Kein Konsens bei Impfpflicht – 3 Strömungen unter Politikern; Diabetes als COVID-19-Komplikation? Corona-Prämie für MFAs?

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

27. Januar 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 27. Januar 2022

Heute meldet das RKI mit 203.136 Positiv-Tests auf SARS-CoV-2 einen weiteren Rekordwert. Am Donnerstag vor einer Woche waren es 133.536 Neuinfektionen. Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz erhöhte sich von 940,6 am Vortag auf 1.017,4 Infektionen pro 100.000 Einwohner. Weitere 188 Menschen sind in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben (Vortag: 166 Todesfälle).

Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 4,26 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 26. Januar, verglichen mit 4,07 am 25. Januar.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 26. Januar 2.363 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 33 weniger als am Vortag. Aktuell sind 827 Betten im Low-Care- und 2.262 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 342 freie ECMO-Behandlungsplätze.

Dr. Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), erwartet, dass sich die hohe Zahl an Neuinfektionen in 7 bis 10 Tagen auf Klinken auswirke. „Das heißt, wir werden auch in den kommenden Tagen und wahrscheinlich Wochen eine hohe Dynamik neuer Zugänge in die Krankenhäuser erleben“, sagte er.

  • Debatte über Impfpflicht im Bundestag: Kein Konsens – aber 3 Strömungen

  • Verbände fordern Anerkennung für Fachangestellte in Praxen

  • Neue Daten aus UK: Patienten nach Ende der Hospitalisierung besser überwachen

  • Mehr Diabetes nach COVID-19? Daran zweifeln deutsche Experten

  • COVID-19-Impfstoffe auch für Rheuma-Patienten verträglich und wirksam

  • Multisystem-Entzündungssyndrom: Kinder erholen sich rasch

Debatte über Impfpflicht im Bundestag: Kein Konsens – aber 3 Strömungen

Gestern debattierten Abgeordnete im Bundestag ausführlich über die geplante Impfpflicht. Die Ampel-Koalition war sich selbst nicht einig, welcher Weg denn einzuschlagen sei. In mehr als 2 Dutzend Redebeiträgen zeichnete sich der fehlende Konsens ab. Befürworter sehen eine Impfpflicht für Erwachsene generell oder für Über-50-Jährige als mögliches Modell. Mehrere Abgeordnete sagten, sie hätten sich noch nicht entschieden.

„Eine Impfpflicht wirft fachlich schwierige und rechtlich wie ethisch kontroverse Fragen auf“, so Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). „Bedenken wir dabei, dass die Menschen in dieser angespannten Zeit von uns vor allem Orientierung erwarten.“ Ihre Fraktionskollegin Dagmar Schmidt machte sich für eine allgemeine Impfpflicht stark und forderte, bei Bußgeldern die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Heike Baehrens (SPD) wiederrum hält eine allgemeine, aber zeitlich befristete Impfpflicht für erstrebenswert.

Auch Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) steht hinter dem Vorhaben der Regierung. „Uns eint, dass wir die Pandemie überwinden wollen“, so ihr Statement. Impfen sei der Schlüssel dafür, die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Dafür müsse die Impfquote aber höher werden. „Jetzt stehen wir in der Verantwortung, die bestehenden Impflücken zu schließen.“

Kritik kam von der Opposition. Tino Sorge (CDU) warf der Regierung – und speziell Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – vor, selbst keinen Vorschlag zu präsentieren. Er machte klar, dass neben verfassungsrechtlichen Aspekten auch wissenschaftliche Bedenken zu berücksichtigen seien. Mehr Daten seien erforderlich. „Boostern ohne Ende kann nicht die Option sein“, stellte Sorge klar. Lauterbach selbst sprach nur in seiner Funktion als Bundestagsabgeordneter – und machte sich für die allgemeine Impfpflicht stark.

Neben der AfD lehnen vor allem Teile der FDP um Wolfgang Kubicki gesetzliche Regelungen dieser Art ab. Die geplante Impfpflicht überzeuge ihn nicht, so Kubicki, zumal als Argument auf eine noch nicht existierende, mögliche Mutante verwiesen werde, die mit einem noch nicht verfügbaren Impfstoff bekämpft werden solle. Unterstützung kommt auch von der Linken. Matthias W. Birkwald betonte, er halte selbstbestimmte Impfungen nach individuellen Chancen und Risiken für den richtigen Weg. Und bei Bußgeldern wären Reiche wieder im Vorteil.

Mehrere Gruppen von Abgeordneten wollen bald Anträge zum Thema vorlegen. Dabei zeichnen sich 3 Strömungen ab. Es gibt Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht, einer Impfpflicht ab 50 – und Gegner solcher Regelungen. Die 1. Lesung wird voraussichtlich Mitte Februar stattfinden. Mit einer Entscheidung ist frühestens im März zu rechnen.

