Immer die gleichen Probleme bei der Privatliquidation? Medscape sprach mit Viktor Edelmann, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für privatärztliche Abrechnung (dgpar) GmbH in Wiesbaden, über Fragen und Probleme bei der privaten Abrechnung.
Medscape : Herr Edelmann, die Privatabrechnung ist für manchen Arzt eine Art steter Quell der Ärgernisse. Und viele Ärztinnen und Ärzte verlieren ein Menge Geld, weil sie sich ungern mit der Materie auseinandersetzen. Was kann man da tun?
Edelmann: Ärzte sind insgesamt nicht gut genug in der Kodierung ihrer diagnostischen und medizinischen Leistungen ausgebildet und investieren 1. oft nicht genug Zeit in die Privatabrechnung und nicht genug Zeit und Geld in die entsprechende Aus- und Fortbildung. Das ist kein Wunder, denn Ärzte haben ja auch sehr viel Arbeit und wenig Zeit. Das heißt, es fehlt oft schlicht an Wissen und Know-how.

Viktor Edelmann
2. Wenn man als Praxisinhaber die Abrechnung an eine MFA auslagert, kann an dieser Schnittstelle durch Kommunikationsdefizite Geld verloren gehen. Hier geht es also um Vollständigkeit und deren sorgfältige Kontrolle, die oft nicht stattfindet oder oft nicht funktioniert. Das ist eine Sache des Fleißes und damit zusätzlicher Zeit.
Und der 3. Punkt ist eigentlich der schwierigste: Ärztinnen und Ärzte neigen dazu, aus psychologischen Gründen auf berechtigtes Honorar zu verzichten, also obwohl die Leistung erbracht und korrekt kodiert wurde. Der Verzicht greift oft dann, wenn der Patient nach der Behandlung wieder in der Praxis auftaucht und erklärt: „Meine Kasse hat das und das gesagt, sie will nicht zahlen!“
Dann zählt das Arzt-Patienten-Verhältnis auf einmal nichts mehr. Das Einzige, was zählt, ist nur mehr das Geld. Die pekuniäre Seite des Arzt-Patienten-Verhältnisses dominiert, und meistens knickt der Arzt ein. Oder er muss seine Mittagspause investieren, um mit den Versicherungen zu verhandeln.
An diesen 3 Punkten der Privatabrechnung verlieren Ärzte Geld.
Es geht um Kommunikation
Medscape : Kann man sich nicht auch häufiger mit Leistungszifferketten behelfen?
Edelmann: Natürlich! Aber sie müssen die Leistungen genau abbilden. Ärzte machen oft sehr ähnliche Prozeduren und kodieren sie auch immer gleich. Wenn sie sie immer falsch kodieren, verlieren sie Geld! Also sind korrekt hinterlegte Leistungszifferketten sehr praktisch. Sie fließen auf Knopfdruck in die Rechnungsdokumentation.
Zugleich kann der Arzt die Ziffernkette, falls nötig, individuell ändern. Aber letztlich ist die Behandlung einer Schulter trotz aller individuellen Physiognomie eine Schulter, die in der auftretenden Häufigkeit annähernd gleich behandelt wird.
Medscape : Warum ist es so schwer, mit den Versicherungen strittige Rechnungen zu diskutieren?
Edelmann: Dort fehlt es an ärztlichem Fachwissen. Und dies in der kompletten Breite der medizinischen Fachgebiete. Wie soll z.B. ein ehemaliger Augenarzt, der seit Jahren in einer Versicherung angestellt ist, die Abrechnung orthopädischer Leistungen mit aktuellem Therapiestandard beurteilen? Oder Sie telefonieren mit einem Versicherungsfachangestellten, der nicht weiß, wie Medizin heute funktioniert!
Zugleich muss man den Patienten klarmachen, dass die Versicherungen ein Recht darauf haben, nachzufragen. Die Versicherungen sind ja bei der Behandlung nicht dabei. Und vielfach sind die Versicherungen auch kompromissbereit. Auf einen Prozess lassen sie es in der Regel nicht ankommen. Denn sie wollen Präzedenzfälle vermeiden, die der ganzen Branche schaden könnten. Und am Schluss finden Ärzte und Versicherungen immer wieder zueinander, wenn sie Kompromisse bei der Erstattung finden.
Medscape : Abrechnungsprobleme sind also oft Kommunikationsprobleme.
Edelmann: Ja, im Gespräch mit den Versicherungen muss man natürlich beachten, dass die Mitarbeiter auf der anderen Seite der Telefonleitung ein deutlich geringeres medizinisches Know-how haben und die Ärzte stets die medizinische Brille aufhaben.
Und zugleich muss man sagen, dass auch kaum ein Patient die Rechnung richtig versteht. Wenn auf der Rechnung steht „ausführliche Beratung, auch telefonisch“, dann bekommt der Arzt einen Anruf: „Wir haben doch gar nicht telefoniert!“ Ein klares Kommunikationsproblem.
Medscape : Da genügt gutes Zureden meistens nicht mehr.
Edelmann: Nein. Die Kommunikation der Leistung muss schon viel früher beginnen – bei der Behandlung. Die Ärztin und der Arzt sollten mehr erklären, was sie tun und warum. Dann können die Patienten die Leistungen auch auf der Abrechnung besser wiedererkennen, und die Ärzte ersparen sich eine Menge Ärger.
Denn die Textbausteine, Ziffern und Codes überfordern natürlich die Patienten. Wer sollte die Rechnungen ohne Erklärung verstehen? Mit der Erklärung wächst auch ihre Bereitschaft, Rechnungen zu begleichen.
Gutes Geld für gute und vollständige Arbeit
Medscape : Auch mit den Steigerungssätzen gibt es immer wieder Erstattungsprobleme.
Edelmann: Ja, das stimmt. Hier muss man als Arzt sehr genau sein und keine Behandlungsfloskeln eintippen. Der Arzt soll nur da steigern, wo es Steigerungsanlässe gibt. Wenn bei einer ambulanten OP der Zugang Probleme bereitete oder Komorbiditäten vorliegen, muss dies genau dargelegt werden. Einfach „Adipositas“ einzutippen, genügt nicht. Es gilt: Gutes Geld für gute und vollständige Arbeit.
Es gibt auch Grauzonen, wo Ärzte sehr innovativ abrechnen. Da muss man manchmal sagen: Die Versicherungen haben mit ihren Fragen recht. Dann können beide Seiten aufeinander zugehen. Kaum eine Versicherung würde kurzerhand die ganze Rechnung beanstanden, sondern fragt einfach nach: Warum haben Sie 7 Besuche gemacht? Hätten nicht auch 3 genügt? War das nach den medizinischen Richtlinien angebracht?
Medscape : Wird die neue Gebührenordnung für Ärzte die Abrechnung erleichtern?
Edelmann: Auf jeden Fall wird sie das Leistungsgeschehen besser abbilden. Die Zeit, in der man sich mit Analogien behelfen muss, dürfte dann größtenteils vorbei sein. Die neue GOÄ berücksichtigt die neuen medizinischen Erkenntnisse und Behandlungsmethoden. Allerdings werden nicht alle Arztgruppen profitieren. Bestimmt werden gewisse Fachgruppen zukünftig geringer entlohnt werden.
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Diesen Artikel so zitieren: Mit ein paar Tricks lassen sich Privatversicherer und Privatpatienten bei Ärger mit der Abrechnung besänftigen - Medscape - 2. Feb 2022.
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