Schnelltests erkennen infizierte Kinder schlecht; Risikofaktoren für Impfdurchbrüche; 4. Impfung enttäuscht

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

21. Januar 2022

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 21. Januar 2022

Heute meldet das Robert Koch-Institut 140.160 weitere Infektionen mit SARS-CoV-2. Am Freitag vor einer Woche waren es 92.223 neue Positiv-Tests. Die Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz stieg auf 706,3 Fälle pro 100.000 Einwohner von 638,8 am Vortag. Weitere 170 Patienten sind an COVID-19 gestorben. Vor einer Woche waren es 286 Todesfälle. Als 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz nennt das RKI 3,56 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 20. Januar, verglichen mit 3,34 am 19. Januar.

Laut DIVI-Intensivregister waren am 19. Januar 2.571 Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, sprich 93 weniger als am Vortag. Aktuell sind 836 Betten im Low-Care- und 2.309 im High-Care-Bereich frei. Hinzu kommen 324 freie ECMO-Behandlungsplätze. Der Tagesreport vom 20. Januar ist derzeit nicht verfügbar.

  • Warten auf Omikron-Welle: Die Lage in den Krankenhäusern

  • Opt-In-Modell als Kompromiss statt Impfpflicht in Deutschland

  • Israel: Viertimpfung bei Omikron weniger effektiv als erwartet

  • Schnelltests: Teils geringe Sensitivität bei Kindern

  • Fallstudie: Omikron-Durchbruchsinfektionen bei Deutschen in Südafrika

  • Neue Strategie: RNA-Basierter Wirkstoff gegen Lungenschäden durch COVID-19?

Warten auf Omikron-Welle: Die Lage in den Krankenhäusern

„Derzeit können wir auf den Intensivstationen die Omikron-Welle noch nicht ausmachen“, so DIVI-Präsident Prof. Dr. Gernot Marx. Und sein Kollege Prof. Dr. Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters, ergänzt: „Wir sehen derzeit eine Verbreitung von Omikron bei den jüngeren Altersgruppen und noch nicht bei den über 60-Jährigen. (…) Wir müssen abwarten, wenn Omikron auf die über 60-Jährigen und die Ungeimpften trifft.“

 
Derzeit können wir auf den Intensivstationen die Omikron-Welle noch nicht ausmachen. Prof. Dr. Gernot Marx
 

„Mit Blick auf die Zahlen scheint zwar die Belastung auf der Intensivstation abzunehmen, die Belastung auf der Normalstation bleibt allerdings hoch oder steigert sich sogar deutlich“, relativiert Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Opt-In-Modell als Kompromiss statt Impfpflicht in Deutschland?

In Österreich hat sich der Nationalrat klar zur Impfpflicht bekannt – Deutschlands Nachbar wird entsprechende Regelungen einführen. Auch eine Impflotterie soll es in der Alpenrepublik geben.

Deutschland selbst kommt nicht wirklich voran. Zuletzt hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Mai oder Juni als möglichen Zeitpunkt genannt – der März ist nicht mehr zu halten. Sozialdemokraten beginnen daran zu zweifeln, für ein Gesetz die erforderliche Mehrheit im Bundestag zu finden. Teile der FDP um Wolfgang Kubicki lehnen solche Maßnahmen kategorisch ab.

Derzeit diskutiert die Ampel-Koalition ein sogenanntes Opt-In-Modell als möglichen Kompromiss. Damit wäre eine Impfpflicht grundsätzlich möglich, wenn bestimmte Szenarien eintreten, etwa eine zu schwache Durchseuchung durch Omikron und damit ein lückenhafter Schutz der Bevölkerung. Diese Variante würde gesetzlich verankert, aber erst bei bestimmten Szenarien „scharf geschaltet“. Ein Impfregister, das alle Daten zentralisiert sammelt, befürworten Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) derzeit nicht.

 
Wir werden unseren Ärzten nicht zumuten, eine Impfpflicht gegen den Willen der Patienten zu exekutieren. Dr. Andreas Gassen
 

Im Rahmen der Debatte meldeten sich auch Standesvertreter zu Wort. „Die Entscheidung um die Impfpflicht ist eine politische. Wenn die Bundesregierung diese beschließen will, muss sie sich auch um die Umsetzung kümmern“, sagt Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV. „Die Praxen haben in der Impf-Kampagne bisher alles gegeben, um Rekorde zu brechen und geradezu astronomische Ziele einzuhalten.“ Und KBV-Chef Dr. Andreas Gassen ergänzt: „Wir werden unseren Ärzten nicht zumuten, eine Impfpflicht gegen den Willen der Patienten zu exekutieren.“

Israel: Viertimpfung bei Omikron weniger effektiv als erwartet

Wissenschaftler interessieren sich eher für die Frage, was Viertimpfungen als mögliche Strategie gegen Omikron bewirken. Auf Twitter berichtet der US-Kardiologe und Editor-in-Chief von Medscape Dr. Eric Topol von neuen Daten aus Israel. Fast 1 Monat, nachdem das Sheba Medical Center eine Studie gestartet hatte, um die Wirksamkeit einer 4. Impfdosis zu untersuchen, liegen Zwischenergebnisse vor. Patienten erhielten ein mRNA-Vakzin (BioNTech/Pfizer bzw. Moderna). Zum Vergleich dienten Personen mit 3 Impfungen.

