von einem Krankenhauspatienten der ISARIC4C-Studie erhalten wurden, noch bevor die Alpha-Variante auftauchte.

Teilnehmer wurden der geringstmöglichen Virusdosis ausgesetzt, von der angenommen wurde, dass sie eine Infektion verursacht, was ungefähr der Menge entspricht, die in einem einzelnen Tröpfchen Nasenflüssigkeit bei Infizierten mit der höchsten Viruslast zu finden ist.

18 Probanden infizierten sich, von denen 16 leichte bis mittelschwere erkältungsähnliche Symptome entwickelten, darunter eine verstopfte oder laufende Nase, Niesen und Halsschmerzen. Einige hatten Kopfschmerzen, Muskel-/Gelenkschmerzen, Müdigkeit und Fieber. Kein Patient entwickelte schwerwiegende Symptome; die Lungen waren nicht betroffen. Bei 13 Personen kam es zeitlich befristet zum Verlust des Geruchssinnes. Davon erholten sich 10 Personen innerhalb von 90 Tagen.

Die durchschnittliche Zeit von der Exposition gegenüber dem Virus bis zum Virusnachweis und frühen Symptomen betrug 42 Stunden. Sie war deutlich kürzer als vermutet. Schätzungen gingen bislang von 5 bis 6 Tagen als Inkubationszeit aus.

Nach diesem Zeitraum gab es einen steilen Anstieg der Viruslast in Nasen- oder Rachenabstrichen. Diese Werte erreichten im Durchschnitt 5 Tage nach der Infektion ihr Maximum, aber in Labortests wurden noch durchschnittlich 9 Tage und 12 Tagen nach der Inokulation hohe Konzentrationen an lebensfähigem Virus festgestellt.

Während das Virus zuerst im Rachen nachgewiesen wurde, deutlich früher als in der Nase (40 Stunden im Rachen im Vergleich zu 58 Stunden in der Nase), waren die Werte niedriger und erreichten im Rachen früher ihr Maximum.

„Die Spitzenwerte des Virus waren in der Nase signifikant höher als im Rachen, was auf ein potenziell größeres Risiko hinweist, dass das Virus aus der Nase als aus dem Mund ausgeschieden wird“, schreiben die Wissenschaftler. „Dies unterstreicht die Bedeutung, Gesichtsmasken korrekt zu tragen, um sowohl Mund als auch Nase zu bedecken.“

 

Kommentar

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