Nachdem somit alle anderen Ursachen ausgeschlossen wurden, blieb bei diesem Patienten Schizophrenie als Diagnose.
Im DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Auflage) der American Psychiatric Association wird Schizophrenie als psychische Störung mit psychotischen Episoden mit positiven und negativen Symptomen (oder Plus- und Minussymptomen) definiert [1]. Zu den Plussymptomen gehören Halluzinationen, Wahnvorstellungen und das Stimmenhören.
Halluzinationen können alle Sinne betreffen, also auch das Sehen, das Hören und das Schmecken oder Riechen. Wahnvorstellungen werden als paranoid beschrieben, haben oft Verfolgungscharakter und werden mit bizarren Elementen wie „Außerirdischen“ oder „FBI-Agenten“ verknüpft. Die Minussymptome sind durch einen Mangel an normalen Emotionen gekennzeichnet, wozu u.a. flache Affekte, Alogie, Anhedonie und Apathie gehören [2].
Ursprünglich wurde vermutet, dass bei diesem Patienten ein langfristiger Drogenkonsum zum frühen Ausbruch der Schizophrenie beigetragen haben könnte. Die Ergebnisse des Urintests zeigten jedoch, dass der Cannabiskonsum wohl nicht fortgesetzt wurde. Eine ausführliche Anamnese bestätigte diesen Befund. Der einmalige Cannabiskonsum stand demnach in keinem direkten Zusammenhang mit der plötzlichen Entwicklung der psychotischen Symptome, die weit über den Konsum der psychoaktiven Substanz hinaus anhielten. Der Cannabiskonsum war lediglich ein akutes Ereignis und war in diesem Fall kein Trigger für die Entwicklung der Schizophrenie, die aufgrund der familiären Vorbelastung wohl erblich zu erklären war.
Während offenbar ein langfristiger Cannabiskonsum die Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch einer Schizophrenie erhöht, würde ein einmaliger Konsum höchstwahrscheinlich nicht die bei diesem Patienten beobachteten psychotischen Symptome hervorrufen.
Daher passte die Vorstellung einer drogeninduzierten Psychose nicht, denn dazu ist in den meisten Fällen der chronische Konsum einer psychoaktiven Droge erforderlich, um auch dauerhafte Veränderungen in den Signalwegen des Gehirns zu bewirken [3,4]. Solche dauerhaften Veränderungen, vor allem im Dopaminstoffwechsel, führen zur Entwicklung einer Schizophrenie [5].
Das anfängliche Erscheinungsbild bestimmt bei der Schizophrenie die Gesamtprognose. Patienten mit plötzlich auftretenden ersten Symptomen haben eine bessere Gesamtprognose, während sie Patienten mit einer sich langsam entwickelnden Symptomatik schlechter ist. Darüber hinaus verschlimmern sich bei der Schizophrenie die Symptome im Laufe der Zeit bis ins Erwachsenenalter und die Betroffenen ziehen sich immer weiter zurück [1].
Therapien helfen dabei, diese Entwicklung etwas zu verlangsamen, doch können sie dies nicht vollständig stoppen. Eine Schizophrenie bedeutet auch eine geringere Lebenserwartung, was in erster Linie auf eine schlechte Lebensführung aber auch auf eine erhöhte Suizidalität zurückzuführen ist. Die schlechte Lebensführung resultiert bei vielen Betroffenen Patienten aus der eingeschränkten Aktivität mit nachfolgendem Übergewicht und einem erhöhten Diabetes- und Hypertonierisiko [6].
Medscape © 2022
Diesen Artikel so zitieren: Fall: Dieser 17-Jährige sieht Marsianer und leidet an Halluzinationen – an Drogen liegt es nicht. Wie helfen Sie ihm? - Medscape - 31. Jan 2022.
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