 
Unter dem Strich sind die Impfstoffe hervorragend gegen Alpha und Delta geeignet; bei Omikron sind sie nicht gut genug. Prof. Dr. Gili Regev-Yochay
 

„Der Impfstoff, der gegen die vorherigen Stämme sehr wirksam war, ist weniger wirksam gegen den Omikron-Stamm“, sagte Prof. Dr. Gili Regev-Yochay, eine leitende Forscherin. „Wir sehen einen Anstieg der Antikörper, höher als nach der 3. Dosis.“ Sie ergänzt: „Wir sehen jedoch viele Omikron-Infizierte, die ihre 4. Dosis erhalten haben. Zugegeben, etwas weniger als in der Kontrollgruppe, aber es sind immer noch viele Infektionen.“

Regev-Yochays Fazit: „Unter dem Strich sind die Impfstoffe hervorragend gegen Alpha und Delta geeignet; bei Omikron sind sie nicht gut genug.“ Es sei wahrscheinlich immer noch eine gute Idee, Personen mit höherem Risiko eine 4. Dosis anzubieten. Konkretere Daten hat das Krankenhaus noch nicht publiziert.

Schnelltests: Teils geringe Sensitivität bei Kindern

Im BMJ-Evidence-Based Medicine berichten Forscher des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) über Ergebnisse einer Übersichtsarbeit zu Antigen-basierten Schnelltests bei Kindern.

Eingeschlossen wurden Querschnitts- oder Kohortenstudien unter Real-World-Bedingungen, wenn neben Schnelltests auch PCR-Tests als Goldstandard zum Einsatz gekommen sind. 17 Studien mit insgesamt 6.355 Kindern erfüllten alle Kriterien. Die Populationen waren recht heterogen – teils lag die Untergrenze bei 10 Jahren, teils bei 12 oder 14 Jahren. Alle Probanden waren maximal 18 Jahre alt, um noch in die Definition zu fallen.

Insgesamt wurden 8 Antigentests von 6 verschiedenen Herstellern bewertet. Nur 1 Studie wies ein geringes Risiko der Verzerrung auf.

  • Die gepoolte diagnostische Gesamtsensitivität und -spezifität in den pädiatrischen Populationen betrug 64,2% (95%-KI: 57,4-70,5 %) bzw. 99,1% (95%-KI: 98,2-99,5%).

  • Bei symptomatischen Kindern lag die gepoolte diagnostische Sensitivität bei 71,8% (95%-KI: 63,6-78,8%) und die gepoolte diagnostische Spezifität bei 98,7% (95%-KI: 96,6-99,5 %).

  • Bei asymptomatischen Kindern geben die Autoren als gepoolte diagnostische Sensitivität 56,2% (95%-KI: 47,6-64,4%) und als gepoolte diagnostische Spezifität 98,6% (95%-KI: 97,3-99,3%) an.

„Die Leistung der derzeitigen Antigentests in pädiatrischen Populationen unter realen Bedingungen ist sehr unterschiedlich“, schreiben die Autoren. Bei vielen Tests sei die Leistungsfähigkeit noch nicht untersucht worden. Ihr Fazit: „Die beobachtete geringe diagnostische Sensitivität könnte sich auf den geplanten Zweck der breiten Einführung von Testprogrammen auswirken.“

Fallstudie: Omikron-Durchbruchsinfektionen bei Deutschen in Südafrika

In den letzten Wochen haben viele Studien gezeigt, dass Omikron eine Immunflucht zeigt. Ein neuer, in The Lancet veröffentlichter Fallbericht bestätigt dies.

7 Deutsche, die jeweils 3 Dosen zugelassener SARS-CoV-2-Impfstoffe erhalten hatten, darunter mindestens 2 Dosen eines mRNA-Vakzins, erlitten zwischen Ende November und Anfang Dezember 2021 in Kapstadt Durchbruchinfektionen mit Omikron. Unter ihnen waren 5 Frauen und 2 Männer mit einem Durchschnittsalter von 27,7 Jahren (Bereich 25-39 Jahre) und einem mittleren Body-Mass-Index von 22,2 kg/m2 (Bereich 17,9-29,4 kg/m2). Niemand hatte relevante Vorerkrankungen. 4 Personen nahmen an einer klinischen Wahlfachausbildung in verschiedenen Krankenhäusern in Kapstadt teil, während die anderen in Urlaub waren.

