Tipps für Ärzte, die als Sachverständige für Gerichte arbeiten wollen

Dr. jur. Florian Hölzel

Interessenkonflikte

2. Februar 2022

Darf ein vom Gericht beauftragter medizinischer Sachverständiger zugleich auch der behandelnde Arzt der Betroffenen sein? Und was gibt es dabei zu beachten? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist Anlass für Alexa Frey, selbstständige Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht und IT-Recht, Fragen rund um ärztliche Sachverständige zu beantworten. Sie erklärt, was Ärzte bei einem Gutachterauftrag von einem Gericht beachten müssen.

Sachverständiger zugleich auch der behandelnde Arzt

Im aktuellen BGH-Fall (Az.: XII ZB 335/21) ging es um die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung. Doch die Besonderheit dabei war, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige zugleich auch der behandelnde Arzt der Betroffenen war.

Dr. jur. Florian Hölzel

Die Betroffene war obdachlos und von der Polizei in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden. Das Gericht genehmigte die Unterbringung. Die Betreuerin der Obdachlosen ließ diese Genehmigung gerichtlich überprüfen. Hierbei war ein ärztliches Sachverständigengutachten erforderlich.

In dem gerichtlich eingeholten Gutachten war eine paranoide Schizophrenie, bei der sich eine akute psychotische Exazerbation mit handlungsleitendem Vergiftungswahn und Sinnestäuschungen zeigte, bescheinigt worden. Ohne eine geschlossene Unterbringung hätten objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens vorgelegen.

Gesonderte persönliche Untersuchung des Patienten erforderlich

Üblicherweise wählt das Gericht einen „externen“ Arzt für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aus. Im Unterbringungsverfahren besteht aber die gesetzliche Besonderheit, dass bei kürzeren Unterbringungszeiten auch der behandelnde Arzt zum Sachverständigen bestellt werden kann. Vorgeschrieben ist dann aber eine gesonderte persönliche Untersuchung und Befragung des Patienten durch den Arzt vor Erstellung des Gutachtens.

Dabei muss der Arzt dem Betroffenen mitteilen, dass er nunmehr zum Sachverständigen bestellt wurde und ihn zum Zweck der Beweisaufnahme und Erstellung des Gutachtens untersucht. Der Erhalt des Beweisbeschlusses beim Betroffenen ist dafür nicht ausreichend.

Vielmehr muss der behandelnde Arzt in dieser Konstellation dem Betroffenen deutlich zu erkennen geben, dass er von seiner Bestellung zum Sachverständigen (auch) als gerichtlicher Gutachter tätig sein wird. In dieser Funktion muss er den Betroffenen gesondert untersuchen und darf sich für sein Gutachten auch nicht darauf beschränken, die aus der bisherigen Tätigkeit als behandelnder Arzt gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen.

Privatgutachter oder gerichtlich bestellter Sachverständiger?

Ärztinnen und Ärzte können Gutachten erstellen für:

  • Privatpersonen,

  • Versicherungsgesellschaften,

  • Gerichte

Nur die letztgenannte Tätigkeit ist „unabhängig“ und den, teils strengen, Vorgaben der Prozessordnungen unterworfen. Zudem gilt für den gerichtlich bestellten Sachverständigen in Bezug auf das abzurechnende Honorar das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Die Abrechnung von Honorarsätzen, die über das JVEG hinausgehen, müssen vorab dem Gericht angezeigt und durch dieses – nach Rücksprache mit den Parteien des Rechtsstreits – genehmigt werden.

Für die vor den Zivilgerichten geführten Arzthaftungsfälle sind u.a. die Regelungen der §§ 492 bis 414 Zivilprozessordnung (ZPO) für den Arzt als Sachverständigen maßgeblich.

Gutachterauftrag: Angaben genau prüfen

Das Gericht bestimmt den Sachverständigen durch den Erlass eines Beweisbeschlusses. Darin sind die relevanten Beweisfragen aufgeführt, zudem wird eine konkrete Ärztin oder Arzt als Sachverständiger benannt.

