Gute Aussichten bei Erdnussallergie: Im Kleinkindalter angefangen, bietet orale Immuntherapie sogar Chance auf Remission

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

24. Januar 2022

Bei Erdnussallergien ist eine orale Immuntherapie offenbar dann am wirksamsten, wenn schon im Kleinkindalter damit begonnen wird. Anders als im höheren Alter verspricht der frühe Beginn eine Remission bei einem von 5 Kindern, wie eine randomisiert-kontrollierte Studie aus den USA zeigt, die im Lancet veröffentlicht wurde [1].

Daten bisher nur zu älteren Kindern

Die orale Immuntherapie bei Erdnussallergien ist eine noch relativ neue Therapiestrategie. Ein kommerzielles Präparat ist in Deutschland erst seit wenigen Monaten auf dem Markt.

„Anders als etwa bei Pollenallergien ist die Zahl der Betroffenen eher klein, das Interesse der Pharmaindustrie entsprechend niedriger“, erklärt Prof. Dr. Kirsten Beyer, die an der Charité-Universitätsmedizin Berlin das Kinderallergologische Studienzentrum leitet, auf Nachfrage von Medscape. Zudem war es für die Entwicklung einer Therapie hinderlich, dass frühe Versuche mit einer subkutanen Immuntherapie mit schweren Nebenwirkungen assoziiert waren.

Die Studien zur oralen Immuntherapie bei Erdnussallergie schlossen bislang vorwiegend Kinder im Schulalter und Jugendliche ein. „Aber kleinere Studien deuteten darauf hin, dass sich kleine Kinder noch einfacher desensibilisieren lassen“, so Beyer. Die Überlegung dahinter sei, dass sich das Immunsystem im jüngeren Alter noch einfacher modulieren lasse.

Das Ziel waren 6 Erdnüsse

An der US-Studie unter Erstautorin Dr. Stacie Jones vom Department of Pediatrics an der University of Arkansas for Medical Sciences nahmen 146 Kleinkinder mit einer Errdnussallergie teil. Sie waren zwischen einem und 3 Jahren alt und vertrugen im Schnitt 25 mg Erdnussprotein. 96 Kinder wurden auf die orale Immuntherapie randomisiert, die restlichen 50 Kinder erhielten ein Placebo auf Hafermehlbasis.

Über 2,5 Jahre nahmen die Kinder in der Interventionsgruppe täglich eine kleine Menge Erdnussprotein ein, wobei die Dosierung schrittweise von 0,1 mg auf 2000 mg anstieg. Letzteres entspricht etwa 6 Erdnüssen.

Am Ende der Behandlung wurde getestet, ob die Kinder 5.000 mg Erdnussprotein – etwa 16 Erdnüsse – essen konnten, ohne eine signifikante allergische Reaktion zu zeigen. Bei 71% der mit einer oralen Immuntherapie behandelten Kinder wurde eine solche Desensibilisierung erreicht. In der Placebogruppe waren es 2%.

Neue Daten zur Sicherheit der Therapie

„In Ergänzung zu den Daten zur Wirksamkeit liefert die Studie auch wichtige Informationen zur langfristigen Sicherheit einer oralen Immuntherapie bei kleinen Kindern mit Erdnussallergie“, schreiben Jones und ihre Kollegen. Sie berichten, dass bei den meisten Kindern unter der Therapie mindestens eine Reaktion aufgetreten sei. Diese vorwiegend leichten bis mittelschweren Reaktionen seien mit 98% in der Interventionsgruppe häufiger gewesen als in der Placebogruppe mit 80%.

Am häufigsten waren Hautreaktionen wie Nesselsucht, Ausschläge und Rötungen, Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Juckreiz im Mund und respiratorische Probleme wie Rhinitis, Husten und Giemen. Im Lauf der 2,5 Jahre mussten 21 Patienten insgesamt 35-mal mit Adrenalin behandelt werden, weil sie auf die orale Immuntherapie mit einer allergischen Reaktion reagierten.

Nach einem halben Jahr Allergen-Toleranz noch bei 57% der Kinder

Bestand die Toleranz gegenüber 5.000 mg Erdnussprotein 26 Wochen nach Therapieende noch immer, befanden sich die Kinder definitionsgemäß in Remission. Dies war in der Interventionsgruppe bei 21% und in der Placebogruppe bei 2% der Fall.

Eine weitere Gruppe von 20 Kindern erreichte mit der oralen Immuntherapie zwar nicht den Schwellenwert für eine Remission, konnten aber 26 Wochen nach Therapieende 1.755 bis 3.755 mg Erdnussprotein – etwa 6 bis 12 Erdnüsse – tolerieren.

Demzufolge seien 26 Wochen nach Therapieende in der Interventionsgruppe 57% der Kinder in der Lage gewesen, sicher 1.755 bis 3.755 mg Erdnussprotein zu verzehren, schreiben die Autoren um Jones.

Besserer Wirksamkeit bei jüngerem Alter

Die Auswertung der Studie zeigte auch: Je jünger das Kind bei Start der oralen Immuntherapie war, desto häufiger konnte eine Remission erreicht werden. Bei den Einjährigen waren es 71% (5/7), bei den 2-Jährigen 35% (7/20) und bei den 3-Jährigen 19% (8/43). Hier räumen Jones und ihre Kollegen allerdings ein, dass die Gruppe der Einjährigen in der Studie sehr klein gewesen sei. Es bedürfe hier weiterer Erforschung.

Die Beobachtung, dass eines von 5 Kindern eine Remission erreichte, zählt für Beyer zu den wichtigsten Ergebnissen der US-Studie: „Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass eine orale Immuntherapie bei den meisten Patienten zu einer Desensibilisierung führen kann – also einer höheren Reaktionsschwelle unter Therapie. Aber Remission – keine allergischen Reaktionen nach Beendigung der Therapie – wurde bisher selten untersucht.“

Niedriges IgE als Prädiktor

Ein jüngeres Alter war allerdings nicht der einzige Prädiktor für eine Remission: Patienten mit niedrigeren Erdnuss-spezifischen IgE-Antikörpern zu Studienbeginn konnten den Therapieerfolg mit höherer Wahrscheinlichkeit auch nach Therapieende aufrechterhalten.

 
Das Immunsystem muss immer wieder daran erinnert werden, dass Erdnüsse nicht gefährlich sind. Prof. Dr. Kirsten Beyer
 

Für Beyer kommt das nicht überraschend, denn „Patienten mit niedrigen IgE-Werten verlieren auch häufiger von selbst ihre Erdnussallergie“. Zwar bildeten sich Erdnussallergien im Vergleich zu anderen andere Nahrungsmittelallergien sehr viel seltener von selbst zurück, aber auch sie verschwänden bei einem Teil der Patienten im Laufe des Lebens.

Und wie bei den Patienten, die eine natürliche Toleranz erreichten, gelte auch nach einer therapieinduzierten Remission: „Das Immunsystem muss immer wieder daran erinnert werden, dass Erdnüsse nicht gefährlich sind“, so Beyer. Sie würde den Kindern deshalb empfehlen, mindestens 3-mal pro Woche Erdnussprodukte zu essen, um die Toleranz aufrecht zu erhalten.

 

Kommentar

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