Rezidivierende C.-difficile-Infektionen: Mikrobiom-Therapeutikum SER-109 senkt Rückfallrisiko um 68%

Antje Sieb

Interessenkonflikte

3. Februar 2022

Das Mikrobiom-Therapeutikum SER-109 kann bei Risikopatienten offenbar die Gefahr eines wiederholten Rückfalls nach Clostridioides-difficile-Therapie deutlich verringern. Das schreiben Wissenschaftler aus USA und Kanada um Dr. Paul Feuerstadt im New England Journal of Medicine  [1]

Die Forschenden hatten eine Placebo-kontrollierte randomisierte Doppelblindstudie an 182 Patienten durchgeführt, die bereits mindestens 3 Infektionen durchgemacht hatten. Die Behandlung senkte die Zahl der erneuten Rückfälle um 68%. 

„Das ist für mich ein großer Erfolg, weil es schwierig ist, betroffene Patienten aus der Rezidivspirale herauszubekommen“, kommentiert Prof. Dr. Christoph Lübbert, Leiter der Infektions- und Tropenmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, die aktuelle Studie im Gespräch mit Medscape

 
Das ist für mich ein großer Erfolg, weil es schwierig ist, betroffene Patienten aus der Rezidivspirale herauszubekommen. Prof. Dr. Christoph Lübbert
 

Risikopatienten wurden dabei nach einer gegen die Infektion gerichteten Antibiotika-Therapie 3 Tage lang mit SER-109-Kapseln behandelt, die viermal täglich einzunehmen waren. Danach wurde 8 Wochen lang beobachtet, ob es zu einem Rückfall kam. 

„Wir wissen, dass 90% der Rezidive in den ersten 8 Wochen auftreten. Das ist in meinen Augen ausreichend“, sagt Lübbert dazu. In der Behandlungsgruppe kam es in dieser Zeit nur bei 12% der Patienten zu einem erneuten Aufflammen der Infektion. In der Placebogruppe hingegen waren es 40%, die einen Rückfall erlitten.

Wiederholte Rückfälle sind problematisch

Grundsätzlich sei die Rezidivproblematik in den USA, wo die Studie hauptsächlich durchgeführt wurde, zwar größer als in Deutschland, sagt Lübbert. Doch auch hier seien einige Patienten davon betroffen. „10 bis 20% der Patienten erleiden in Deutschland ein Rezidiv, und davon bekommen 20 bis 40% nochmal ein Rezidiv. Das wären die Patienten, für die sich so eine Behandlung eignen könnte.“  

 
10 bis 20% der Patienten erleiden in Deutschland ein Rezidiv, und davon bekommen 20 bis 40% nochmal ein Rezidiv. Prof. Dr. Christoph Lübbert
 

Bisher kann bei Patienten mit mehrfachen Rückfällen eine Stuhltransplantation in Erwägung gezogen werden. Das sei allerdings aufwändig, erklärt Lübbert: „Die regulatorischen Anforderungen für die Stuhltransplantation sind enorm hoch. Das ist ein langwieriger und quälender Prozess. Insofern wäre ein zugelassenes Therapeutikum ein echter Fortschritt.“ Allerdings vermutet Lübbert, dass es bis dahin noch einige Jahre dauern könne.

Das in der vorliegenden Phase-3-Studie getestete Therapeutikum SER-109 wird aus Spenderstuhl gewonnen. Im Gegensatz zu einer fäkalen Mikrobiota- oder Stuhltransplantation ist das Endprodukt allerdings stark aufgereinigt, erklärt Lübbert: „Man verkapselt Teile des Mikrobioms eines Spenders. Es wird aber vorher aufbereitet und gereinigt, so dass im Prinzip nur noch die Sporen von anaeroben Bakterien enthalten sind.“

Das seien die Bakterienstämme, die nach bisherigen Erkenntnissen auch für den Effekt einer Stuhltransplantation verantwortlich seien. Zusätzlich werde damit auch das Risiko gesenkt, dass gefährliche Keime mitübertragen werden, merken die Studienautoren an.

 
Man verkapselt Teile des Mikrobioms eines Spenders. Es wird aber vorher aufbereitet und gereinigt, so dass im Prinzip nur noch die Sporen von anaeroben Bakterien enthalten sind. Prof. Dr. Christoph Lübbert
 

Mikrobiom aus dem Gleichgewicht

Die Theorie hinter der Behandlung: Oft treten schwere Clostridoides-difficile-Infektionen nach einer Antibiotikabehandlung auf. Die kann ein aus dem Gleichgewicht geratenes Mikrobiom hinterlassen, in der sich die pathogenen Bakterien leichter durchsetzen können. Die Infektion selbst wird dann erneut mit Antibiotika behandelt. 

Nach Ende der Behandlung kann es zu Rückfällen kommen, weil verbliebene Clostridoides-difficile-Sporen sich erneut vermehren. Die in SER-109 enthaltenen Firmicutes-Bakterien hingegen sollen das Mikrobiom wieder ins Gleichgewicht bringen und dem Wachstum der pathogenen Keime entgegenwirken. 

Die Wissenschaftler überprüften daher auch, ob und wie gut sich die vorteilhaften Bakterienstämme im Darm der Behandelten festsetzen konnten. Die Zahl der Firmicutes-Bakterien in der Darmflora stieg dabei auch in der Placebogruppe nach Abschluss der Antibiotika-Behandlung wieder an. In der Behandlungsgruppe waren sie aber über die gesamten 8 Wochen der Nachbeobachtungsphase deutlich stärker vertreten. 

Auch ein Ungleichgewicht primärer und sekundärer Gallensäuren könne das Wachstum der pathogenen Keime fördern, schreiben die Studienautoren. Das Gallensäurenprofil der behandelten Patienten war ebenfalls vorteilhafter als das der Placebogruppe.

Die Autoren schreiben, dass keine ernsten Nebenwirkungen der Therapie beobachtet wurden. Hauptsächlich kam es zu milden oder moderaten Magen-Darm-Problemen. Es gab in der Behandlungsgruppe zwar 3 Todesfälle, diese hätten allerdings nichts mit dem Medikament zu tun gehabt.

C.-difficile-Infektionen in Deutschland

Eine Clostridioides-difficile Infektion mit schwerem Verlauf ist in Deutschland meldepflichtig. Im Jahr 2020 wurden 1.595 solcher Erkrankungen oder Todesfälle gemeldet, in Vorjahren lagen die Meldezahlen zum Teil deutlich über 2.500. 

Die im Jahr 2020 um 30% gesunkene Inzidenz könnte allerdings mit der Coronapandemie zusammenhängen, heißt es im Bericht des Robert Koch-Institutes. Ein Risikofaktor ist hohes Alter: Die über 79-Jährigen stellen einen großen Teil der gemeldeten schweren Fälle.

 

Kommentar

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