Wichtig ist, dass Sie, bevor Sie einen solchen Auftrag annehmen, stets sorgfältig prüfen, ob die zu begutachtende Behandlung in Ihr Facharztgebiet fällt. Diese Pflicht besteht gemäß § 407a Abs. 1 ZPO. Maßgeblich ist, dass der behandelnde Arzt, dessen Behandlung begutachtet wird, denselben Facharzttitel und ggfs. auch dieselbe Spezialisierung und Qualifikation trägt wie Sie.

Stimmen die Fachgebiete nicht überein, sollte beim Gericht nachgefragt werden, ob die Beauftragung tatsächlich gewollt ist. Sinnvoll kann auch eine Übereinstimmung in dem Tätigkeitssektor sein (Klinikarzt, niedergelassener Arzt, etc.).

Häufige Problematik: Uneinigkeit über den Sachverhalt

Als medizinischer Sachverständiger sind Sie beauftragt, die medizinischen Fragen des Falls zu beantworten und dem Gericht Ihre fachliche Expertise zur Verfügung zu stellen.

Oft besteht aber zwischen den Parteien Uneinigkeit über den Sachverhalt, der der Behandlung zugrunde liegt. Ein typischer Fall ist die Frage der Aufklärung. Der Patient gibt beispielsweise an, er wurde nicht oder nicht hinreichend aufgeklärt; der Arzt versichert, ein ausführliches Aufklärungsgespräch habe stattgefunden.

Bei einem solchen streitigen Sachverhalt muss das Gericht festlegen, welche Tatsachen dem Gutachten zugrunde gelegt werden sollen. Erfahrene Gerichte formulieren den Beweisbeschluss bei streitigem Sachverhalt oft derart, dass unterschiedliche Sachverhaltsalternativen geschildert werden und die Beweisfragen dann unter Zugrundelegung der jeweiligen Sachverhaltsvariante beantwortet werden sollen.

Die Frage, welcher Sachverhalt dem Urteil des Gerichts zugrunde gelegt wird, unterliegt allein der Entscheidung des Gerichts und ist oft durch eine umfassende Beweisaufnahme – mit Zeugenvernehmungen und Sichtung der Behandlungsdokumentation – zu klären.

Bestehen unterschiedliche Sachverhaltsschilderungen und fehlt es im Beweisbeschluss an einer Differenzierung der Sachverhaltsalternativen, sollte der Sachverständige die Beweisfragen doppelt und je unter Zugrundelegung beider Varianten beantworten.

Bei Rückfragen: Keine Kontaktaufnahme mit den Parteien

Häufig benötigt der Sachverständige für die Erstellung des Gutachtens weitere Unterlagen, hat Rückfragen oder möchte den Patienten gerne persönlich untersuchen.

Ist dies der Fall, muss der Sachverständige dies direkt dem Gericht mitteilen. Eine Kontaktaufnahme mit den Parteien – ohne Genehmigung des Gerichts – muss vermieden werden, da dies grundsätzlich eine Befangenheit des Sachverständigen begründen könnte. Grund hierfür ist, dass dem Gericht die Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen gem. § 404a ZPO obliegt.

Weitere Pflichten des Sachverständigen

Der Sachverständige muss das Gutachten selbst erstellen und darf den Gutachterauftrag nicht auf andere Ärzte übertragen. Soweit die Mitarbeit anderer Personen erforderlich ist, muss dies dem Gericht, unter entsprechender Namensnennung, mitgeteilt werden (vgl. § 407a Abs. 3 ZPO).

Ferner kann das Gericht dem Sachverständigen eine Frist setzen, innerhalb derer das Gutachten erstellt werden muss. Wird die Frist nicht eingehalten, kann das Gericht ein Ordnungsgeld verhängen. Sollte es bei der Erstellung von Gutachten daher zu Verzögerungen kommen und kann eine entsprechende Frist nicht eingehalten werden, sollte dies dem Gericht vor Ablauf der Frist – unter Angabe der Gründe – mitgeteilt werden.

Dieser Artikel ist im Original am 20. Januar 2022 erschienen auf  Coliquio.de .
 

Kommentar

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