Gastrointestinaler Krebs: Neue Therapieoptionen bei Leber-, Gallengang- und Stromatumoren

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

25. Januar 2022

Im Onko-Blog dieser Woche liegt der Schwerpunkt auf gastrointestinalen Tumoren, vor allem Leberkrebs. Wir stellen 2 Studien vom American Society of Clinical Oncology (ASCO) Gastrointestinal Cancers Symposium 2022 sowie 2 Studien zur neoadjuvanten Immuntherapie beim Leberkrebs vor. Experimentelle Daten deuten darauf hin, dass Fasten die Wirkung von Sorafenib bei Leberkrebs verstärken könnte.

  • Leberkrebs: Neoadjuvante Immuntherapie als neue Behandlungsoption?

  • Leberkrebs: Durvalumab plus Tremelimumab bei nicht resezierbaren Formen

  • Leberkrebs: H1-Antihistaminika mit reduziertem Leberkrebs-Risiko bei Patienten mit Hepatitis assoziiert

  • Leberkrebs: Fasten zusätzlich zu Sorafenib verlangsamt Tumorwachstum

  • Gallengangkarzinom: Durvalumab plus Chemotherapie verbessert Überleben im Vergleich zu Chemotherapie allein

  • GIST: Ripretinib vergleichbar wirksam und besser verträglich als Sunitinib

  • Lungenkarzinom: Trastuzumab Deruxtecan als neuer Standard beim HER2-mutierten rezidivierten NSCLC

Leberkrebs: Neoadjuvante Immuntherapie als neue Behandlungsoption?

In 2 in Lancet Gastroenterology & Hepatology publizierten offenen Phase-2-Studien erreichte eine neoadjuvante Therapie mit Nivolumab bzw. Nivolumab plus Ipilimumab sowie mit Cemiplimab bei Patienten mit resezierbaren Leberkarzinomen pathologische Ansprechraten, die größere Studien zu dieser Fragestellung sinnvoll erscheinen lassen.

Präoperativ applizierte Immuntherapeutika haben bei einer Vielzahl von Tumoren gute pathologische Ansprechraten induziert. Außerdem können Immuntherapeutika bei fortgeschrittenem Leberkarzinom das Überleben verlängern.

In einer Studie aus dem MD Anderson Cancer Center in Houston erhielten 27 Patienten randomisiert Nivolumab (n = 13) oder Nivolumab plus Ipilimumab (n = 14) vor der Operation und anschließend als adjuvante Therapie. Bei 7 wurde die Operation nicht ausgeführt. Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 bis 4 waren bei Nivolumab plus Ipilimumab häufiger (6/14 Patienten) als bei Nivolumab allein (3/13 Patienten).

Das geschätzte mediane progressionsfreie Überleben betrug 9,4 Monate mit Nivolumab und 19,5 Monate mit Nivolumab plus Ipilimumab. Die Ergebnisse rechtfertigen nach Meinung der Autoren weitere Studien zur neoadjuvanten Immuntherapie bei dieser Erkrankung

In einer Studie aus der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, erhielten 21 Patienten mit resezierbarem Leberkarzinom neoadjuvant und adjuvant Cemiplimab. Von 20 operierten Patienten zeigten 4 (20%) eine deutliche Tumornekrose. 3 Patienten sprachen partiell an, alle anderen erreichten eine stabile Erkrankung. Die Autoren sind der Ansicht, dass die Ergebnisse größere Studien rechtfertigen, in denen u.a. die Therapiedauer optimiert wird und die den klinischen Nutzen dieser Therapieform belegen.

Leberkrebs: Durvalumab plus Tremelimumab bei nicht resezierbaren Formen

Die Kombination aus dem PD1-Hemmer Durvalumab und dem CTLA4-Hemmer Tremelimumab besserte das Gesamtüberleben von Patienten mit fortgeschrittenem, inoperablem hepatozellulärem Karzinom im Vergleich zu Sorafenib. Diese ergab die offene Phase-3-Studie HIMALAYA mit 1.171 Patienten, die beim American Society of Clinical Oncology (ASCO) Gastrointestinal Cancers Symposium 2022 vorgestellt worden ist.