„Dies waren die ersten dokumentierten Durchbruchinfektionen mit der Omikron-Variante bei vollständig geimpften Personen nach Erhalt von Auffrischungsimpfungen“, schreiben die Autoren. In-vitro-Daten deuten auf niedrigere Titer neutralisierender Antikörper gegen Omikron im Vergleich zu anderen SARS-CoV-2-Varianten nach der BNT162b2-Impfung hin, aber auf erhöhte Titer nach der 3. Dosis.

Aus dem Fallbericht gewinnen die Autoren 2 Erkenntnisse. „Der leichte bis mittelschwere Krankheitsverlauf lässt darauf schließen, dass eine vollständige Impfung mit anschließender Auffrischungsimpfung dennoch einen guten Schutz vor einer schweren Erkrankung durch Omikron bietet“, so ihr Fazit. Es zeige sich aber auch die „Notwendigkeit aktualisierter Impfstoffe“.

CDC: 8 Risikofaktoren für schwere Impfdurchbrüche

Auch in den USA häufen sich teils schwere Durchbruchsinfektionen. Analysen der Centers of Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, zeigen, dass es 8 relevante Risikofaktoren gibt. 78% aller COVID-19-Toten hatten mindestens 4 Risikofaktoren, wie Univadis.de berichtet.

Forscher werteten Daten von 1.228.664 Personen aus, die zwischen Dezember 2020 und November 2021 vollständig geimpft worden waren – gemäß Leitlinien mit 2 Dosen BioNTtech/Pfizer oder Moderna oder 1 Dosis Johnson & Johnson. Nur 2.246 dieser Personen erkrankten an COVID-19. 189 entwickelten einen schweren Verlauf (0,015%) und 36 (0,0033%) starben an der Erkrankung.

Als schweren Verlauf definierten die Forscher COVID-19, falls Patienten mit akutem respiratorischem Versagen stationär aufgenommen wurden, intensivmedizinisch betreut oder beatmet wurden oder starben.  

Dabei fanden sie mehrere unabhängige Risikofaktoren:

  • Alter ≥ 65 Jahre (aOR 3,22)

  • Immunsuppression wie z.B. bei HIV, Krebs, Chemotherapie oder nach Transplantation (aOR 1,91)

  • chronische Lungenerkrankungen (aOR 1,69)

  • Lebererkrankungen (aOR 1,68)

  • Niereninsuffizienz (aOR 1,61)

  • neurologische Erkrankungen wie Demenz, Schlaganfall oder Lähmungen (aOR 1,54),

  • Diabetes (aOR 1,47)

  • kardiale Erkrankungen (aOR 1,44)

Das Risiko für schwere Verläufe unterschied sich nicht zwischen BioNTech/Pfizer- und J&J-Vakzinen; es war nach der Moderna-Impfung etwas geringer (aOR 0,70 vs. 0,56). Am niedrigsten war das Risiko bei Genesenen mit Impfung (aOR 0,27).

Aufgrund ihrer Daten empfehlen die Autoren bei älteren Menschen und bei Patienten mit Immunsuppression oder mit anderen Komorbiditäten möglichst bald eine Boosterimpfung vorzunehmen.

Neue Strategie: RNA-Basierter Wirkstoff gegen Lungenschäden durch COVID-19?

Bei COVID-19 tragen fehlgeleitete Makrophagen wesentlich zu starken Entzündungen und Lungenschädigungen bei. Es kommt zu fibrotischen Veränderungen, die als möglicher Grund von Atembeschwerden bei Long-COVID gelten. Dagegen haben Forscher von rnatics, einem Start-up der TU München jetzt eine experimentelle Strategie entwickelt.

Ihre Idee: Wird eine spezifische RNA über die Atemwege verabreicht, gelangt sie schnell und gezielt an Immunzellen der Lungenbläschen und hemmt dort ein bestimmtes microRNA-Molekül. Lungenschäden durch inflammatorische Vorgänge ließen sich verhindern, so die Hoffnung. Der Mechanismus wird auch RNA-Interferenz genannt: eine Methode, um Gene posttranslatorisch stummzuschalten (Gen-Silencing).

Wie geht es weiter? Die Forscher rechnen damit, präklinische toxikologische Bewertung im 3. Quartal 2022 abzuschließen. Erteilt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) alle erforderlichen Genehmigungen, könnten in rund 1 Jahr klinische Studien der Phase 1 anlaufen.

 

Kommentar

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