Experten warnen vor vermeintlich sicherem „Doping“: Auch Nahrungsergänzungsmittel können dem Herzen massiv schaden

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

3. Februar 2022

Nicht nur Athleten, die mit verbotenen Substanzen dopen, auch Sportler, die frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, um ihre Leistung zu steigern, setzen ihr Herz möglicherweise erheblichen Gefahren aus. Davor warnt die European Association of Preventive Cardiology in einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier [1].

In der Zusammenstellung kardiovaskulärer Gefahren leistungssteigernder Substanzen im Freizeit- und Profisport schreibt die Autorengruppe um Dr. Paolo Emilio Adami vom Health and Science Department bei World Athletics in Monaco: „Supplemente werden von vielen Menschen als risikofreie Möglichkeit zur Leistungsverbesserung angesehen. Doch einige Supplemente, auch pflanzliche und ‚natürliche‘ Extrakte, können ein ernsthaftes Risiko für die Gesundheit darstellen, und die Athleten riskieren sogar, gegen Anti-Doping-Regeln zu verstoßen.“

Für Sportkardiologen, Sportmediziner und Allgemeinmediziner sei diese Zusammenstellung von großem Interesse, schreibt Prof. Dr. Martin Halle zusammen mit Kollegen in einem Editorial zum Positionspapier [2]. Der Ärztliche Direktor der Poliklinik für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin an der TU München betont: „Doping ist nicht auf den Elitesport beschränkt, sondern hat längst auch den Freizeitsport, Fitnessstudios und Schulen erreicht. Es wird von Jugendlichen ebenso wie von Spitzensportlern und Senioren genutzt, und dies unabhängig von den sportlichen Ambitionen.“

Koffein sicher? Missbrauch ist gefährlich

„Koffein ist ein sehr gutes Beispiel für eine natürliche Substanz, die als sicher gilt“, erklärt Erstautor Adami. „Während Koffein die Leistung steigern kann, speziell die aerobe Kapazität bei Ausdauersportlern, kann der Missbrauch zu Tachykardien, Arrhythmien, Bluthochdruck und in einigen Fällen plötzlichem Herztod führen.“

Legale, von der World Anti-Doping Agency (WADA) erlaubte, Supplemente, die die Leistung steigern und einen Wettbewerbsvorteil verschaffen sollen, sind neben Koffein auch noch Kreatinin, Energy-Drinks/-Gele/-Riegel, Rote-Beete-Saft aufgrund seines Nitratgehalts, B-Alanin, Bicarbonat und Proteine.

Kardiovaskuläre Nebenwirkungen oft unbekannt

Das Problem: Mögliche kardiovaskuläre Nebenwirkungen dieser erlaubten, aber auch anderer Nahrungsergänzungsmittel seien bislang oft gänzlich unbekannt, wie Prof. Dr. Hans-Georg Predel vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln im Gespräch mit Medscape erklärt. „Hier zeigt sich klar der essenzielle Forschungsbedarf im Bereich der Nahrungsergänzung.“

 
… auch pflanzliche und ‚natürliche‘ Extrakte, können ein ernsthaftes Risiko für die Gesundheit darstellen.  Dr. Paolo Emilio Adami
 

„Und selbst wenn es zu einzelnen Substanzen Forschungsergebnisse zu kardiovaskulären Endpunkten gibt, ist oft unklar, welche Dosierungen jeweils gemeint sind“, ergänzt er. Wobei Dosierungsempfehlungen das Problem nicht unbedingt lösen würden, denn „unter Sportlern ist es leider üblich, die Dosierungsempfehlungen zu ignorieren und mehrere Substanzen gleichzeitig einzunehmen“, konstatieren Adami und seine Koautoren.

Sportler sind nicht ausreichend informiert

Oft wissen Sportler, die leistungssteigernde Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, nicht viel über deren Effekte auf die sportliche Leistung und die Gesundheit. „Die meisten Sportler erhalten ihre Ernährungsempfehlungen von Trainern, anderen Sportlern, Familienangehörigen und Freunden“, schreiben sie weiter.

 
Bei Athleten mit einer kardiovaskulären Vorerkrankung sollten Nahrungsergänzungsmittel … extrem limitiert werden.  Prof. Dr. Martin Halle und Kollegen
 

Speziell vorerkrankte Sportler sollten den Experten zufolge große Vorsicht walten lassen: „Bei Athleten mit einer kardiovaskulären Vorerkrankung sollten Nahrungsergänzungsmittel aufgrund unbekannter Nebenwirkungen extrem limitiert werden“, schreibt Halle.

Verunreinigungen sind ein großes Problem

Die Autorengruppe empfiehlt Sportlern außerdem, daran zu denken, dass auch als „natürlich“ gekennzeichnete Supplemente nicht notwendigerweise sicher sind. „Die Verunreinigung von Supplementen mit unbekannten oder verbotenen Substanzen ist ein signifikantes Problem“, heißt es in dem Positionspapier. Berichtet würden Kontaminationsraten von 12 bis 58%.

Ein typisches Beispiel sind Fatburner und Pflanzenextrakte, die mit Ephedra oder Ephedra-ähnlichen Substanzen verunreinigt sind. Dabei handele es sich nicht nur um eine häufige Ursache unabsichtlicher Verstöße gegen die Anti-Doping-Regeln, sondern auch um einen häufigen Auslöser kardiovaskulärer Erkrankungen.

Grundsätzlich sollten nur Produkte etablierter Hersteller verwendet werden, von denen bekannt ist, dass sie guten, international anerkannten Qualitätsstandards folgen, so Adami und seine Kollegen.

Auf Wechselwirkungen achten

Aber auch bei Supplementen seriöser Hersteller sei mehr nicht immer besser: „In vielen Fällen nutzen Sportler einen Mix oder Cocktail aus Substanzen, um ihre Leistung zu steigern, und Wechselwirkungen zwischen diesen Substanzen können extrem gefährlich sein“, so Adami.

 
Unwissenheit ist keine akzeptable Entschuldigung, wenn ein Dopingtest positiv ausfällt. Dr. Paolo Emilio Adami
 

Basierend auf der Dosis, der Einnahmedauer und der Interaktion mit anderen Substanzen können die gesundheitlichen Folgen variieren und in einigen Fällen tödlich sein. Aus kardiovaskulärer Perspektive drohten plötzlicher Herztod und Arrhythmien, Atherosklerose und Herzinfarkte, Bluthochdruck, Herzversagen und Blutgerinnsel.

Adamis Fazit: „Sportler sind immer selbst verantwortlich für die Substanzen, die sie einnehmen. Unwissenheit ist keine akzeptable Entschuldigung, wenn ein Dopingtest positiv ausfällt.“
 

Kommentar

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