Die 1.171 Patienten erhielten randomisiert Tremelimumab plus Durvalumab, Durvalumab allein oder Sorafenib. Sie wurden im Median 16 Monate nachbeobachtet.

Bei Patienten, die die kombinierte Immuntherapie erhielten, war das Sterberisiko im Vergleich zu Sorafenib um 22% geringer (Hazard Ratio: 0,78; p = 0,0035). Nach 3 Jahren lebten noch 30,7% der Patienten in der Kombigruppe, im Vergleich zu 24,7% in der Durvalumab- und 20,2% in der Sorafenib-Gruppe. Auf die Kombi sprachen 20,1%, auf Durvalumab 17% und auf Sorafenib 5,1% der Patienten an.

Unerwünschte Wirkungen vom Schweregrad 3/4 traten bei 25,8% der Patienten unter Kombinationsbehandlung, bei 12,9 unter Durvalumab und bei 36,9% unter Sorafenib auf.

Leberkrebs: H1-Antihistaminika mit reduziertem Leberkrebs-Risiko bei Patienten mit Hepatitis assoziiert

Bei Patienten mit Hepatitis-B-, -C- oder -BC-Infektion ist die Anwendung von H1-Antihistaminika mit einem geringeren Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms assoziiert. Das ergab eine Analyse mit Daten der taiwanesischen nationalen Gesundheitsversicherungs-Datenbank, die eine Arbeitsgruppe aus Taiwan im Journal of Clinical Oncology publiziert hat.

Sie analysierten die Daten von Patienten mit HBV- (n = 521.071), HCV- (n = 169.159) und dualer HBV-HCV-Infektion (n = 39.016) ein. Patienten, die Antihistaminika verwendeten, wiesen ein signifikant geringeres Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom im Vergleich zu Patienten auf, die kein Antihistaminika einnahmen, die adjustierten Hazard Ratios lagen bei 0,489, 0,484 bzw. 0,469.

Außerdem zeigte sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung bei der Anwendung von Antihistaminika und dem Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms.

Leberkrebs: Fasten zusätzlich zu Sorafenib verlangsamt Tumorwachstum

In-vitro-Untersuchungen und Mausexperimente weisen darauf hin, dass bei Leberkrebs unter Sorafenib-Behandlung und gleichzeitigem Fasten das Tumorwachstum verlangsamt werden kann.

Die Medizinische Universität Graz hat in Zusammenarbeit mit der Universität Utrecht und dem Max-Planck-Institut in Dresden die molekularen und metabolischen Vorgänge in Krebszellen während der Behandlung eines hepatozellulären Karzinoms in vitro und im Tierversuch erforscht wie in Science Advances berichtet.

Eines der größten Probleme bei der Behandlung des Leberkarzinoms ist die rasch einsetzende Resistenz gegen Therapeutika wie Sorafenib. Möglicherweise helfen durch Fasten ausgelöste Veränderungen in der Zelle, diese Resistenzen zu umgehen.

Sorafenib hemmt u.a. die zelluläre Atmung der Mitochondrien. Steht jedoch genug Glukose als Energieträger zur Verfügung, können sich die Krebszellen trotzdem weiterhin teilen. Wird die Verfügbarkeit von Glukose durch Fasten eingeschränkt, verlangsamt sich das Tumorwachstum deutlich. „Somit kann Fasten dabei helfen, die Entstehung von Resistenzen gegen Sorafenib zu verhindern beziehungsweise zu reduzieren“, heißt es in einer Pressemitteilung.