Verbände fordern Anerkennung für Fachangestellte in Praxen

Kritik an der Regierung kommt noch von anderer Seite. In einer gemeinsamen Pressemeldung beleuchten die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer und der Verband medizinischer Fachberufe, wie medizinische Fachangestellte die Pandemie wahrnehmen.

Sie weisen darauf hin, dass in Deutschland 6 von 7 COVID-19-Patienten durch Niedergelassene behandelt würden. Hygieneregeln, viele Anfragen, Test- und Impfwünsche kämen mit hinzu. „Es ist deshalb richtig und angemessen, MFA den Beschäftigten in Krankenhäusern gleichzustellen und ihnen für ihr Engagement in der Coronakrise eine steuerfinanzierte Corona-Prämie in vergleichbarer Höhe zu zahlen“, sagt BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Politiker haben den staatlichen Corona-Bonus für die anderen Fachberufe im Gesundheitswesen angekündigt, jedoch nicht für medizinisches Fachpersonal in den Praxen. Genau dies fordern die Verbände jetzt.

Moderna: Phase-2-Studie zu Omikron-Auffrischungsimpfung beginnt

Forschende Hersteller haben die neue SARS-CoV-2-Variante als Ziel. Nicht nur BioNTech und Pfizer arbeiten, wie Medscape berichtet hat, mit Hochdruck an einem Vakzin gegen Omikron. Auch Moderna kündigt per Pressemitteilung Fortschritte an.

Jetzt beginnt eine Phase-2-Studie mit dem Omikron-spezifischen Impfstoffkandidaten mRNA-1273.529, um dessen Immunogenität, Sicherheit und Reaktogenität zu bewerten. Die Studie besteht aus 2 Kohorten mit je 300 Probanden:

  • Kohorte 1: Personen, die zuvor 2 Dosen mRNA-1273 erhalten haben, wobei die 2. Dosis mindestens 6 Monate zurückliegt.

  • Kohorte 2: Personen, die zuvor 2 Dosen mRNA-1273 Dosen und eine 50-µg-Auffrischungsdosis mRNA-1273 erhalten haben, wobei die Auffrischungsdosis mindestens 3 Monate zurückliegt.

Alle Probanden erhalten eine einzige Auffrischungsdosis mRNA-1273.529.

Neue Daten aus UK: Patienten nach Ende der Hospitalisierung besser überwachen

Patienten, die im Jahr 2020 wegen COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert worden waren – und mindestens eine Woche nach der Entlassung überlebten – haben deutlich höhere Risiken, verglichen mit der Allgemeinbevölkerung. Das berichten Forscher jetzt in PLOS Medicine.

Die Forscher führten eine statistische Analyse elektronischer Patientenakten aus der Datenbank OpenSAFELY durch. Sie werteten Daten von fast 25.000 Patienten aus, die im Jahr 2020 nach einem Krankenhausaufenthalt wegen COVID-19 entlassen worden waren. Als Vergleich kamen Daten von 100.000 Personen der Allgemeinbevölkerung hinzu.

Die Analyse zeigte, dass Personen, die wegen COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden und mindestens 1 Woche nach der Entlassung lebten, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein doppelt so hohes Gesamtrisiko hatten, dass sie in den folgenden Monaten wieder ins Krankenhaus eingeliefert werden oder sterben. Sie hatten auch ein fast 5-fach höheres Todesrisiko aus jedweder Ursache.

Die Autoren schlagen vor, dass solche Risiken durch Maßnahmen zur Verbesserung der Überwachung von COVID-19-Patienten nach der Entlassung verringert werden könnten.

Mehr Diabetes nach COVID-19? Daran zweifeln deutsche Experten

Eine neue Studie der US Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, sorgt für Diskussionen. Laut Datenbank-Auswertungen war eine COVID-19-Infektion mit einem um 31% bis 166% höheren Risiko für Diabetes assoziiert, verglichen mit Personen ohne Infektion. Die amerikanische Behörde griff auf Daten von über 500.000 versicherten US-Patienten zurück.

Jetzt meldet sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) zu Wort – mit Verweis auf „gravierende methodische Schwächen der Studie“. Die Zahlen bewertet DDG-Präsident Prof. Dr. Andreas Neu als „erheblichen Unterschied, der kein eindeutiges Studienergebnis liefert“. Außerdem werde nicht zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterschieden. „Ohne diese Trennung ist eine Gesamteinschätzung kaum möglich“, so Neu. Als weitere Schwächen nennt die DDG fehlende Angaben zur ethnischen Zugehörigkeit, zum Körpergewicht und zu einen möglicherweise bestehenden Prädiabetes – allesamt wichtige Risikofaktoren. Außerdem seien die absoluten Fallzahlen zu gering.