In der Studie wurde auch gezeigt, dass der Tumorsuppressor p53 für den Effekt der Kombination aus Fasten und Sorafenib notwendig ist. Damit kommt diese Behandlungsstrategie für die 2 Drittel aller Leberkrebspatienten infrage, die keine p53-Mutation aufweisen.

Weiterführende Arbeiten sollen zeigen, ob sich diese Kombinationstherapie auf die Behandlung des hepatozellulären Karzinoms in der klinischen Praxis übertragen lässt.

Gallengangkarzinom: Durvalumab plus Chemotherapie verbessert Überleben im Vergleich zu Chemotherapie allein

Der Immuncheckpoint-Inhibitor Durvalumab verbesserte zusätzlich zur Chemotherapie gegeben das Gesamtüberleben von Patienten mit nicht vorbehandeltem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Gallengangkarzinom im Vergleich zu Chemotherapie allein. Dies ergab die internationale doppelblinde Phase-3-Studie TOPAZ-1, die beim American Society of Clinical Oncology (ASCO) Gastrointestinal Cancers Symposium 2022 vorgestellt worden ist.

Alle 685 in die Studie aufgenommenen Patienten erhielten Gemcitabin plus Cisplatin (GemCis). Randomisiert erhielten 341 Patienten zusätzlich Durvalumab und 344 Patienten Placebo.

Bei der Interimsanalyse hatte die Studie den primären Endpunkt erreicht: Durvalumab + GemCis verbesserte das Gesamtüberleben gegenüber Placebo + GemCis signifikant (HR: 0,80; p = 0,021). Auch das progressionsfreie Überleben war mit Durvalumab im Vergleich zu Placebo signifikant verbessert (HR: 0,75, p = 0,001). 26,7% der Durvalumab- und 18,7% der Placebo-Patienten sprachen auf die Therapie an.

Behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse vom Grad 3/4 traten bei 62,7% unter Durvalumab und bei 64,9% der Patienten unter Placebo auf.

Die Ergebnisse deuten nach Ansicht der Autoren darauf hin, dass Durvalumab plus GemCis ein neuer Standard in der Erstlinientherapie dieser Patienten sein könnte.

GIST: Ripretinib vergleichbar wirksam und besser verträglich als Sunitinib

Der Tyrosinkinase-Inhibitor Ripretinib wirkte bei Patienten mit fortgeschrittenen gastrointestinalen Stromatumoren (GIST), die unter Imatinib progredient waren oder die Imatinib nicht vertragen hatten, vergleichbar gut wie Sunitinib. Ripretinib scheint aber besser verträglich zu sein. Diese Ergebnisse der Phase-3-Studie INTRIGUE wurden bei der Plenarreihe der American Society of Clinical Oncology (ASCO) am 25. Januar 2022 vorgestellt.

Bei GIST mit Mutationen im KIT-Gen ist Imatinib wirksam, jedoch entwickeln die meisten Patienten eine Resistenz – häufig aufgrund sekundärer Mutationen im KIT.

In der internationalen multizentrischen Studie wurden nach Vorbehandlung mit Imatinib 453 Patienten randomisiert mit Ripretinib und 227 mit Sunitinib behandelt.

Die Studie erreichte den primären Endpunkt allerdings nicht. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug unter Ripretinib 8 Monate, unter Sunitinib 8,3 Monate. Bei Patienten mit einer KIT-Exon-11-Primärmutation lag das PFS unter Ripretinib bei 8,3 Monaten, unter Sunitinib bei 7 Monaten (HR 0,88; p = 0,360).

Auf Ripretinib sprachen 21,7%, auf Sunitinib 17,6% an. Bei Patienten mit einer KIT-Exon-11-Primärmutation lag die Gesamtansprechrate mit Ripretinib bei 23,9%, mit Sunitinib bei 14,6%.

Nebenwirkungen vom Schweregrad 3/4 waren im Ripretinib-mit 41,3% seltener als im Sunitinib-Arm mit 65,6%.

 

Kommentar

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