Laut Neu sei es generell denkbar, dass SARS-CoV-2 einen Typ-1-Diabetes auslöse. Virale Infekte gelten als mögliche Risikofaktoren. Der DDG erscheinen jedoch 30 Tage, wie die Studienautoren schreiben, als zu knapper Zeitraum.

COVID-19-Impfstoffe auch für Rheuma-Patienten verträglich und wirksam

Wie die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie berichtet, sind COVID-19-Vakzine auch für Patienten mit entzündlichen oder autoimmunen rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen sicher und wirksam. Das zeigen Daten eines europäischen Registers mit mehr als 5.121 Rheuma-Patienten aus 30 Ländern.

Zu den häufigsten Diagnosen im Register zählten die rheumatoide Arthritis, die axiale Spondyloarthritis und die Psoriasis-Arthritis. 54% aller Patienten bekamen ein konventionelles synthetisches krankheitsmodifizierendes Antirheumatikum (csDMARD), 42% ein biologisches DMARDs (bDMARD) und 35% Immunsuppressiva.

70% waren mit dem Vakzin von BioNTech/Pfizer geimpft, 17% mit dem Vakzin von AstraZeneca/Oxford und 8% mit dem von Moderna. Die Nebenwirkungen waren meist mild und lokal begrenzt. Bei 4,4% kam es zu einem meist milden, kurzfristig verlaufenden Krankheitsschub. Nur in 0,6% der Fälle war der Schub schwerwiegend. Bei 0,7% der Geimpften kam es zu einer Durchbruchsinfektion.

Multisystem-Entzündungssyndrom: Kinder erholen sich rasch

Forscher berichten im Journal of the American Heart Association über neue Erkenntnisse zum Multisystem-Entzündungssyndrom bei Kindern (MIS-C), einer Komplikation nach SARS-CoV-2-Infektionen.

Sie überprüften retrospektiv Daten von 60 Kindern, die aufgrund von COVID-19 mit MIS-C ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Das geschah zwischen April 2020 und Januar 2021. Bei keinem der Kinder wurde vor dem Auftreten von MIS-C-Symptomen COVID-19 diagnostiziert. Die Patienten waren zu 60% Jungs. Das Durchschnittsalter lag bei 10 Jahren.

Patienten wurden mit intravenösem Immunglobulin und/oder systemischen Steroiden behandelt. Die Forscher untersuchten echokardiographische und klinische Daten aus den Krankenakten, einschließlich demographischer Faktoren, Tests, Behandlung und Krankenhausergebnisse.

Als Kontrolle zogen sie Daten von weiteren 60 Kindern, deren Herzen strukturell normal waren und die weder MIS-C noch COVID-19 hatten, heran (Durchschnittsalter 11,5 Jahre; 55% männlich). 60% hatten Echokardiogramme, die vor der COVID-19-Pandemie durchgeführt wurden, und 40 % hatten EKGs mit einem Datum nach Oktober 2020.

Bei Kindern mit MIS-C analysierten Forscher Bilder des Herzens, die bei der ersten Hospitation (akute Phase) aufgenommen worden waren, und untersuchten zusätzliche Aufnahmen bei einem Teil der Kinder, die ebenfalls bis zu 3 weitere Male gescannt worden waren: 1 Woche nach dem 1. Scan (subakute Phase), bei der 1-monatigen Nachuntersuchung und bei der 3- oder 4-monatigen Nachuntersuchung. Die Kinder wurden mittels konventioneller Echokardiographie, Speckle-Tracking-Echokardiographie und kardialer Magnetresonanztomographie (MRT) auf Bilder des Herzens untersucht.

Die Ergebnisse im Überblick:

  • EKG-Daten zufolge verbesserten sich die systolische und diastolische Funktion der linken Herzkammer und die systolische Funktion der rechten Herzkammer rasch innerhalb der 1. Woche, gefolgt von einer kontinuierlichen Verbesserung und einer vollständigen Normalisierung nach 3 Monaten.

  • 81% der pädiatrischen Patienten verloren während der akuten Krankheitsphase eine gewisse kontraktile Funktion im linken Ventrikel, doch nach 3 bis 4 Monaten hatte sich die Kontraktionsfunktion wieder normalisiert.

  • MIS-C verursachte keine dauerhaften Anomalien der Koronararterien. Während des 1. Krankenhausaufenthalts wiesen 70% der Patienten Anzeichen für eine Herzfehlfunktion auf, doch bei der 3-monatigen Nachuntersuchung waren alle Scans normal.

  • Belastungsuntersuchungen zur Messung der Herzfunktion deuten darauf hin, dass nach 3 Monaten keine subklinische Herzfunktionsstörung vorliegt.

Das spreche für eine rasche Erholung und – im Rahmen der Nachbeobachtungszeit – für eine vollständige Rekonvaleszenz, so die Autoren.

 

Kommentar

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